 |
 Plädoyer für Toleranz und Diversität
La Cage aux Folles Outet Euch – und raus ins Leben!
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Der 30-jährige Jean-Michel besucht seine Eltern in Saint-Tropez und berichtet ihnen, dass er bald heiraten wolle. Anne, die Zukünftige, und ihre Eltern seien bereits auf dem Weg, um Jean-Michels Eltern kennenzulernen. Was zunächst harmlos klingt, entzündet rasch gefährliche Sprengkraft. Denn die Eltern von Anne sind erzkonservativ – während Jean-Michels Eltern George und Albin nicht nur ein schwules Paar sind, sondern auch einen angesagten Nachtclub leiten, in dem Travestie-Künstler Albin als Zaza der Star der Show ist. Zwei unvereinbare Welten und Wertvorstellungen treffen aufeinander.
(Text: kk) Premiere: | | 28.01.2023 | Showlänge: | | 180 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Peter Renz (George) und Stefan Kurt (Albin/Zaza) harmonieren wunderbar als in die Jahre gekommenes schwules Pärchen. Ihre gemeinsamen Auftritte sind geprägt von Zärtlichkeit, Zuneigung und ganz viel Humor. Es ist urkomisch, wenn sie sich Wortgefechte liefern, und wunderbar romantisch, als die beiden um Mitternacht unter dem Sternenhimmel in Erinnerungen an ihre erste Begegnung schwelgen.
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Stefan Kurts Performance als Travestie-Diva Zaza ist grandios! Er mimt sie sowohl in ihren starken, glänzenden Augenblicken auf der Showbühne als auch in ihren schwachen, verletzten Momenten in Einsamkeit und fast nackt absolut glaubwürdig. Zazas Botschaft im Finale des ersten Aktes ist ein Selbstbekenntnis ("Ich bin, was ich bin") mit eindringlichem Appell: "Outet Euch – und raus ins Leben!"
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Kurt trägt während der Inszenierung viele verschiedene Kostüme, von denen eines schöner ist als das andere. Besonders eindrucksvoll ist das Kleid, in dem er an die Herzkönigin aus "Alice im Wunderland" erinnert. Die opulenten Kostüme von Klaus Bruns und die farbenprächtigen Bühnenbilder von Rufus Didwiszus passen perfekt zum extravaganten Nachtclub "La Cage Aux Folles" an der Côte d`Azur. Als sich der Vorhang zum ersten Mal öffnet, stehen auf der Bühne zahlreiche Vogelkäfige, in denen sich Ensemblemitglieder als Paradiesvögel befinden. Ein eindrucksvoller Anblick. Ein weiterer großer Hingucker ist die Wohnung von George und Albin, in der Phallus-Symbole an den Wänden, als Sitzgelegenheiten und als Blumenvasen den Raum dominieren.
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Ein Raum, der so natürlich nicht bleiben kann, wenn die Schwiegereltern in spe anreisen, findet Jean-Michel, die Wohnung müsse "optisch subtiler" gestaltet werden. Nicky Wuchinger spielt den innerlich zerrissen Sohn solide. An ihm wird das Dilemma deutlich: Sich zu den homosexuellen Eltern bekennen oder Albin/Zaza verstecken und damit der Intoleranz Vorschub leisten? Bisweilen verhält sich Jean-Michel undankbar und egoistisch. Seine Liebste Anne wirkt deutlich sympathischer. Anmutig und engelsgleich tanzt sie bei "Mit Anne im Arm" mit Jean-Michel über die Bühne. Da die Rolle jedoch sehr klein ist, bleibt Maria-Danaé Bansen blass und kann ihr künstlerisches Potential nicht entfalten.
Konservativ, steif, intolerant, geradezu feindselig, so lässt sich Edouard Dindon, Annes Vater, am besten beschreiben. Tom Erik Lie gelingt es von der ersten Sekunde an, ihn als Unsympathen und Antagonisten einzuführen. Zugleich kann seine ablehnende Haltung das Publikum zur Reflexion anregen: Was heißt "normal"? Was bedeuten Begriffe wie Tradition, Familie und Moral heutzutage für einen Jeden von uns? Sind wir offen (genug), um andere Lebensentwürfe anzuerkennen?
