Die Mitglieder der MUZ-Redaktion verraten ihre Musicalhighlights des Jahres. Vorgabe für die Auswahl war: Die Produktion musste 2025 besucht worden sein – egal, ob sie da schon länger lief oder erst Premiere hatte. Ein bunter Blick auf die vielfältige Musicallandschaft des fast vergangenen Jahres .
Wenn ihr auf den jeweiligen Namen klickt, seht ihr außerdem unsere Allzeit-Tops und -Flops.
Bei knapp 100 Produktionen, die ich dieses Jahr privat und als Rezensent sehen durfte, gab es für mich viele Highlights. Der düstere Regie-Ansatz in der niederländischen Tourversion von „Elisabeth“ mit Pia Douwes in ihrer ikonischen Paraderolle hat mich nachhaltig beeindruckt: Beklemmend, hoffnungslos und drastisch habe ich die Darstellung der Geschichte um die österreichische Kaiserin empfunden, was mich absolut gefesselt hat. Love the drama!


Intensiv und vor allem emotional war die deutschsprachige Erstaufführung von „Come from Away“ am Theater Regensburg. Die Geschichte wurde so einwandfrei ins Deutsche übertragen, dass ich noch immer davon schwärme. Die schauspielerischen Leistungen des Ensembles gingen unter die Haut und rührten zu Tränen. Nach einem schweren Schicksalsschlag in diesem Jahr war diese Produktion zudem die erste, die mich aus meinem Schneckenhaus wieder ins Theater und ans Rezensenten-Notizbuch gelockt hat. Dafür hätte es kein besseres Musical geben können!
Ein herausragendes Gesamtbild hat sich für mich bei „Mrs. Doubtfire“ in Düsseldorf ergeben. Ich bin mit gedämpften Erwartungen angereist, denn mich hatte das Stück als Robin-Williams-Fan am Broadway und West End zwar gut unterhalten, aber nicht vom Sockel gerissen – und wurde komplett überwältigt von der großartigen Leistung aller Gewerke dieser Inszenierung, von der Übersetzung bis zur Choreographie und dem Schauspiel hat alles hervorragend ineinander gegriffen. Noch nie habe ich in einem Musical so intensiv Lachen und Weinen nebeneinander wahrgenommen – ein wahrer Musical-Schatz für mich in diesem Jahr.


Mein absolutes Comedy-Highlight nicht nur von 2025, sondern seit etlichen Jahren war „Titanique“ im Théâtre du Lido in Paris. Dieses Musical hat genau meinen Humor getroffen und wirkte für mich und meine FreundInnen so, als hätte das Kreativteam unsere Gedankenwelt aus unseren Köpfen extrahiert, um dieses Bühnenstück genau für uns zuzuschneiden. Herrlich hysterisch, queer, überzeichnet, albern, schmuddelig und trotzdem musikalisch grandios!
Mir werden über 2025 hinaus viele wunderbare Einzelleistungen in Erinnerung bleiben, in denen Darstellende mit ihren Rollen verschmolzen. Ich wurde berührt, begeistert, erschüttert und in ihren Bann gezogen wie bisher in keinem anderen Musical-Jahr. Neben Thomas Hohler als Daniel Hillard, Jürgen Brehm als Phil Connors und Frank Logemann als Jackie Elliot führt Sidonie Smith als Rachel Marron in „The Bodyguard“ diese Riege für mich in diesem Jahr an. Sie verschmilzt mit ihrer Figur zu einer fast unwirklichen Symbiose, die diese UK-Tour für mich zum Jahresende hin in Zürich noch zu einem großen Höhepunkt werden ließ. Außerdem bin und bleibe ich einfach ein Fan dramatischer, tragischer und auch musikalisch pompöser Storys, sodass „The Bodyguard“ für mich alle Häkchen genau an den richtigen Stellen gesetzt hat!


