Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 wird der Luftraum über den USA gesperrt. 38 Flugzeuge werden nach Neufundland zum Flughafen Gander umgeleitet. Die einheimische Bevölkerung auf der Insel muss von jetzt auf gleich 7000 gestrandete Passagiere versorgen. Sie tut das ohne lange zu überlegen mit Tatkraft und offenen Armen. Ein im positivsten Sinn zu Herzen gehendes Musical, stark interpretiert und perfekt inszeniert. Das lässt doch noch an das Gute im Menschen glauben.
Die 13 Darstellerinnen und Darsteller müssen im Minutentakt ihre Charaktere wechseln. Mal sind sie Einheimische, mal „die von woanders“ (so nennt man in Neufundland Fremde). Mal ist es ein eher komischer Charakter, mal ein ernster. Doch jede Figur bekommt eine Eigenheit, erscheint dreidimensional, selbst wenn der Part pro Szene nur wenige Sätze hat. Darunter die TV-Journalistin Janice, die an ihrem ersten Arbeitstag mit dieser Situation konfrontiert wird und rund um die Uhr berichtet (Patrizia Unger); die zupackende Lehrerin Beulah, die zum Organisationszentrum wird (Sarah Schütz); der pragmatische Bürgermeister (Karsten Kenzel); die Leiterin des Tierschutzvereins Bonnie (Lynsey Thurgar) , die sich um die Tiere in den Flugzeugen kümmert – darunter auch eine schwangere Bonobo-Dame; der überforderte Polizist Oz (David Rodriguez-Yanez); Garth, der Vertreter der Busfahrer-Gewerkschaft, die wegen der aktuellen Umstände den gerade schwelenden Arbeitskampf unterbricht (Fabian Koller); das schwule Pärchen Kevin T. (Gernot Romic) und Kevin J. (Lukas Sandmann), deren Beziehung in die Brüche geht – dafür verlieben sich der schüchterne englische Ingenieur Nick (Max Niemeyer) und die Texanerin Diane (Alexandra-Yoana Alexandrova); die Pilotin Beverley, deren Kollege eins der Flugzeuge steuerte, das ins World Trade Center flog (Sanne Mieloo); der ägyptische Küchenchef Ali, der von anderen Passagieren als potentieller Terrorist verdächtigt wird (Christian Fröhlich); Hannah, die verzweifelt auf ein Lebenszeichen ihres Sohnes – Feuerwehrmann in New York – wartet (Astrid Nowak).
Es gibt zwar einige Soli und ein paar Figuren, die etwas mehr Zeit in der Handlung bekommen als andere, aber das Ensemble erscheint als Einheit. Es wird hervorragend gesungen, überzeugend gespielt und voller Energie getanzt (Choreografie: Kim Duddy). Regisseur Matthias Davids behält dabei souverän den Überblick über die vielen Figuren und sein ständig auf- und abtretendes, perfekt getaktetes Ensemble, das in Windeseile mit nicht mehr als kleinen Kostüm-Accessoires und Körpersprache immer wieder Rollen wechselt. Dabei spielen Adam Nees Kostüme eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn man erkennt sofort, etwa an einer Brille oder einem Hut, auch ohne etwas über die Figur zu wissen, wie sie tickt.
„The Newfound Shreekers“ unter der Leitung von Tom Bitterlich sind die treibende Kraft des Abends. Die Band beschwört durch verschiedene Percussion-Instrumente sowie dem Einsatz von Fiddle und Akkordeon eine spezielle Atmosphäre herauf. Bei der Begleitung der Songs setzt sie die Dringlichkeit von Situationen, den humorvoll dargestellten Pragmatismus, folkige Fröhlichkeit, aber auch Beklemmung und Trauer brillant um.
Andrew D. Edwards‘ Bühnenbild besteht aus einer Holzspielfläche – einer Insel auf dem Orchestergraben. Ein geschickt eingesetztes drehbares Podest in der Mitte beschert Abwechslung von der rein frontalen Sicht auf das Geschehen. Zwei Tische und 13 Stühle sind die einzigen verwendeten Möbel und die Requisiten beschränken sich auf das unbedingt Notwendige. Rechts und links der Fläche sitzt die Band vor Felsen, die den warmen hellbraunen Holzton übernehmen. Den Bühnenhintergrund bildet eine Videoprojektion des Meeres (durch findig platzierte Spiegel nahezu in die Unendlichkeit verlängert), in das je nach Spielort auch andere Motive – etwa das Rollfeld des Flughafens – eingeblendet werden.
„Come from Away – Die von woanders“ ist ein warmherziges, anrührendes Stück über praktizierte Nächstenliebe. Die Linzer Produktion nutzt alle Stärken der Vorlage zu einer temporeichen, packenden und bewegenden Aufführung. Unbedingt ansehen!
Musical von Irene Sankoff und David Hein Deutsch von Sabine Ruflair
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