Butler Jacob ist Zaza und ihrem Lebensstil treu ergeben. Eigentlich stünde er viel lieber selbst auf der Showbühne, statt den Haushalt (mehr schlecht als recht) zu führen. Daniel Daniela Ojeda Yrureta ist hervorragend besetzt in dieser Rolle, die es ihm immer wieder erlaubt, in die verspieltesten Kostüme samt Plateauschuhen zu schlüpfen und sich dabei akrobatisch zu verrenken. Seine Auftritte werden mit viel Szenenapplaus und Gelächter dotiert.
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Wer ebenfalls die Zuneigung des Publikums auf seiner Seite hat, ist Helmut Baumann als Restaurantbesitzerin Jacqueline. Vor 38 Jahren stand der inzwischen 83-Jährige als erste deutschsprachige Zaza auf der Bühne des Theaters des Westens. Es war seine Paraderolle. Und nicht nur das, Baumann war zudem für die damalige Inszenierung verantwortlich. Eine Hommage, dass Intendant Barrie Kosky ihn für seine Neuinszenierung in der Komischen Oper gewinnen konnte.
Unter der musikalischen Leitung von Koen Schoots laufen Orchester und Ensemble zu Höchstform auf. Die Orchesterbegleitung und der Gesang der Hauptpersonen sind ein Genuss für die Ohren, das Ensemble – bestehend aus Tänzer*innen, Chorsolist*innen und Komparserie – ein Schmaus für die Augen. Auf der Bühne herrscht viel Trubel und es macht schlichtweg Freude, einem so großen Ensemble zuschauen zu dürfen. Die Choreografien von Otto Pichler und Mariana Souza werden von den "Cagelles", Zazas Nachtclub-Ensemble, eindrucksvoll, u.a. beim Stepptanz, auf die Bühne gebracht.
© Monika Rittershaus
© Monika Rittershaus
Das Musical "La Cage Aux Folles" ist mehr als nur ein knallbunter Kostümreigen, in dem Travestie-Künstler*innen sich austoben dürfen. Das Stück ist ein Plädoyer für Toleranz, Diversität und Gleichberechtigung. Zu allen dreien ist es auch heute, 40 Jahre nach der Uraufführung am Broadway, noch ein weiter Weg.
(Text: Katharina Klasen)

Kreativteam
Besetzung

Bitte melden Sie sich an, wenn Sie einen Leserkommentar abgeben wollen. Neu registrieren | Logon Details können Sie hier nachlesen: Leserkommentare - das ist neu |
 |
|
| Handlung | "La Cage Aux Folles" ist die Geschichte des homosexuellen Albin, der als Drag Queen Zasa im titelgebenden Nachtclub seines Lebensgefährten George auftritt. mehr Als Georges Sohn Jean-Michel die junge Tochter des konservativen Politikers Edouard Dindon heiraten und seinen zukünftigen Schwiegereltern eine seriöse Familie präsentieren will, kommt es zu einigen komischen Verwicklungen. Albin spielt, trotz einer tiefen Kränkung durch den Ziehsohn, seine Mutter, die kurzfristig abgesagt hat. Das Schauspiel wird letztendlich von Dindon enttarnt, doch durch eine geschickte Erpressung steht der Hochzeit des Sohnes Jean-Michel mit der Diplomatentochter Anna nichts mehr im Wege.
| Weitere Infos | Deutschlandpremiere war am 1985 am Berliner Theater des Westens
|
|
 |
Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
|
So | 02.04. | 18:00 Uhr | | Fr | 07.04. | 19:30 Uhr | | Sa | 15.04. | 19:30 Uhr | | Fr | 09.06. | 19:30 Uhr | zum letzten Mal in 22/23 |
 |
 |