Carpe F*cking Diem – Kammertheater Karlsruhe
Ich mache mal aus meinem Herz keine Mördergrube: Ich war mir im Vorfeld nicht sicher, ob ich dieses Stück lustig finden würde. Es ist auch weiß Gott nicht perfekt – das Buch ist nicht ganz rund, die eingängige Musik setzt mir trotz aller Abwechslung zu oft auf den Mitklatsch-Faktor –, aber das fabelhafte Ensemble hat die Schwächen inklusive meiner Bedenken einfach von der Bühne gefegt. Ich habe mich irre gut amüsiert, viel gelacht und – ja – auch mitgeklatscht …
Come from Away – Die von woanders – Landestheater Linz
Für mich eins das menschlichsten Musicals überhaupt, ein zu Herzen gehendes Plädoyer für Offenheit und Nächstenliebe. Das Linzer Ensemble ist (mal wieder) phänomenal.


Ich habe in diesem Jahr relativ viel Sondheim gesehen, aber diese Produktion war die interessanteste. Ich war bislang der Meinung, dass „Follies“ inhaltlich fest in seiner Entstehungszeit verankert ist, aber Martin G. Berger verlegt den Klassiker aus dem New York der frühen 1970er Jahre ins Jahr 2055. Was wie ein verkopfter Regietheater-Ansatz klingt, erweist sich in der Umsetzung als genial und schlüssig.
Oliver! – Gielgud Theatre London
West End at it’s best! Ein unverschämt talentiertes Ensemble (die Kinder!), Licht und Bühnenbild vom Feinsten und ein im positivsten Sinn „volkstümliches“ Stück, bei dem ich das Gefühl hatte, alle Briten im Publikum hätten von Anfang bis Ende mitsingen können.


Once Upon a Mattress – Die wahre Geschichte der Prinzessin auf der Erbse – Theater Baden-Baden
Ich mag es, wenn ein Ensemble sich voller Inbrunst zum Horst macht. Und dazu ist das Stück an sich einfach sehr, sehr witzig!

In diesem Jahr war vor allem „& Julia“ in Hamburg für uns eine Überraschung. Wir sind mit eher wenig Erwartungen hingefahren (Jukeboxmusical halt), aber was dort im Operettenhaus gezündet wird sind über zwei Stunden Partyfeuerwerk und die Story macht wirklich Spaß. Bei Stage Entertainment sind auch die Backstageführungen immer ein Highlight. Am beeindruckendsten für mich als Technikfan: Während der Show wird so viel Konfetti verschossen (mehrere Kilo, was bei dem leichten Papier echt eine große Menge ist), dass sich das Theater nach einigen Versuchen inzwischen mit Akku-Laubbläsern von den Papiermassen im Saal befreit. Anfang nächsten Jahres besuchen wir April, Mai und Julia bereits zum dritten Mal innerhalb von 12 Monaten und ich kenne einige Personen, die diese Zahl toppen.

Ein echter Tipp im Amateuerbereich ist zudem die Freilichtbühne Bökendorf (bei Höxter). Ein großes Amateurensemble mit professioneller Regie. Es ist jedes Jahr erstaunlich, was die Menschen vor Ort auf die Bühne bringen – sowohl darstellerisch als auch im Kostüm- und Bühnenbild inkl. Bühnentechnik. Mehrere zehntausende Besucher zählt die Bühne jedes Jahr. Dieses Jahr gab es als Musical „9 to 5“ zu sehen, nächstes Jahr folgt „Shrek“ (und als Theaterstück „Der große Gatsby“). Ich werde natürlich wieder im Publikum sitzen und freue mich darauf.

Eher zufällig ergeben hat sich mein Besuch bei „Mrs. Doubtfire“ in Düsseldorf. Okay, das Theater ist technisch nicht so toll ausgestattet und der Zuschauerraum ist eher eine Veranstaltungshalle. Aber das Stück ist einfach toll. Es hat eine wirklich rührende Story, einen schönen Spannungsbogen, großartige Darsteller in teils urkomisch schrulligen Rollen. Auch die vielen Verwandlungen zu und weg von Mrs. Doubtfire sind sehenswert. Leider hat das deutsche Publikum das Stück noch nicht für sich entdeckt (im Saalplan ist immer viel frei), aber daraus ergibt sich besondere Chance, unglaublich günstig hochwertiges Musical zu schauen und vielleicht sogar freie Sicht, weil niemand vor einem sitzt. Im Capitol Düsseldorf wichtig: Die Erhöhungen der Sitze beginnen erst ungefähr in der Saalmitte und dann sind immer zwei Reihe auf einer Höhe – dafür aber einer echte Treppenstufenhöhe. Im Saalplan sieht man das an den Linien zwischen den Reihen. Lieber direkt hinter einer Linie buchen und dann einen ziemlich freien Blick auf das bunte Geschehen auf der Bühne genießen.
Zugegeben: Ich habe anfangs etwas skeptisch auf die Spielpläne für 2025 geschielt, doch am Ende hielt das Jahr einige echte Musical-Sternstunden für mich bereit. Zwei Momente – einer ganz am Anfang, einer gegen Ende – sind mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben.

