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Mit seiner hochkarätig besetzten Inszenierung von „Hairspray“ ist Erik Petersen am Theater Bonn ein rundum stimmiger Unterhaltungsgarant gelungen, der die etablierten Seh- und Hörgewohnheiten dieses modernen Musicalklassikers durch selten gegangene Regiewege herausfordert.
John Waters, der Urvater des nicht immer gepflegten „Camp“, hat seiner Schöpfung „Hairspray“ das unverkennbare, überzogen-quietschbunte Antlitz verliehen, das nicht nur für die bekannten Verfilmungen, sondern auch für zahlreiche Bühnenmusical-Inszenierungen der letzten Jahre als Inspiration dient. Die zweifelsohne relevanten Botschaften gegen die Diskriminierung sämtlicher Minderheiten, vor allem der nicht-weißen oder der nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Bevölkerungsgruppen, werden in einigen Inszenierungen unter den Turmfrisuren, dem Kitsch und Quatsch des Originalbuches zum Wohle des Humors etwas untergraben. Erik Petersen und seine Besetzung wählen einen anderen Ansatz: In Bonn wird Camp, also bewusste Künstlichkeit und Überzeichnung, gegen Menschlichkeit getauscht. Stattdessen steht Nahbarkeit im Vordergrund und Quatsch wird durch Charme ersetzt. Die zugrunde liegende, humoristische Erzählung bleibt trotzdem erhalten, nur wirkt der Humor in dieser Inszenierung subtiler, beinahe liebevoller und behutsamer.
Dirk Hofackers Kostüme sind schön anzusehen und vor allem passend gewählt; sie sind zeitgemäß, ansehnlich, subtil und gutbürgerlich gestaltet. Der fast schon obligatorische Glitzerfummel wird in die letzten Showszenen verbannt, wo er umso eindrucksvoller zur Geltung kommt, um den Kontrast der opulenten Fernsehwelt zu den bodenständigen Hauptfiguren zu illustrieren.
Hofackers Bühnenbild könnte so auch ans West End verschifft werden: Riesige, drehbare Bühnenelemente präsentieren eine Einkaufspassage von Baltimore, inklusive voll-begehbarer Wäscherei, einem Scherartikelladen, einem mit Trockenhauben und Spiegel bestückten Friseursalon und einem rundum amerikanischen Fastfood-Imbiss. Die Fernsehwelt wird durch umhergefahrene Kameras und eine großes, theatralisch über die Bühnenmitte einfahrbares Podium gemimt. Insgesamt zeichnet die Bühnenausstattung trotz seiner Opulenz eine bedachte Szenerie, die greifbar und identifizierbar bleibt und nur in den Kontrasten zum Showbusiness an Farbe und Glitzer gewinnt. Dies steht der Gesamtinszenierung sehr gut zu Gesicht und spielt den wohl beabsichtigten Regieintentionen in die Karten.
Das Lichtdesign ist differenziert und stimmungsunterstreichend gewählt, kommt aber zuweilen beim turbulenten Bühnengeschehen nicht ganz hinterher. Trotz ein paar kleinerer TonAussetzer im ersten Akt überzeugt auch die Tontechnik, die vor allem im zweiten Akt zugunsten der Solisten und Textverständlichkeit makellos austariert wird. Aufgrund des großen Bühnenbilds passiert in vielen Szenen auf der Bühne so einiges gleichzeitig, sodass das Zuschauerauge stets etwas Neues, meist Amüsantes erblickt. Während das Ensemble im Vordergrund tanzt, werden die einzelnen Läden von den Charakteren bespielt. Dies leitet mitunter den Fokus des Publikums zu weniger relevante Stellen und lässt die Hauptfiguren hier und da etwas aus den Augen verlieren, was der Entfaltung der Protagonisten und Antagonisten nicht immer dienlich scheint. Vielleicht wäre weniger ab und an mehr gewesen, um auch die feinfühligen Regieeinfälle nicht selbst zu torpedieren.
Ein wahrer Hingucker sind Sabine Artholds Choreographien, die aus dem Vollen schöpfen. Der in Marc Shaimans Kompositionen widerhallende Downtown-Rhythm, der soulige Blues und die 60er-Tanzmusik werden in der tänzerischen Sprache optimal eingefangen – inklusive Twist, Madison und Hully Gully! Das tanzstarke, große Ensemble setzt die turbulenten Abläufe mit Bravour um und spielt dabei mit einer ansteckenden Freude. Das 15-köpfige Orchester unter der musikalischen Leitung von Jürgen Grimm heizt dem Score ordentlich ein und spielt sich beschwingt, gefühlvoll und makellos durch die Partitur.
Antonia Tröstl gibt eine grundsympathische, leidenschaftliche Tracy, die ihre Figur nahbar anlegt und alle Überzeichnung über Bord wirft. Ihr Humor funktioniert subtil und ihre großen Songs wie „Good Morning, Baltimore“ singt sie souverän. Enrico De Pieri interpretiert sein Familienoberhaupt Edna so einfühlsam und subtil – und ganz ohne camp – sodass er die vielen schrullig-überzogenen Drag-Performances dieser Rolle aus anderen Inszenierungen vergessen lässt. Durch De Pieris menschliches, nahezu als Understatement angelegtes, nuanciertes Schauspiel scheint es vollkommen egal, dass Edna von einem Mann gespielt wird. Den angeregten Gesprächen im Publikum in der Pause nach zu urteilen hat der Schauspieler es geschafft, mit seiner Kunst so manchen Zuschauer die Geschlechtergrenzen zu reflektieren. Trotzdem kommt die Comedy in seiner Darstellung nicht zu kurz: Mit Mark Weigel, der seinen Wilbur meisterhaft portraitiert, gelingt De Pieri im leicht schrulligen Liebesduett „Zeitlos für mich“ ein wahrer Showstopper.
