Simon Stockinger (Billy), Moritz Mausser (Hans), Martin Enenkel (Hansi) © VBW Deen van Meer
Simon Stockinger (Billy), Moritz Mausser (Hans), Martin Enenkel (Hansi) © VBW Deen van Meer

Rock Me Amadeus - Das Falco Musical (seit 10/2023)
Ronacher, Wien

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

„In Wien musst‘ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst‘ lang“ ist wohl eines der bekanntesten Zitate Hans Hölzls, der als Popstar Falco in den 1980iger und 90iger Jahre zu Weltruhm gelangte, bevor er 1989 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Dieser Satz steht auch wie eine Prophezeiung über der neuesten Uraufführung „Rock Me Amadeus“ der Vereinigten Bühnen Wien. Im wahrsten Sinne des Wortes setzen die VBW dem National-Idol der Österreicher ein Denkmal und produzieren dabei einen Hit, über den Wien noch lange reden wird.

Nach einer Phase, in der überwiegend Revivals bereits in Wien bewährter Stücke wie „Rebecca“ und „Cats“ oder Importe von Welthits wie „Miss Saigon“ und demnächst „Das Phantom der Oper“ die Spielpläne geziert haben, setzten die VBW mit „Rock Me Amadeus“ wieder einmal auf eine ihrer größten Stärken: Die Entwicklung neuer Musical-Stoffe. Ob der Stoff um Falco außerhalb Österreichs zünden wird, ist unklar. In Österreich und vor allem in Wien scheint „Rock Me Amadeus“ derzeit aber in aller Munde.

„Rock Me Amadeus“ erzählt die Lebensgeschichte Falcos von dem Zeitpunkt an, als er als kleiner Schüler beschloss, ein Popstar zu werden. Das Publikum erlebt seine Kindheit, die er mit seiner allumsorgenden Mutter in einer kleinen Wiener Wohnung verbringt, weil der Vater sie verlassen hat, seine ersten Anfänge in einer Popband bis zu seiner Karriere als Weltstar und seinem tiefen Fall. Gerade, als er wieder auf dem aufsteigenden Ast im Hinblick auf seine künstlerischen Erfolge war, verunglückte er dann bei einem Verkehrsunfall in seiner neuen Heimat, der Dominikanischen Republik. Während der erste Akt noch sehr realistisch erzählt wird, taucht der zweite Akt viel mehr in Hans Hölzels Seelenleben ein. Hierfür haben ihm Autor Christian Struppeck und der für die kreative Entwicklung und Regie zuständige Andreas Gergen ein Alter Ego an die Seite gestellt: Eine innere Stimme, die ihn antreibt weiter auf seine Karriere zu setzen, koste es was es wolle, obwohl Falco sich in Wirklichkeit nach familiärer Nähe und Zurückgezogenheit sehnt.

Erzählt wird die Geschichte aus Falcos Sicht, der auch immer wieder für kurze, erklärende Passagen aus der Handlung heraustritt. Diese Erzählweise ermöglicht natürlich, Falcos Motivationen und innere Antriebe darzustellen und somit sein Handeln zu erklären. Zwar werden seine Drogensucht, das Scheitern seiner Ehe und das Entsetzten über die Erkenntnis, dass seine Tochter nicht sein leibliches Kind ist,  thematisiert – um eine kritische Auseinandersetzung damit geht es Autor Christian Struppeck allerdings garnicht.

Beim Bühnenbild von Stephan Prattes haben sich die VBW selbst übertroffen. Schon beim Betreten des Theatersaals blickt das Publikum auf eine die gesamte Bühnenbreite und Höhe umfassende, in Quadrate unterteilte Wand. Auf den quadratischen Feldern sind teils Bilder des Logos und des Schriftzugs der Show zu sehen, teils bestehen sie aus Spiegelflächen. Dieses Konzept, das Bühnenbild wie ein Schiebepuzzle aufzuteilen, hält Prattes die gesamte Show über durch. Die meisten Szenen spielen in quadratischen Kästen, die je nach Bedarf von oben oder von den Seiten hereingefahren werden und durch ihre immer neue Zusammensetzung die Orte der Handlung darstellen. Dabei entstehen schöne Effekte, wenn beispielsweise weit oben die Küche der Familie Hölzel in einem Quadrat dargestellt ist und der junge Hans in sein Zimmer geschickt wird, das sich in einem just in diesem Moment ebenfalls einfahrenden Quader befindet, betritt. Auch wird durch diese Konstruktionen ermöglicht, Handlungen gleichzeitig an verschiedenen Orten spielen zu lassen. Der Blick des Publikums wird immer wieder auf den jeweils wichtigen Spot der großen Bühnen des Ronachers gelenkt. 

Der Bühnenhintergrund wird für gestochen scharfe Projektionen genutzt, mal wie ein typischer 80iger Jahre Videoclip mit knallbunten Animationen, mal die Silhouette Tokios. Aufgelöst wird die Ästhetik des Schiebepuzzles nur in wenigen Situationen: Entweder, wenn wie bei Szenen aus Falcos Konzerten die gesamte Bühnenbreite benötigt wird. Oder wenn im zweiten Akt Falcos Alter Ego aus einer riesigen Büste Falcos erscheint, die sich dreht und einen Blick in Falcos Kopf freigibt. Die Abläufe der Bühnenumbauten während der Szenenwechsel ist dabei faszinierend zu beobachten: Während die Büste Falcos nach hinten und schließlich nach unten fährt, kommen bereits wieder neue Bühnenelemente von oben, von unten und den Seiten herausgefahren. Mit dem Bühnenbild zu „Rock Me Amadeus“ haben die Vereinigten Bühnen Wien wohl ihre bisher imposanteste Bühnenkonstruktion entworfen.

Die Musik zu „Rock Me Amadeus“ besteht zu einem großen Teil aus Falcos bekannten Hits, die von neuen Songs aus der Feder von Original-Songschreiber Rob Bolland und seines Sohn Justin Dylan Bolland ergänzt werden. Es ist erstaunlich, wie ‚musical-tauglich‘ die Musik Falcos ist. Songs wie „Out of the Dark“ oder „Jeanny“ klingen in „Rock Me Amadeus“ ganz so, als wären sie von Anfang an für eine Bühnenshow geschrieben worden. Die tatsächlich für die Show komponierten Songs passen sich sehr gut in die gesamte Komposition ein. „I Am You“, ein Duett von Falco mit seinem Alter Ego klingt tatsächlich beinahe wie ein bisher unbekannter Song Falcos.

Peter Bíró dirigiert das zwanzigköpfige Orchester enorm energiegeladen. Der Sound kommt meistens sehr gut ausgewogen im Zuschauersaal an. Lediglich wenn die Bässe zu wummernd und die Lautstärke des Orchesters zu groß wird, sind einzelne Instrumente oder einzelne Stimmen nicht mehr herauszuhören.

Bei einem Stück, das seine Hauptfigur dermaßen in den Mittelpunkt stellt, sind alle anderen Rollen eher Stichwortgeber. Den Darstellerinnen und Darstellern von „Rock Me Amadeus“ gelingt es allerdings trotzdem, ihren Figuren Charakter und Profil zu geben. Sei es die ihrer realen Vorlage auch noch sehr ähnlich sehende Tania Golden als Falcos liebende, aber strenge und mit jeder Menge Wiener Schmäh ausgestattete Mutter, Falcos langjährige Freunde Hansi (Steven Armin Novak) und Billy (Simon Stockinger) oder auch Falcos Manager Horst Bork (Andreas Lichtenberger) und sein Entdecker Markus Spiegel (Franz Frickel). Dem gesamten Ensemble ist vom ersten Moment der Show bis zu ihrem letzten Ton eine enorm große Spielfreude anzumerken. Katharina Gorgi darf mit der Rolle der Isabella, Falcos Ehefrau, ihre erste große Hauptrolle bei den Vereinigten Bühnen Wien übernehmen und hat gleichzeitig die schwierige Aufgabe, die Rolle als erste Darstellerin zu kreieren. Darstellerisch gelingt ihr das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen der Liebe zu Falco, der Einsamkeit, die das Leben mit einem Star mit sich bringt, und gleichzeitig der Erkenntnis, dass sie sich nur durch eine Trennung von ihm weiterentwickeln und zu einer eigenständige Person werden kann, die nicht ’nur‘ die Frau an Falcos Seite ist, sehr gut. Musikalisch überzeugt sie vor allem bei ihrem Solo „Lebe deinen Traum“ mit ihrer klaren und kraftvollen Stimme.