Als der Musical-Frühling Gmunden für 2025 die Uraufführung von „Saving Mozart“ ankündigte, war ich zunächst zurückhaltend: Ein Werk einer hier völlig unbekannten jungen Komponistin? Doch spätestens nach den Interviews mit der Intendanz und Charli Eglinton war ich angefixt. Die Idee, Nannerl und Constanze statt Wolferl in den Fokus zu rücken, war spannend, aber die Umsetzung vor Ort hat mich dann völlig überzeugt. Musik, Cast und Inszenierung griffen so perfekt ineinander, dass es für mich die beste Produktion wurde, die ich je in Gmunden erlebt habe. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt allerdings: Ich werde wohl nie wieder eine Review über ein Werk von Charli schreiben können. Ein gemeinsamer Kaffee auf dem Dach des Royal Opera House inklusive dem neuesten Musical-Klatsch und Tratsch gehört bei einem London-Trip mittlerweile genauso fest zum Programm wie der Besuch einiger Musicals.
Bei meinem letzten London-Trip durfte ich mit „Paddington – The Musical“ dann tief in die britische Seele eintauchen. Es ist eine dieser Shows, bei denen man das Theater tränenüberströmt verlässt, erfüllt von dem Gefühl, dass die Welt doch ein guter Ort ist und man gerade reich beschenkt wurde. Diese Magie weckte in mir sofort den Gedanken an einen alten Wunsch: Einmal eine Show, die später Kultstatus erreicht, im ersten Lauf und mit der unverbrauchten Energie der Original-Besetzung zu sehen – so wie damals beim „Phantom“ mit Crawford und Brightman. Ich bin mir ziemlich sicher: Mit „Paddington“ und diesem Cast ist mir genau so ein historischer Treffer gelungen!

2025 war für mich ein erstaunlich vielseitiges Musicaljahr. Ich habe in diesem Jahr wirklich alles gesehen, von hochprofessionellen Produktionen über ambitioniertes Amateurtheater bis hin zu Schulaufführungen. Auf der Bühne standen eingespielte alte Hasen genauso wie Kinder, die zum allerersten Mal vor Publikum gespielt haben. Es gab bunte, spaßige Unterhaltung zum Abschalten, aber auch Abende mit klarer politischer Botschaft, die einen noch lange beschäftigt haben.

Eine der größten Überraschungen war für mich „Das SpongeBob Musical“ auf der Waldbühne Kloster Oesede. Die Bühne kannte ich bereits als Amateurbühne mit hoher Qualität, trotzdem war mein erster Besuch eher von der Haltung geprägt: „Man kann sich das ja mal ansehen, wird aber vermutlich ziemlich kitschig“. Stattdessen habe ich ein wirklich witziges Musical erlebt, vor allem aber einen Cast, dessen Enthusiasmus mich komplett abgeholt hat. Jede einzelne Person auf der Bühne hat gestrahlt, und man hatte in jeder Szene das Gefühl, dass dort Menschen stehen, die gerade den Spaß ihres Lebens haben. Dieses Gefühl hat sich sofort auf mich als Zuschauer übertragen. Aus einem Besuch wurden drei, und bei jedem einzelnen hat mich dieses Glitzern in den Augen der Darstellenden aufs Neue begeistert.
Ein sehr emotionaler Moment war auch mein Besuch von „Tarzan“ in der Neuen Flora. 2011 war dieses Musical eines der ersten, die ich überhaupt gesehen habe, und deshalb war es etwas Besonderes, das Stück in diesem Jahr wieder am selben Ort erleben zu können. Die Sorge, dass das Musical in seiner überarbeiteten Form meinen Erinnerungen von damals nicht gerecht werden könnte, war innerhalb weniger Minuten verflogen. Stattdessen wurde der Abend zu einem wunderbaren Theatererlebnis, das wie vor vierzehn Jahren meine Liebe zu Musicals neu entfacht hat.


