© Opernwerkstatt am Rhein
© Opernwerkstatt am Rhein

Danke für nichts (seit 04/2023)
CongressForum Frankenthal

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Das Genre Musical ist vor allem in der Neuzeit immer mehr dafür bekannt, einem extrem breiten Spektrum an Themen, die auf den ersten Blick so gar nicht auf eine Bühne mit Gesang und Tanz zu passen scheinen, eine künstlerische Plattform zur Entfaltung zu geben. In „Danke für Nichts – Das Generation Z – Musical“ dreht sich ein Großteil der Handlung um das Damoklesschwert mit dem Titel „Klimaschutz“ und die namensgebende vermeintlich „Letzte Generation“. Kann das als Musical bestehen? Die Antwort: Überraschenderweise ja! Auch wenn das Stück selbst insgesamt zu ambitioniert daherkommt.

Man könnte durchaus sagen, dass kaum ein anderes Musical so nah am Nabel der Zeit spielt wie „Danke für Nichts“: Themen wie die Corona-Pandemie, Fridays for Future, Klimakleber, Querdenker, der Einfluss von Social Media und die Radikalisierung der jungen Bevölkerung werden genauso verarbeitet wie das Label der so genannten Generation Z und seine Stigmatisierung. Sieben junge Umweltaktivist*innen werden wegen eines vermeintlichen Hacker-Angriffs auf die Tagesschau, durch den sie Friedensbotschaften in eine breite Öffentlichkeit tragen wollten, inhaftiert und von einer betont antagonistischen News-Vloggerin nacheinander interviewt. Diese verfolgt das Ziel, die jungen Demonstranten als Terror-Organisation zu entlarven, um Likes und Views für ihre Seite zu generieren. Die Zuschauer erfahren die Beweggründe der einzelnen Inhaftierten, sich für den Klimaschutz stark zu machen – dabei folgen einige sehr aufrichtigen Motiven und andere schwimmen lediglich mit dem Strom, um Eindruck zu schinden. Die Figur des immer wieder intervenierenden Polizei-Wachtmeisters verdeutlicht außerdem auch den Standpunkt älterer Generationen, wie den so genannten Baby-Boomern, was einen Generationskonflikt entfacht. Im zweiten Akt werden mehrere unterschiedliche dystopische Szenarien als „Zukunftsvisionen“ gezeichnet und präsentiert, wie es um die damaligen Jugendlichen als Erwachsenen sowie die Gesellschaft und die Welt als Ganzem etwa zehn Jahre später bestellt sein könnte.

Das Buch von Anke Pan und die Regie von Sascha von Donat zeichnen sehr prägnante Szenen und generieren einige wort- und bildgewaltige Momente, die in Erinnerung bleiben. Die Dialoge wirken im ersten Akt oftmals sehr naturalistisch, kreieren durch kreisende Gespräche allerdings stellenweise ein paar verkraftbare Längen. Die Figuren wirken glücklicherweise – mit Ausnahme der absichtlich provokativ geschriebenen Reporterin – weder eindimensional noch parodistisch, sondern kommen als runde und nachvollziehbare Figuren daher, die unterschiedlich starke Emotionen leben und verschieden krass ausgeprägte Ansichten vertreten. Das Lebensgefühl und Selbstverständnis der Generation Z abzubilden, ist wie bei jeder Generation auch ein gewaltig umfangreiches Unterfangen, was leicht zu plakativen Plattitüden und Stereotypen führen kann und so in die Richtung einer Parodie oder Komödie abzudriften droht. Dies abzuwenden und ein ernstzunehmendes Abbild zu kreieren, gelingt dem Autoren-Duo glücklicherweise gut, auch wenn die Fülle an Themen, die angeschnitten und nicht zu Ende gedacht werden können, den Zuschauer zu erschlagen droht. Das, was dieses Musical alles aufgreifen möchte, ist für ein dreistündiges Bühnenwerk wohl etwas zu ambitioniert. Dies kann gewollt sein um zu zeigen, mit welch erdrückender Masse an Themen und Problemen sich die „Letzte Generation“ auseinanderzusetzen hat. Das hat definitiv seine Berechtigung, doch: Um auch ältere Generationen abzuholen, den Einstieg in das Stück allen zu erleichtern und vielleicht auch kommerziell als Bühnenstück gewinnbringend zu bestehen, stünde dem Werk eine Abspeckung des Themenwusts ganz gut zu Gesicht.

Alisson Bonnefoys und Yuhao Guos Kompositionen bedienen sich unterschiedlichster musikalischer Genres, um das jeweilig subjektiv gefärbte Innenleben der Figuren, sowie ihre Wünsche und Träume melodisch zu untermalen. Die darauf geschriebenen Songtexte sind ab und zu rhythmisch nicht ganz passend gewählt, haben aber dafür nahezu durchgängig starke Aussagewerte und nähren sich erfreulicherweise überhaupt nicht von den in der deutschen Musicalszene oftmals gefürchteten Musical-Trivialitäten im „Reim‘ dich oder ich fress‘ dich“ – Schema. Dabei ist eine Handvoll Songs melodisch durchaus sehr eingängig und hat Ohrwurm-Potenzial. Das weiß zu gefallen, auch wenn das oftmals bedeutet, dass die Kompositionen nicht zu den komplexesten zählen. Dies machen sie aber durch nuanciert und differenziert gewählte Orchestrierungen wieder wett. Die fünfköpfige Band unter der Leitung des Komponisten Guo spielt alle Lieder virtuos mit Schwung und Gefühl.

