Die Vereinigten Bühnen Wien zeigen seit dem Frühjahr 2013 die deutschsprachige Erstaufführung von „Legally Blonde“ im Ronacher. Die Komödie nach dem gleichnamigen Film mit Reese Witherspoon bietet knallbunte Unterhaltung und überzeugt durch eine flotte Inszenierung und eine fast ausnahmslos gute Besetzung.
„Natürlich blond“ ist sicherlich keine Weltliteratur auf der Theaterbühne. Auch ist es kein Musical, das für seine tiefsinnige Handlung oder seine bahnbrechende Musik in die Ära der herausragenden Werke eingehen wird. Aber wie die österreichische Presse über das Stück wertet und wettert ist schon heftig. Das „geschwätzige Parlando dieser leeren Musik“ (Der Standard, 22.2.2013) sei für die Künstler eine Herausforderung. Die Musik sei wie „von einem Schnellschnitt-Häcksler generiert“ und auch die „Vokalleistungen … nur Mittelmaß“ (Kurier, 22.2.2013).
Schade. Denn was man im Ronacher erlebt, ist Unterhaltung pur. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Natürlich sind die Charaktere von Stereotypen durchsetzt, natürlich ist alles pink, bunt und überladen. Aber dies ist eben nur eine von vielen Facetten des Genres Musical.
Die aus dem zugrundeliegenden Film bekannte Geschichte handelt von Elle Woods, Modepuppe und Präsidentin ihrer Studentenvereinigung Delta Nu. Nach der Trennung von ihrem Freund Warner Huntington III versucht sie, ihm nach Harvard zu folgen und besteht dort in der Tat die Aufnahmeprüfung zum Jura-Studium. Wirklich akzeptiert wird die Außenseiterin jedoch nicht. Einzig in Friseurin Paulette findet Elle eine Freundin und schafft es trotz aller Umstände letztlich, in das begehrte Team von Professor Callahan aufgenommen zu werden und dort einen Mordfall aufzudecken.
Punkten kann die Wiener Inszenierung besonders mit einem großartigen Ensemble. Interessanterweise hinterlässt eine Nebenrolle den nachhaltigsten Eindruck: Ana Milva Gomes als Paulette Buonufonté. Die Rolle der Friseurin war schon im Film eine Charakterrolle, der die Bühnendarstellerin nun mit viel Gefühl für Witz und Timing sowie einer ausgezeichneten Stimme gerecht wird. Ganz anders als im Film, aber nicht minder amüsant interpretiert. Gerade bei Songs wie „Irland“ merkt man Gomes ihre Erfahrung als Leading Lady in „Sister Act“ an, denn hier ist sie konkurrenzlos. Einzig die beiden auf der Bühne auftretenden Hunde können ihr den Rang ablaufen und werden vom Publikum noch enthusiastischer gefeiert.
Die Hauptrolle, Elle Woods, wird von Barbara Obermeier gespielt. Sie macht ihre Sache durchwegs klasse. Sie singt gut und schafft es, die klischeebehaftete Blondine – die es im Amerikanischen sicher leichter hat, Eindruck zu schinden als in der deutschen Übersetzung – nie peinlich und überdreht wirken zu lassen. Das Abrutschen in die Peinlichkeit ist bei einer solchen Art von „Fun-Show“ eine der großen Gefahren, doch dank Obermeiers sympathischen Spiels passiert das hier nicht.
Unbedingt erwähnenswert auf der Plus-Seite des Ensembles ist Jörg Neubauer als Emmett, Elles Kommilitone und Unterstützer in der Riege der Anwälte. Unaufdringlich und mit angenehmer Singstimme gibt er die Rolle des grundsympathischen Anwalts, der Elle am Ende vor dem Scheitern bewahrt.
Ein herrlicher Einfall ist die Rolle des UPS-Boten Kyle, Paulettes Lover (Daniel Rákász), der seinen ersten Auftritt mit dem Satz: „Ich hab’n Paket“ absolviert und das Publikum aufgrund der an Werbespots erinnernden Musikuntermalung und seines übertrieben aufreizenden Spiels auf seine Seite zieht. Zusammen mit ihm träumt Paulette von einem zukünftigen Leben in Irland und flüchtet in eine „Riverdance“-artige Choreografie, die Jerry Mitchell großartig umsetzt. Überhaupt sind die Tanzszenen der Show ein Augenschmaus.
Etwas teilnahmslos wirkt Alexander Goebel in der Rolle des Chef-Anwalts Callahan. Seine Dialoge klingen seltsam aufgesagt, und so richtig konnte man ihm am besuchten Abend den harten Anwalt nicht abnehmen. Ein wenig mehr Strenge hätte gut getan.
Leider etwas blass blieb auch Hendrik Schall als Elles Ex-Freund Warner Huntington III. Schauspielerisch akzeptabel, fiel er gesanglich doch stark hinter die übrige Cast zurück.
Für die Ausstattung sind David Rockwell (Bühne) und Gregg Barnes (Kostüme) verantwortlich. Alles ist bunt, schnell und immer in Bewegung. Durchaus passend für die Geschichte – und überraschend, wie schnell Gerichtssäle, Wohnheime oder Hinterhöfe entstehen können.
Neben der Choreografie zeichnet Jerry Mitchell auch für die Regie verantwortlich, was sehr positiv zu vermerken ist, denn er verknüpft Handlung und Tanz so geschickt, dass die Choreografien nie als „Lückenfüller“ auffallen, sondern immer den Verlauf der Geschichte untermalen. Herrlich umgesetzt ist zum Beispiel die finale Enttarnung in der Gerichtsszene, bei der mit Hilfe des Songs „Schwul oder Franzose“ und einer abgestimmten Choreografie ganz wunderbar der wahre Täter ans Tageslicht befördert wird.
Gelungen ist auch die Idee, Paulette am Ende der Story einen Ausblick auf die Zukunft der einzelnen Charaktere geben zu lassen, der – wie im Film – einen würdigen Abschluss einer stringent erzählten Geschichte bietet.
Ob die Musik von Laurence O’Keefe und Nell Benjamin nun zündet oder nicht, ist Geschmackssache. Beschwingte Musiknummern wie der erwähnte Irland-Song oder die schmissige Seilspring-Einlage „Peitsch dich in Form“ geben den Ton an. Auch wenn viele Nummern nur kurz im Gedächtnis bleiben, passen sie immer zum Gesehenen und tragen das Geschehen. Man geht – anders als die eingangs erwähnten Zitate vermuten lassen – gut gelaunt aus dem Theater.
Letztlich erreicht dieses Musical etwas ganz Wichtiges: Es unterhält blendend. Wer dem Film etwas abgewinnen konnte und sich auf einen bunten Abend einlassen möchte, dem sei die Show wärmstens ans Herz gelegt.
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Musical von Nell Benjamin und Laurence O’Keefe (Musik und Texte) sowie Heather Hach (Buch)
Übersetzung – Kevin Schroeder und Heiko Wohlgemuth (Texte) sowie Ruth Deny (Buch)
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