Neben all den Feel-Good-Momenten habe ich mir aber auch bewusst Stücke angesehen, die mehr fordern. Auch wenn „Cabaret“ im Oldenburgischen Staatstheater bereits im letzten Jahr Premiere gefeiert hatte, habe ich mir diese Produktion in diesem Jahr gleich zweimal angesehen. Oft habe ich bei Inszenierungen dieses Musicals das Gefühl, dass sie krampfhaft modern sein wollen, ohne dabei wirklich etwas zu erzählen. Diese Produktion hat es hingegen mit erstaunlich wenig Aufwand geschafft, die Geschichte zugleich zeitlos und sehr gegenwärtig wirken zu lassen. Die politische Botschaft war direkt und unmissverständlich und hat mir mehrfach echte Gänsehaut beschert, gerade weil sie so nah an unserer heutigen Realität war. Für mich hat dieser Abend eindrücklich gezeigt, wie wichtig es ist, dass Theater der Gesellschaft einen Spiegel vorhält.

Meine Verbindung zu „Elisabeth“ reicht viele Jahre zurück. Tatsächlich habe ich das Musical erst in diesem Jahr zum ersten Mal live erlebt. Da „nur“eine konzertante Tour-Fassung angekündigt wurde, war meine Erwartungshaltung eher zurückhaltend. Bereits während des Prologs war mir klar, dass die Bezeichnung konzertant“ dieser Produktion nicht gerecht werden konnte: Die starke Cast, die auf das emotionale Erleben der Figuren fokussierte Inszenierung und das präzise halbszenische Spiel rund um den Orchesteraufbau zeigten eindrucksvoll, dass es nicht viel mehr an Ausstattung braucht, wenn das künstlerische Zusammenspiel so wunderbar funktioniert. Insgesamt habe ich die Tournee sieben Mal besucht. Fünf Darstellerinnen durfte ich in der Rolle der Kaiserin erleben – eine besser als die andere. Annemieke van Dam, Bettina Mönch und Sofie de Schryver berührten tief mit ihrer Darstellung der Elisabeth, ebenso Kristina Emde und Florine Schnitzel.
Das Stück wird ebenso von der Interpretation der männlichen Hauptrolle getragen: Lukas Mayer halte ich für einen außergewöhnlichen jungen Künstler, dem wir in der Musical- und Schauspielwelt noch oft begegnen werden. In meiner Funktion als Redakteurin durfte ich Lukas in Dresden zum Interview treffen, mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf seiner Interpretation der Rolle des Todes.
Das Stück anschließend drei weitere Male in der einmaligen Atmosphäre der Semperoper zu erleben, steht an der Spitze meiner Musicalhighlights dieses Jahres.
Ich finde es nicht verwerflich, beides zu sein: Mitglied der Redaktion und Fan des Genres! Ich sehe es als großes Geschenk, so viele Inszenierungen zu erleben und ab und an hinter die Kulissen schauen zu dürfen, sodass die entsprechenden Stücke, Interpretationen und Künstler:innen auf mich noch einmal eine ganz andere Wirkung entfalten.
Es gab zahlreiche weitere Stücke, die mich dieses Jahr beeindruckten, um aber den Rahmen nicht zu sprengen: Außer „Elisabeth“ waren für mich „Hadestown“ in Amsterdam, „Romeo & Julia – Liebe ist alles“ in Berlin, „& Julia“ in Hamburg und „Mrs. Doubtfire“ in Düsseldorf meine persönlichen Musicalhighlights des Jahres 2025.

„Kein Pardon“ – First Stage Theater Hamburg

Als es 2011 in Düsseldorf Premiere feierte, war ich zugegebenermaßen sehr skeptisch, dass aus diesem Kultfilm ein gutes Musical entstehen könnte. Trotz der sehr wahrscheinlich tollen Darsteller (u.a. Dirk Bach als Heinz Wäscher) konnte man mich nicht überzeugen, reinzugehen. Dieses Jahr haben sich die Schüler der First Stage School dieses Stückes angenommen und ich dachte, ich versuche es doch mal. Und was soll ich sagen? Es hat so viel Spaß gemacht, dass man mit einem breiten Grinsen das Theater verlassen hat. Jede Sekunde hat man die Liebe und den Spaß an der Produktion gemerkt und der Funke brauchte nicht lange, um auf das Publikum (und mich) überzuspringen.
„Elisabeth“ – Metropol Theater Bremen (Schönbrunn-Version)
Zum ersten und bisher einzigen Mal vor Jahren in Köln gesehen, habe ich mich gefreut, es mir mal wieder anzuschauen. Aber kann das Stück auch als Konzert funktionieren? Die Antwort lautet eindeutig „Ja“. Von der ersten bis zur letzten Sekunde überzeugten Darstellende und Orchester auf ganzer Linie und sorgten für ein paar unvergessliche Stunden.