Besonders herauszustellen sind die sehr gelungene Lichttechnik von Kristof Schlößer und die Projektionen von Clemens Hörlbacher. Auf unterschiedlich geformte Panels werden im Verlauf des Stücks Live-Feeds der Reporterin und weiterer Influencer projiziert, was dem Stück eine willkommene optische Mehrdimensionalität verleiht. Schlößer gelingt auf der Bühne eine wahre Lichtshow, die gekonnt nicht nur zwischen Realität und Traumsequenzen wechselnde Momente untermalt, sondern auch die unterschiedlichen Dystopien im zweiten Akt eindrucksvoll und dramatisch arrangiert. Jede einzelne Szene ist individuell absolut stimmig ausgeleuchtet und weiß zu beeindrucken. Besonders die beklemmenden Momente, wie der Ausbruch der Hauptfiguren aus dem Gefängnis und ihre Suche durch Polizeihelikopter, oder die Schreckens-Dystopie einer verendenden Welt, werden nicht nur dramatisch, sondern auch immersiv durch das Licht erzeugt. Ein großes Kompliment!

An diesem Abend war jedoch leider die Tontechnik ziemlich unsauber: Rauschen und Knacken kamen genauso oft vor wie Mikrofon-Ausfälle oder verspätetes Ein- und Ausschalten der Headsets, was den Zuschauer immer aus der doch anspruchsvoll zu folgenden Geschichte kurzzeitig herausbrachte. Zudem war, wenn die Tontechnik dann insgesamt funktionierte, zumeist die Band so laut abgemischt, dass die Textverständlichkeit zu leiden hatte. Auf der Haben-Seite des Tons sind die zahlreichen eingesetzten Soundeffekte, die vor allen in den Dystopien des zweiten Aktes zur Dramaturgie maßgeblich beitragen.

Das Ensemble, bestehend aus neun Darsteller*innen, kommt sehr homogen und harmonisch daher. Man merkt die Bühnenchemie zwischen ihnen und kauft ihnen die Freundschaft und den Zusammenhalt in ihrer Gruppe direkt ab. Ihre Songs singen und tanzen allesamt absolut solide, wobei sie vor allem im Schauspiel sehr zu beeindrucken wissen. Gesanglich weiß besonders Ana Ramirez als Lexi zu überzeugen, die mit einer starken Stimme und mächtigen Belting-Passagen beeindruckt. Robin Ziehbrunner gefällt in seiner Rolle als Tim, dem verliebten Sohn einer reichen Familie, der vom bloßen Mitläufer zum überzeugten Aktivisten eine nachvollziehbare Wandlung durchläuft. Seine Spielenergie ist mitreißend und sein Schauspiel vor allem auch in den dystopischen Szenarien im zweiten Akt noch immer menschlich und nahbar. Christoph Loebelt gibt mit seiner Figur Lion in seinem Solo „Meine Wahrheit“ einen emotionalen Höhepunkt des Abends. Anne Berndt als antagonistische Journalistin besticht durch ihre Bühnenpräsenz vor allem mit ihrem Ohrwurm-Solo „Ich leb‘ von eurer Angst“. Stefan Peters gibt einen zunächst ebenfalls antagonistisch ausgelegten, im Verlauf der Handlung aber immer nahbareren Polizisten, der überzeugend die Stimme der älteren Generation zu vertreten weiß. Daniel Müller steht als Ben mit seinen sehr starken und nahezu radikal gefärbten Überzeugungen im Zentrum der Gruppe und weiß diese Rolle mit schauspielerischer Leidenschaft zu füllen. Hannah Kreuzer überzeugt stimmlich und schauspielerisch auf ganzer Linie in der Rolle der Ari, während Larissa Pyne als Sara die vielleicht schwierigste Aufgabe des Abends zuteil wird, eine mit Ausnahme von Ben für den Rest des Ensembles unsichtbare, verstorbene Aktivistin zu spielen, die im zweiten Akt zudem durch die verstörenden Zukunftsvisionen zu führen hat. Dies gelingt ihr mit Bravour und schauspielerischer Tiefe. Insgesamt strahlt das Ensemble  im Zusammenspiel und den großen Gruppen-Nummern des Stücks, wobei die Songs „Fürchtet uns“ und das düstere „Der Tote an deiner Seite“ besonderen Eindruck hinterlassen.

Ein mutiger und durchaus stimmiger Musical-Abend mit großen Botschaften, denen eine dramaturgische Straffung noch gut tun würde. Alles in allem aber auf jeden Fall sehens- wie hörenswert!

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
BuchAnke Pan
Sascha von Donat
KompositionAlisson Bonnefoy
Yuhao Guo
InszenierungSascha von Donat
Musikalische LeitungYuhao Guo
Alisson Bonnefoy
ChoreographieMiguel Zermeno
Bühneholzdings.wtf
KostümeNadine Baske
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
CarlaSina Dekker
BenJulian Karow
Daniel Müller
AriHannah Kreuzer
LionChristoph Loebelt
SaraLarissa Pyne
LexiAna Ramirez
TimRobin Ziehbrunner
JournalistinAnne Berndt
WachmannStefan Peters
MusikerYuhao Guo
Simone Bet
Luca Miketta
Julian Böckeler
Jonas Dunkel
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
Mi, 13.11.2024 20:00Festhalle, Zweibrücken
Sa, 15.03.2025 19:00Oberschule Cuxhaven-Mitte, Cuxhaven
Di, 03.06.2025 10:00Stadthalle, Troisdorf
Mi, 04.06.2025 10:00Stadthalle, Troisdorf
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Mo, 24.04.2023 19:30Evangelisches Gemeindehaus, SchweinfurtPremiere
So, 27.08.2023 20:00Stadthalle, Hilden
Mi, 25.10.2023 20:00Stadthalle, Weinheim
▼ 11 weitere Termine einblenden (bis 25.10.2024) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay