Live-Gesamtaufnahme des Osterkonzerts 2011 im Wiener Ronacher als Doppel-CD. In den Hauptrollen: Drew Sarich als Jesus, Caroline Vasicek als Maria Magdalena und Mischa Mang als Judas.
Noch eine Jesus-Christ-Superstar-Aufnahme? Der skeptische Blick des Musical-Liebhabers fällt ins CD-Regal, wo schon ein gutes Dutzend Einspielungen von Andrew Lloyd Webbers biblischer Rockoper stehen und man fragt sich: Braucht es wirklich eine weitere? Zumal die Vereinigten Bühnen Wien bereits 2005 einen sehr guten Mitschnitt von ihrem fast alljährlich stattfindenden Jesus-Osterkonzert herausgebracht haben, ebenfalls mit Drew Sarich in der Titelrolle.
Beim Anhören zeigt sich jedoch schnell, warum man für den Live-Mitschnitt des Konzerts von 2011 dennoch einen Platz im Regal findet sollte. Es ist eine ausgesprochen rockige und dynamische Aufnahme, die dank energiegeladener Besetzung und brillanter Orchestrierung beim Zuhören einfach Spaß macht. Das Orchester unter Leitung von Koen Schoots spielt mit viel Drive, die Arrangements sind rockiger als man es von vielen anderen Aufnahmen bzw. Inszenierungen kennt und der musikalisch Spannungsbogen wird u.a. durch viele kleinere und größere E-Gitarren-Soli ausgereizt.Drew Sarich ist es gelungen, seine ohnehin schon eindrucksvolle Interpretation von der 2005er Aufnahme hier noch zu verfeinern und zu intensivieren. Er stellt stimmlich überzeugend die Entwicklung vom strahlenden Heiland zum zweifelnden Märtyrer dar. Besonders “Gethsemane” wird durch Sarichs intensive, musikalisch oft recht freie Interpretation zu einem emotionalen Kraftakt zwischen Verzweiflung und Wut – ein absolutes Highlight der CD.
Dass ein Interpret wie Sarich, der seine Rolle voll und ganz lebt, den Rest der Besetzung nicht in den Schatten stellt, sagt viel über die Qualität des gesamten Ensembles aus. Mischa Mang singt den Judas mit rauer und gewaltiger Rockröhre, was sich hervorragend ins musikalische Gesamtkonzept des Konzertes einfügt. Caroline Vasicek als Mary ist ein wohltuender Ruhepol: Sie interpretiert ihre Songs mit so angenehm warmer, weicher Stimme, dass man ihr nur zu gerne glauben mag, wenn sie den Streit zwischen Jesus und Judas mit “Everything’s Alright” zu beschwichtigen versucht, oder wenn sie gemeinsam mit Norbert Kohler als Petrus den Neuanfang beschwört.
Rob Fowler ist als Hohepriester Annas wunderbar bösartig und kann auch als Simon mit dynamischer Kampf-Hymne überzeugen. Alexander di Capri gibt ein eindringliches “Pilate’s Dream” zum Besten, bei dem die schwindenden Erinnerungen seines Alptraums düster nachklingen. “King Herod’s Song” wird von James Sbano mit rockiger Stimme interpretiert, ohne die Figur des Herodes – trotz aller aufgesetzter anfänglicher Freundlichkeit – ins Lächerliche zu ziehen. Dennis Kozeluh intoniert wie auch schon beim 2005er Konzert den Kaiaphas mit wohlklingender, aber dennoch bedrohlicher sonorer Bassstimme.Für einen Live-Konzertmitschnitt ist der Sound sehr klar. Dass Zuschauerapplaus nicht herausgeschnitten wurde, wirkt sich durchaus positiv auf den Gesamteindruck aus, der die Live-Atmosphäre dadurch noch besser einfängt. Einziges Manko ist, dass an einigen wenigen Stellen (z.B. bei “Simon Zealotes” oder auch bei einigen Chorszenen) die akustische Balance zwischen der Lautstärke des Orchesters und dem Gesang nicht ausgewogen ist – hier hätte man sich etwas mehr Nachbearbeitung gewünscht, die den Gesang in den Vordergrund stellt.
Sicher, diese Einspielung von “Jesus Christ Superstar” bietet nichts revolutionär Neues. Aber es ist eine qualitativ hochwertige und sehr moderne Gesamtaufnahme des Stückes, die Anlass gibt, sich beim Anhören zu freuen, live beim Konzert dabei gewesen zu sein, oder sich zu ärgern, es verpasst zu haben.