„The Prom“ – First Stage Theater Hamburg
Seit der Veröffentlichung der Netflix-Verfilmung war ich sehr angetan von der ohrwurmlastigen Musik und der unterhaltsamen Story mit einer aktuellen Botschaft. Dann kam die Ankündigung, dass die Schüler des zweiten Schuljahrs die Show auf die Bühne bringen und ich musste sofort eine Karte haben. Was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht. Und wie so häufig: Das Bühnenstück ist noch viel besser als der Film.
Stolz und Vorurteil* (*oder so) – Oldenburgisches Staatstheater

Der bekannteste Roman von Jane Austen aus der Perspektive der Dienstmädchen? Da bin ich dabei. Kein klassisches Musical, sondern eher ein Theaterstück mit Musik, das vor allem von fünf Frauen großartig getragen wird, die in 18! unterschiedliche Rollen schlüpfen. Hinzu kommen so großartige Einfälle wie sarkastisch kommentierende Obertitel, was dieses origelle und ungemein witzige Stück zu einem echten Erlebnis machen. Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß.

Meine Musicaljahr 2025 stand ganz im Zeichen der Amsterdamer „Hadestown“-Produktion, für die ich den (für mich recht weiten) Weg nach Amsterdam letztendlich zweimal auf mich genommen habe. Ich kannte das Stück schon vom West End und hatte mich dort – auf den zweiten Blick – darin verliebt, aber in Amsterdam fand ich es überraschenderweise nochmal deutlich stärker. Nicht nur, weil die aus „Hadestown“-West-End-Veteranen und niederländischen Darstellern zusammengestellte Besetzung grandios und im Zusammenspiel nahezu perfekt war, sondern auch, weil Szenen wie „Wait For Me“ im großen Saal des Royal Theater Carré ihre Intensität mit einer ganz anderen Wucht entfalten konnten als im kleinen Lyric Theatre in London. Überhaupt ist das Carré ein traumhaft schönes Theater, und auch in puncto Catering-Angebot (thematisch liebevoll auf das Musical abgestimmt und dabei extrem lecker und vielfältig) könnte sich so manches andere Haus hier eine Scheibe abschneiden. Einziger Wermutstropfen: Programmheft-Sammler wie ich sind leer ausgegangen, denn es gab nur ein kleines digitales PDF zum Herunterladen.

Der Tagestrip zu „Hadestown“ nach Amsterdam hat sich mehr als gelohnt – das Stück ist eine emotionale Achterbahnfahrt und obwohl das Ende so bekannt ist, hoffe ich doch jedes Mal, dass es anders ausgeht. Gerade das zentrale Thema Hoffnung macht das Stück so aus – „show the way the world could be“. Besonders schön und passend dazu: als wir vor dem Theater Fotos gemacht haben, wurde uns von anderen Fans die zentrale rote Blume aus dem Stück geschenkt.
„Oh What A Night! – Die Frankie Valli Show“ – Bar jeder Vernunft Berlin

Oft sind es ja nicht die große, glamourösen Stücke, die einen so richtig berühren, sondern die kleinen Perlen. Seit einigen Jahren läuft in der wunderbaren „Bar jeder Vernunft“, ein Spiegelzelt auf einem Parkplatz in Berlin, für einige Wochen die Show „Oh What A Night!“. Am Anfang stellen die vier Darsteller immer die Frage, wer Frankie Valli und die 4 Seasons kennt, die diese Songs – teils unter anderem Bandnamen – performt haben. Und immer noch zeigen viele Hände auf. Was folgt, ist ein lustiger, musikalisch herausragender Abend, an dem sich 20 Hits aneinanderreihen. Tränen vor Lachen, Tränen vor Rührung. Spätestens dann, wenn einer der Darsteller erzählt, dass seine verstorbene Großmutter, die sich an fast nichts mehr erinnern konnte, bis zum Schluss immer noch „My Eyes Adored You“ sang, obwohl sie kein Wort englisch sprach. Michael Heller und Christopher Bolam, die sich diese Show ausgedacht haben, haben alles richtig gemacht.
„Oberaffengeil“ – Schmidts Tivoli Hamburg

