© Michael Bode
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7½ Cent - The Pajama Game (2022)
Schlossfestspiele, Ettlingen

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Die Musical-Komödie von Richard Adler und Jerry Ross wird hierzulande trotz des Hits “Hernando‘s Hideaway” – ein Tango, den nun wirklich jeder kennt – äußerst selten gespielt. Regisseur Felix Seiler sieht den Grund in der angestaubten Übersetzung und hat für die Schlossfestspiele Ettlingen neue deutsche Texte erstellt. Doch trotz toller Songs liegt das Problem wohl eher am Buch des mit dem Tony Award als bestes Musical 1955 ausgezeichneten Werkes, das simpel nach Schema F gestrickt ist.

Die Arbeitnehmervertretung des Pyjama-Herstellers “Sleep-Tite” kämpft um eine Lohnerhöhung von 7 ½ Cent pro Stunde. In diese aufgeheizte Stimmung kommt der neue Arbeitsdirektor Sid Sorokin und verguckt sich ausgerechnet in Babe Williams, eine der aktivsten Gewerkschaftsstreiterinnen. Die beiden befinden sich nun in einer Zwickmühle zwischen privaten Gefühlen und beruflichem Zwist. Außerdem gilt es, ein offensichtlich dunkles Geheimnis der Geschäftsführung aufzudecken.

Die emsige und stimmlich sehr gut aufgelegte Darstellerschar wirbelt 2 ½ Stunden lang über die Bühne. Das spielfreudige Ensemble und die temporeiche Inszenierung sind auch die Pfunde, mit denen diese Produktion wuchern kann. Danny Costellos Choreografien fügen sich nahtlos in das flotte Geschehen ein. Das Bühnenbild von Nikolaus Webern ist praktisch, wie Bühnenbilder bei Open-Air-Aufführungen sein müssen. Wenn Stücke nicht in historischen Umgebungen spielen, wirken sie in Schlosshöfen manchmal deplatziert. Hier wird mit einfachen Mitteln dafür gesorgt, dass man den Ort nicht mehr wahrnimmt. Der Eingang des Barockschlosses wird zum Firmeneingang umgebaut und an der historischen Fassade winden sich Rohrleitungen der Schlafanzugsschneiderei. Linda Schnabels bunte Kostüme verorten die Handlung gut in den 1950er Jahren.

Aus der Schar der kleineren Rollen stechen April Hailer und Dorina Maltschewa hervor. Hailer spielt als Sorokins Sekretärin Mabel ihre trockenen Pointen gekonnt aus, während Maltschewa als Mae den Womanizer Prez mit kokettem Augenaufschlag auflaufen lässt. Eben diesem Prez gibt Robert Johansson eine gute Portion Überheblichkeit, aber auch ein Quäntchen Charme mit. Diese Figuren funktionieren nach der Komödien-Dramaturgie gut. Bei den Hauptrollen wird es da schwieriger. Es mag zum einen daran liegen, dass zwischen den hervorragend singenden Sophie Mefan als Babe Williams und Lukas Mayer als Sid Sorokin nur in wenigen Momenten die Chemie stimmt. Das Duett “Small Talk”, in dem sich Sid eindeutig nähert und Babe auf Nebensächlichkeiten ausweicht, hätte das Potential, es ordentlich knistern zu lassen. Aber diese Gelegenheit wird in einer braven szenischen Umsetzung seitens der Regie und von den Darstellern, die in dem Moment keine Verbindung zueinander zu haben scheinen, verschenkt. Da knistert nichts. Stimmlich hingegen passen Mefans warme, dunkel getönte Stimme und Mayers heller, kräftiger Tenor sehr gut zusammen.

Zum anderen haben George Abott und Richard Bissell ihr Buch nach dem altbekannten Prinzip “Junge trifft Mädchen – Junge kriegt Mädchen – Junge verliert Mädchen – Junge gewinnt Mädchen zurück” konzipiert. Die Figuren Babe und Sid tun das, was Liebespaare in konfektionierten Geschichten zu tun haben – mehr nicht. Felix Seilers neue Übersetzung ist zwar insgesamt flott, aber gegen das Ursprungsmaterial in diesen Szenen können auch die neuen Texte nichts ausrichten.
Wirklich fragwürdig ist aber der Handlungsstrang mit dem für Effektivität und Zeitmanagement zuständigen Pedanten Vernon “Hinesie” Hines und der oberflächlichen Chefsekretärin Gladys Hotchkiss. Deren Beziehung kann man nur als toxisch bezeichnen. Hines ist chronisch eifersüchtig, Alkoholiker und ehemaliger professioneller Messerwerfer. Als er glaubt, Gladys hätte ein Verhältnis mit Sid, versucht er sogar, ihn zu töten. Über Hines werden Witze gemacht, niemand nimmt ihn für voll und am Ende reicht ein “Ich tu‘s nie wieder” zum Happy End. Das ist alles geschmeidig und mit Sinn für Tempo und Witz inszeniert und von Karin Seyfried und Stefan Poslovski ebenso gespielt – und gerade dieser unreflektierte Umgang damit macht es noch unangenehmer.

Ignoriert man das und akzeptiert das wenig originelle Buch, kann man aber mit den schmissigen Songs von Adler und Ross seinen Spaß haben. Christoph Wohlleben dirigiert das kleine Orchester passend zur spritzigen Partitur. Die Trompete hatte hoffentlich bei der besuchten Vorstellung nur einen schlechten Tag. Die Instrumente waren an diesem Abend leider nicht ausgeglichen ausgesteuert. Besonders die Streicher deckten das sonst sehr textverständliche Ensemble immer wieder zu.
Die Ettlinger Musical-Produktion 2022 ist zweifellos kurzweilig. Aber auch wenn man “bloß” unterhalten will, sollte man manche inhaltlichen Aspekte hinterfragen. Es hat womöglich einen Grund, warum das Stück hierzulande so lange ungespielt war.

 
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KREATIVTEAM
InszenierungFelix Seiler
Musikalische LeitungChristoph Wohlleben
ChoreografieDanny Costello
BühneNikolaus Webern
KostümeLinda Schnabel
 
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CAST (AKTUELL)
Katherine "Babe" WilliamsSophie Mefan
Sid SorokinLukas Mayer
GladysKarin Seyfried
MabelApril Hailer
HinesStefan Poslovski
PrezRobert Johansson
Hasler / PopChristian Peter Hauser
Mae / EnsembleDorina Maltschewa
Poopsie / EnsembleMagdalena Allgaier
Virginia / EnsembleClara Maria Determann
Brenda / EnsembleMaria Joachimstaller
Charley / EnsembleSebastian Prange
Joe / 1. Gehilfe / EnsembleMatthias Knaab
Max / Hutchinson / 2. Gehilfe / EnsembleAlexander Sasanowitsch
Band der Schlossfestspiele Ettlingen
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Do, 23.06.2022 20:30Schlosshof, EttlingenPremiere
Fr, 24.06.2022 20:30Schlosshof, Ettlingen
Sa, 25.06.2022 20:30Schlosshof, Ettlingen
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