In der Hauptrolle steht Moritz Mausser auf der Bühne und es ist nicht vermessen zu behaupten: Moritz Mausser ist Falco! Jede Bewegung, jedes Zucken der Lippe und jeder Blick kopiert sein Rollenvorbild eins zu eins. Sowohl die Entwicklung vom ‚Normalo‘ Hans zur sich immer exaltierter bewegenden und sprechenden Kunstfigur Falco als auch dessen Zusammenbruch durchlebt Moritz Mausser enorm eindrucksvoll. In seinen Spielszenen bringt er seine Figur mit der exakt richtigen Mischung aus Arroganz und Charme, gepaart mit einem breiten Wiener Dialekt auf die Bühne. In den Szenen in denen Falco seine Hits wie den Titelsong „Rock me Amadeus“ performt, entsteht der Eindruck, das Publikum werde gerade Zeuge einer Reinkarnation Falcos. Besonders bemerkenswert ist diese Performance dadurch, dass es auch Maussers erste große Rolle auf einer großen Musical-Bühne ist.

Die Rolle des Alter Egos wurde in der besuchten Vorstellung von Charles Kreische  übernommen. Er spielt seine Figur mit großer Wut und einer beängstigenden Energie, die bis in den Publikumsraum hinein zu spüren ist. Er vermag es im Zusammenspiel mit Moritz Mauser so bedrohlich zu wirken, dass selbst der immer cool agierende Falco sein Alter Ego fürchtet. Ihre gemeinsamen Duette „I Am You“ und „Out of the Dark“ sind die musikalischen Höhepunkte der Show und werden mit lang anhaltendem Szenenapplaus bedacht.

„Rock Me Amadeus“ endet mit dem Tod Falcos und seiner Trauerfeier, die ein letztes Mal den großen Popstar zeigte. Wenn sich der Vorhang dann wieder schließt und sich das Publikum in den über den Bühnenvorhang verteilten Spiegelquadraten widerspiegelt, entsteht einer der wenigen leisen und nachdenklichen Momente des Abends: Alle haben beim Aufstieg von Hans Hölzel zum großen Star zugeschaut. Und alle habe zugesehen, als er tief gefallen ist.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
BuchChristian Struppeck
Orchestrierung, ArrangementsMichael Reed
Roy Moore
InszenierungAndreas Gergen
ChoreografieAnthony van Laast
BühnenbildStephan Prattes
KostümeUta Loher
Conny Lüders
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Hans / FalcoMoritz Mausser
(Clemens Otto Bauer
Benedikt Solle)

Falco alter EgoAlex Melcher
(Charles Kreische
Mark Van Beelen)

HorstAndreas Lichtenberger
(Stefan Poslovski)
Walk-In Cover HorstKai Peterson
IsabellaKatharina Gorgi
(Anna Carina Buchegger
Sarah Kornfeld)

MariaTania Golden
(Valentina Inzko Fink)
Walk-In Cover MariaShlomit Butbul
MarkusFranz Frickel
(Peter Kratochvil
Stefan Poslovski)

BillySimon Stockinger
(Jonathan Metu
Stefan Mosonyi)

HansiMartin Enenkel
(Stefan Mosonyi
Steven Armin Novak)

EnsembleClemens Otto Bauer
Anna Carina Buchegger
Barbara Castka
Anneka Dacres
Klaudia Dodes
Valentina Inzko Fink
Peter Knauder
Sarah Kornfeld
Peter Kratochvil
Charles Kreische
Jan-Eike Majert
Jonathan Metu
Paula Niederhofer
Stefan Poslovski
Fabian Lukas Raup
David Rodriguez-Yanez
Benedikt Stolle
Zoe Staubil
Mark van Beelen
Yuri Yoshimura
SwingsSophie Aigner
Andrea Luca Cotti
Stefan Mosonyi
Steven Armin Novak
Georg Prohazka
Jo Lucy Rackham
Bettina Schurek
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
Do, 21.11.2024 19:30Ronacher, Wien
Fr, 22.11.2024 19:30Ronacher, Wien
Sa, 23.11.2024 19:30Ronacher, Wien
So, 24.11.2024 14:00Ronacher, Wien
Di, 26.11.2024 18:30Ronacher, Wien
Mi, 27.11.2024 18:30Ronacher, Wien
Do, 28.11.2024 19:30Ronacher, Wien
Fr, 29.11.2024 19:30Ronacher, Wien
Sa, 30.11.2024 19:30Ronacher, Wien
So, 01.12.2024 14:00Ronacher, Wien
▼ 22 weitere Termine einblenden (bis 31.12.2024) ▼
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 07.10.2023 19:30Ronacher, WienPremiere
Di, 10.10.2023 18:30Ronacher, Wien
Mi, 11.10.2023 18:30Ronacher, Wien
▼ 260 weitere Termine einblenden (bis 20.11.2024) ▼
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