Mittlerweile im zweitenJahr gab es im Sommer im Schmidts Tivoli auf dem Spielbudenplatz in Hamburg die 80er und 90er-Jahre-Revue „OAG“. Als Kind der frühen 70er Jahre bin ich also mit diesen Songs groß geworden: „Ghostbusters“, „Take on me“. NDW, alles von Rick Astley und natürlich die großartige Zeit der Boy- und Girlbands. Das alles wird verbunden durch kleine Szenen wie dieser Mix aus allen „furchtbaren“ Gameshows der frühen Privatfernsehen-Jahren oder dem Zusammenschnitt so vieler Werbeslogans, die aber auch jede Person im Saal mitsprechen konnte… „Aber leicht muss sie schmecken“…, „Den ersten hat er immer sofort gegessen“…., „unwidersteeeeeehlich“… Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ein Publikum so dauerhaft lachend und glücklich sah. Ich auch. Und hoffentlich wird die Show so ein Dauerbrenner wie die „Heiße Ecke“, damit sie läuft und läuft und läuft.
Beim Revue passieren lassen meines Musicaljahres 2025 sind mir einige Produktionen ins Auge gefallen, die für mich besonders waren. Der besseren Übersicht halber habe ich sie drei Kategorien zugeordnet.

Musical-Klassiker vom Duo Ebb/Kander an kleinen Stadttheatern

„Chicago“ und „Cabaret“ tummeln sich immer wieder auf den Spielplänen im deutschsprachigen Raum. Ich habe davon in diesem Jahr zwei Produktionen an kleinen, kommunal finanzierten Theatern besucht, die mir besonders gut im Gedächtnis geblieben sind. Anfang Februar war ich bei der Premiere von „Chicago“ am Landestheater Neustrelitz, einem Theater am Rande der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort kitzelte Regisseurin und Choreografin Amy Share-Kissiov aus dem hauseigenen Musiktheater-Ensemble – mit den beiden Sopranistinnen Laura Albert (Velma Kelly) und Laura Scherwitzl (Roxie Hart) an der Spitze – ein meine Sinne berauschendes Theatererlebnis heraus.

Am dritten Adventswochenende schloss sich mein Ebb/Kander-Kreis mit einem Besuch von „Cabaret“ am Theater in der Silberstadt Freiberg am Rande des Erzgebirges (Fun Fact: Laut Aussage des Mittelsächsischen Theater ist ihre Freiberger Spielstätte das älteste Stadttheater Deutschlands, das im Jahr 1791 in Betrieb genommen wurde). Die Inszenierung von Johannes Pölzgutter hat mich wegen ihrer starken politischen Aussage tief bewegt, erschreckt und mir Angst vor der Zukunft unseres Landes gemacht. An dem Theater zahlt es sich wirklich aus, dass Darsteller mit einem Musical-Background zum festen Ensemble gehören. Doch nicht nur Anna Burger (Sally Bowles), Yannik Gräf (Clifford Bradshaw) und Alexander Donesch (Conférencier) haben mich begeistert, auch der restliche Cast war erste Sahne. Vielleicht sollte ich im März erneut einen Abstecher nach Freiberg machen, wenn Bollands und Bollands „3 Musketiere“ auf dem Spielplan stehen…
Dennis Weissert – mein persönlicher Darsteller des Jahres
Seit vielen Jahren begeistern mich die Abschlussproduktionen der Musical-Studenten der Berliner Universität der Künste. In den Vorstellungen frage ich mich immer wieder, welchen Darstellern ich irgendwann wieder begegnen werde – viele verschwinden leider einfach von der Bildfläche. 2015 wurde „Grimm! Die wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ uraufgeführt – damals mit Dennis Weißert (noch mit dem Buchstaben ß in seinem Nachnamen) in der Rolle des Hofhunds Sultan. Seitdem habe ich ihn immer wieder auf der Bühne erleben dürfen, in diesem Jahr sogar in zwei besonders prägnanten Produktionen.