Einen solchen generiert auch Yannick-Muriel Noah als emotionale und allumsorgende Motormouth Maybelle, die mit „Ich weiß, wo ich war“ eine Soulhymne anstimmt, die sie in glockenklarem Opernsopran kulminieren lässt. Fin Holzwart macht als Link Larkin schauspielerisch – und stimmlich mit seinem tollen Solo „It takes Two“ – eine einwandfreie Figur, während Maickel Leijenhorst als Seaweed vor allem tänzerisch begeistert. Das ekelig-rassistische und dauer-mobbende Mutter-Tochter-Gespann Velma und Amber wird oftmals ausufernd karikaturistisch portraitiert; Kerstin Ibald und Kara Kemeny legen ihre Rollen ungewohnt reduziert aus. Mit wenigen, effektiv genutzten Charakter-Marotten gelingt es ihnen, sowohl amüsant als auch schockierend fies zu sein. Beide beweisen große Gesangsstimmen und ein wohliges Timbre, Ibald im Selbstbeweihräucherungssong „Miss Baltimore Crabs“ und Kemeny im garstigen Rachelied „Sie ist eklig“ – großes Kino!
Susanne Blattert bringt nicht nur als Prudy Pingleton, sondern auch als zynisch-schrullige Gefängniswärterin leicht perfiden Humor ins Stück und ihre Bühnentochter Friederike Zeidler als Penny stielt in ihren Szenen aufgrund ihres hibbelig-energetischen Auftretens und dem nerdig-schwärmerischen Schauspiel immer wieder die Show. Nicht umsonst erhält sie den vielleicht enthusiastischsten Schlussapplaus des Abends. Mathias Schlung ist als geborener Showmaster die Idealbesetzung für TV-Entertainer Corny Collins: Die blendende Mimik und jede beschwingte Geste zeigen, wie profund Schlung seine Figur verkörpert. Für den nötigen Glamour, Soul und Hüftschwung sorgen die drei Dynamites Lara de Toscano, Coreena Brown und Amani Robinson, die mit großen Belt und virtuoser Stimmführung stimmliche Highlights schaffen. Geballte Frauenpower wird in den Songs „Mama, ich bin nicht mehr klein“, „Willkommen in den Sixties“ und dem beeindruckend stimmgewaltigen Opener des zweiten Aktes, „In dem Kittchen hier“, entfacht, wenn viele Ensemblemitglieder wunderbar zusammenwirken.
Am Ende steht das Publikum, auch ohne Camp und Überzeichnung, zu „Niemand stoppt den Beat“ auf seinen Füßen. Bonn hat also alles richtig gemacht!
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KREATIVTEAM |
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Regie | Erik Petersen |
Musikalische Leitung | Jürgen Grimm |
Ausstattung | Dirk Hofacker |
Choreographie | Sabine Arthold |
Sound-Design | Stephan Mauel |
Regieassistenz und Abendspielleitung | Bernard Niemeyer |
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CAST (AKTUELL) |
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Tracy Turnblad | Antonia Tröstl |
Edna Turnblad | Enrico De Pieri |
Wilbur Turnblad | Mark Weigel |
Motormouth Maybelle | Yannick-Muriel Noah Amani Robinson |
Seaweed | Maickel Leijenhorst |
Inez | Tara Friese |
Corny Collins, Mister Pinky, Wärter, Nachrichtensprecher | Mathias Schlung |
Link Larkin | Fin Holzwart |
Velma van Tussle | Kerstin Ibald |
Amber van Tussle | Kara Kemeny |
Penny Pingleton | Friederike Zeidler |
Prudy Pingleton, Gefängniswärterin, Mr. Spritzer, Sportlehrerin | Susanne Blattert |
Mr. Spritzer | Volker Hoeschel |
Cindy Watkins, Dynamite | Amani Robinson Clarissa Anyamele |
Peaches, Dynamite | Lara De Toscano |
Pear, Dynamite | Coreena Brown |
Duane | Amadin Piatello |
Gilbert | Leo-Alexander Hewitt Sacha Setubun |
Stooie | Juan David Mendez |
Shelly | Schirin Zarre |
Tammy | Michelle Bergé |
Lou Ann | Liviana Degen |
Sketch | Pascal Schürken |
Brad | Liam Tiesteel |
Fender | Tobias Brönner |
Brenda | Samantha Senn |
Iq | Devin Lion Dreweck |
mit | Statisterie des Theater Bonn Jugendchor des Theater Bonn |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Fr, 29.11.2024 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Mo, 23.12.2024 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Fr, 27.12.2024 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
So, 05.01.2025 18:00 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Mi, 08.01.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Do, 09.01.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Sa, 01.02.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Do, 06.02.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Mi, 12.02.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Sa, 29.03.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
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Do, 03.04.2025 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Mo, 21.04.2025 18:00 | Opernhaus, Bonn | Dernière | |||||||
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TERMINE (HISTORY) |
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So, 20.10.2024 18:00 | Opernhaus, Bonn | Premiere | |||||||
So, 27.10.2024 18:00 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Fr, 01.11.2024 18:00 | Opernhaus, Bonn | in Anschluss Party | |||||||
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So, 03.11.2024 18:00 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
Sa, 09.11.2024 19:30 | Opernhaus, Bonn | ||||||||
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