Julie Andrews feierte gerade ihren 90. Geburtstag. Das nehme ich zum Anlass, mich näher mit ihrem Comeback-Film "Victor / Victoria" zu beschäftigen. Genauer gesagt: auch mit dessen Wurzeln. Ich befasse mich in dieser 'Fernsehsessel'-Ausgabe gleich mit vier Filmen, denn Blake Edwards‘ Meisterwerk ist das dritte Remake eines deutschen Films von 1933. Mich interessiert, ob – und wenn ja, wie sehr – sich die verschiedenen Verfilmungen von "Viktor und Viktoria" von der ersten UFA-Fassung bis zur Hochglanz-Hollywood-Version beeinflusst haben. Ich kann schon mal verraten: Spuren des deutschen Originals finden sich selbst in der knapp 50 Jahre später gedrehten US-Version wider.
Die Mutter aller Kultfilme wird 50 – 1975 flimmerte „The Rocky Horror Picture Show“ zum ersten Mal über die Leinwand! Mit dem Begriff „Kult“ wird für meinen Geschmack etwas zu inflationär umgegangen, aber dieser Film trägt dieses Etikett zu Recht. Zuschauer verkleiden sich, es gibt Zwischenrufe und Publikumsaktionen. Der Film ist eigentlich nur Anlass für die im Saal stattfindende Party. Aber funktioniert er auch einfach nur so im heimischen Wohnzimmer – ich allein in meinem Fernsehsessel, nicht in Frank'n'Furter-Corsage, ohne Wasserpistole und ohne Reis zu werfen? Okay, vielleicht singe ich ein kleines bisschen mit …
Als ich die Verfilmung von "Anatevka" zum ersten Mal gesehen habe, war ich ziemlich verwundert. Ich wusste grob, dass es um den jüdischen Milchmann Tevje und seine Familie in einem Dorf geht, und erwartete gefällige Unterhaltung mit folkloristischer Musik. Dass die Geschichte zutiefst tragisch ist und man eigentlich drei Stunden dabei zusieht, wie Tevjes Welt auseinanderbricht, wusste ich nicht. Norman Jewisons Verfilmung hält sich zwar eng an die Vorlage von Jerry Bock (Musik), Sheldon Harnick (Songtexte) und Joseph Stein (Buch), geht aber formal weg von der stilisierten Optik des Broadway-Originals hin zu einem fast dokumentarischen, um Authentizität bemühten Realismus. Für das Medium Film eine gute und mutige Entscheidung.
Nachdem ich gerade Stephen Sondheims letztes Werk "Here We Are" in London gesehen habe, kehre ich für meinen Fernsehabend zu seinem ersten zurück. Die Verfilmung an sich ist eine Hommage an den Slapstick-Humor der Stummfilmzeit (passenderweise mit Buster Keaton in einer Nebenrolle) mit hohem Tempo und Gags im Sekundentakt. Das ist irre lustig – nur der Musical-Charakter kommt dabei unter die Räder.
Meine heutige Wahl ist ganz schön naheliegend. Filme für Weihnachten gibt es unzählige, bei Ostern sieht es anders aus. Das dachte man sich auch bei MGM und sah eine Marktlücke. Ein Musical nur mit Liedern von Irving Berlin war sowieso gerade in Planung und sein Song "Easter Parade" kam ihnen da gerade recht. Herausgekommen ist ein typisches MGM-Musical – große Bilder, großer Aufwand, große Stars. Ein Klassiker des Genres!
Es war ein letztes, trotziges Aufbäumen des alten Hollywood, als die Oscar-Academy "Oliver!“ zum besten Film des Jahres 1968 kürte. Aus heutiger Sicht wegweisende Filme wie "Rosemaries Baby", "Planet der Affen" oder "2001 – Odyssee im Weltall" hatten es erst gar nicht unter die letzten fünf Hauptpreis-Nominierten geschafft. Womöglich fühlten sich die Stimmberechtigen in Gegenwart von Kindertaschendieben wohler als bei Satanisten, in einer von Affen beherrschten Welt oder auf einer Raumstation, wo keiner verstand, worum es da eigentlich ging. Ich begebe mich also via Fernseher ins England der 1830er Jahre, dorthin, wo es am schmuddeligsten ist.
Ich habe diesmal tief in die Kiste der vergessenen Musicals gegriffen und "The Unsinkable Molly Brown" ("Goldgräber-Molly“) von 1964 zu Tage gefördert. Diese Molly - eigentlich Margaret - Brown (1867 – 1932) erlangte Berühmtheit, als sie beim Untergang der Titanic andere Passagiere rettete. Ihre – stark veränderte – Lebensgeschichte war ein Hit am Broadway und die Verfilmung ließ in den USA die Kinokassen klingeln. Hierzulande sind Musical und Film nahezu unbekannt. Habe ich da also gerade einen Musicalschatz ausgegraben?
Der Film, den ich diesmal ausgesucht habe, ist ein Vorschlag aus der MUZ-Redaktion. Ich kannte bislang nur den Titel, habe mir eine Aufnahme angehört und war dann sehr neugierig. Für diese hervorragend besetzte, abgedrehte, respektlose Satire braucht man allerdings ein Humorzentrum, das vor religiösen Scherzen nicht zurückschreckt.
Mit "Es war einmal" fangen die meisten Märchen an und mit "Sie lebten glücklich bis an ihr Ende" hören sie auf. Bei Stephen Sondheim gibt es kein "Happy End", sondern nur eine "Happy Mitte". In seinem Musical geht die Handlung nämlich noch weiter und wird zusehends düsterer. Rob Marshalls Verfilmung von 2014 ist prinzipiell ein sehr ansehnlich umgesetzter Film mit einer Schar gut aufgelegter mal mehr, mal weniger gesangserfahrener Hollywoodgrößen. Mit einigen schmerzhaften Kürzungen und Veränderungen fremdele ich allerdings.
"The greatest thing you'll ever learn, is just to love and be loved in return." Diese für Satine und Christian so wichtige Zeile aus dem Song "Nature Boy" kann man als esoterischen Kalenderspruch abtun oder es wird einem dabei melancholisch warm ums Herz. Wer zur ersten Gruppe gehört, wird wahrscheinlich mit diesem Film wenig anfangen können. Hoffnungslose Romantiker stürzen sich hingegen mit Wonne in dieses Bildergewitter und erfreuen sich an Musikzitaten, popkulturellen Querverweisen und dem dick aufgetragenen Melodram. Ich gehöre zu Gruppe Zwei und genieße diesen Musical-Pomp in vollen Zügen. Dabei mag ich eigentlich keine Jukebox-Musicals. Was macht "Moulin Rouge!“ da anders?