Zuerst habe ich ihn im Mai in der deutschsprachigen Erstaufführung des inhaltlich wie musikalisch anspruchsvollen Zweipersonen-Stücks „Davor/Danach“ in der Produktion des von mir geschätzten Vereins OFFstage Germany erleben dürfen. In der Inszenierung von Michael Heller glänzte Dennis Weissert gemeinsam mit seiner Ehefrau Sidonie Smith in einem Kammermusical-Juwel, in dem Ami zufälligerweise ihren Ex Ben wiedertrifft, der aufgrund eines unfallbedingten Gedächtnisverlustes seine Verflossene nicht erkennt. Als letzten Satz habe ich damals in meiner Rezension geschrieben: „Das im wahren Leben verheiratete Ehepaar liefert eine Glanzleistung ab, die diese deutschsprachige Erstaufführung wie das Sahnehäubchen auf einer Torte krönt“ – dem habe ich auch heute noch nichts hinzuzufügen.

Stück Nummer zwei mit Dennis Weissert war im August das giftig-gallige Ein-Mann-Stück „Adam Schaf hat Angst“ von Georg Kreisler am Berliner Theater im Palais. Als Regisseur und Darsteller in Personalunion blickt er darin als gealterter Mime Adam Schaf zurück auf seine gescheiterte Bühnenkarriere. Das Stück reiht kabarettistisch inspirierte Songs über modernes Regietheater, verlogene Kollegen und borniertes Publikum aneinander, in denen Dennis Weissert gesanglich und darstellerisch 120 Minuten brilliert. Mein kleiner Geheimtipp für Berlin-Besucher, die das Besondere suchen. Das Stück steht immer einmal wieder auf dem Spielplan.
Musicalaufführungen an ungewöhnlichen Spielorten

In diesem Jahr war ich in Berlin in zwei Musicalaufführungen, die nicht in einem Theater gespielt wurden. Laut, knallig, schrill und mit unglaublichen 350 (!) Statisten opulent besetzt, habe ich Andrew Lloyd Webbers „Jesus Christ Superstar“ im August in Hangar 4 im ehemaligen Hauptstadt-Flughafen Tempelhof besucht. Auch wenn mich das Regiekonzept von Andreas Homoki mit seinen stark überzeichneten Charakteren in der als Interimsspielstätte der Komischen Oper genutzten Halle nicht wirklich überzeugt hat, war die Aufführung mit Rockband, großem Orchester sowie John Arthur Greene (Jesus) und Sasha Di Capri (Judas) ein monumentales Erlebnis.

Ungewöhnlich, aber authentisch, war der Spielort von „FLUSH – Ein Club-Musical“, das von einer Samstag-Partynacht in einem Gay-Club handelt. Im Club-Klo treffen die unterschiedlichsten Charaktere – gespielt von den drei extrem wandlungsfähigen Darstellern Robin Cadet, Felix Heller und der Drag Queen Jurassica Parka aufeinander. Die Uraufführung im April und zwanzig weitere Aufführungen des ungemein witzigen, allerdings auch alles andere als jugendfreien, Musicals wurden bis Ende September im „SchwuZ“, dem ältesten und größten queeren Club Europas, gezeigt. Ironie des Schicksals: In die Handlung integriert war eine Benefizshow für die Erhaltung des fiktiven Clubs. Als hätten es die Verantwortlichen geahnt: Nach einer Insolvenz schloss das „SchwuZ“ nach fast fünfzig Jahren am 1. November für immer seine Türen. Einige Tage davor wurde das queere Club-Toiletten-Musical mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2025 in der Kategorie „Bestes Tondesign“ ausgezeichnet. Für mich etwas überraschend, da ich gerade die musikalische Seite des Stücks mit den Kompositionen und Arrangements von Mikael „Leakim“ Johansson äußerst schwach fand. Das beweist allerdings auch, dass jede Rezension immer subjektiv geprägt ist.

Es gibt wohl nur wenig Stücke, die so abgenudelt sind, wie der im Jahr 1978 uraufgeführte Musicalklassiker. Keine große oder kleine Bühne irgendwo in der Provinz, die sich nicht daran versucht hätte. Dass mich das Stück nochmal hinter dem Ofen hervorlocken könnte, hielt ich für gänzlich abwegig. Bis zum vorigen Sommer, als sich Rachel Zegler dazu aufmachte, London zu erobern. Und dass, nachdem sie kurz vorher gleich mehrere unbeschreibliche PR-Desaster mit der „Snow White“-Verfilmung von Disney hatte. So kurz war noch nie jemand völlig weg vom Fenster. Um sich sodann sofort wieder auf einen Balkon zu stellen und täglich Tausende von Menschen zu begeistern.

Auch das war ein Nebeneffekt dieser Produktion: Wer einmal tatsächlich erleben will, wie es sich anfühlt, wenn das unentwegt aufgeregt pochende Herz des West Ends schlägt, musste in diesem Sommer nach London in die Argyll Street gehen, wo sich jeden Tag 1 1/2 Stunden vor Beginn des zweiten Akts die Menschen zusammenfanden und auf „Don’t Cry for Me Argentina“ warteten. Dort war in diesem Sommer das Epizentrum der Musicalleidenschaft. Für Musicalfans ein Wallfahrtsort, an dem man etwas Atemberaubendes, etwas unfassbar Eindrückliches erleben konnte. Etwas, das man nie wieder vergessen wird. Und die Inszenierung? Radikal, dynamisch, erotisch aufgeladen und unglaublich spannend. Was zu dem weiteren Nebeneffekt geführt hat, dass die sensationell hohe Qualität der Arbeit von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber fast 50 Jahre nach Erscheinen des Konzeptalbums nochmals deutlich ins Scheinwerferlicht trat. Ein nicht so schöner Nebeneffekt: Ich werde es wohl nie wieder in der Form anschauen können, wie es deutschsprachige Theater so gerne auf die Bühne bringen …
„Merrily We Roll Along“ – Theater Regensburg

Noch so ein Stück, das ewig alt ist. Nur dass es nicht wie etwa „Evita“ landauf, landab zu Tode gespielt wurde, sondern regelrecht in einem Giftschrank weggesperrt wurde. Wahrscheinlich in einem verplombten Kasten mit der Aufschrift „Vorsicht, giftige Spinnen!“ Der Flop der Original-Broadway-Produktion war zu episch, zu niederschmetternd, zu traumatisierend. Bis Maria Friedman kam und zeigte, wie man das Stück in den Griff bekommt. In Deutschland nahm sich Sebastian Ritschel des Stückes an und schuf hiermit am Theater Regensburg eine Sternstunde dieses Musicaljahres: Eine kluge Inszenierung und ein Andreas Bieber in Bestform. Am Ende des Stückes fragt man sich unweigerlich, wie es sein kann, dass solch ein virtuos geschriebenes und komponiertes Werk, noch dazu von Sondheim, so lange auf seinen Durchbruch warten musste. Es gibt viel berechtigte Kritik an den Musicalproduktionen von staatlichen Bühnen – aber hier wurde alles richtig gemacht. Das macht Hoffnung.
„Come from Away“ – Theater Regensburg

Und schon wieder Regensburg: Dort gibt man sich nicht mit einem Jahreshöhepunkt zufrieden: Es müssen gleich zwei sein. Es gibt international erfolgreiche Stücke, die sich aufgrund übersichtlicher Bühnentechnik durchaus dazu eignen, von einem staatlichen Theater auf die Bühne gebracht zu werden. Leider scheitern solche Produktionen aber allzu häufig im deutschsprachigen Raum, weil es dann eben doch am nötigen Know-how für die Umsetzung oder an geeigneten Darstellerinnen und Darstellern fehlt. Dass das alles auch anders geht, bewies das Theater Regensburg mit einer glänzenden und mitreißenden Produktion des Stückes, das vor dem Hintergrund von 9/11 spielt. Ernsthaft und doch unterhaltsam, mitreißend und nie oberflächlich. Ein tolles Ensemble, das keinerlei Wünsche offenlässt. Und toller Folk-Rock, dessen Melodien einem nach dem Theaterbesuch nicht mehr loslassen. Der Hit der Show ist „Welcome To The Rock“. „Welcome In The Musicalolymp“ möchte man dem Theater Regensburg begeistert zurufen.

