Ensemble "Fame" © Sabine Haymann
Ensemble "Fame" © Sabine Haymann

NEUE REZENSION
Fame (seit 03/2024)
Großes Haus, Pforzheim

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Am Stadttheater Pforzheim wird unter der Regie von Iris Limbarth die eine oder andere heiße Sohle aufs Parkett gelegt: “Fame” ist für seine Zunft außergewöhnlich, denn der Tanz ist hier doch eher ein prominentes stilistisches Mittel als das zentrale Handlungselement der Geschichte. Diese künstlerische Einordnung gelingt in der Pforzheimer Produktion vortrefflich, sodass zu keinem Zeitpunkt der Fokus der Handlung, der auf dem besonderen Schulalltag eines elitären künstlerischen Bildungstempels liegt, verloren geht. Die enttäuschende Akustik bildet allerdings den großen Schwachpunkt dieser Produktion.

Das Musical beruht auf dem erfolgreichen, gleichnamigen Tanzfilm aus den 1980ern und auf der darauf aufbauenden, sechs Staffeln starken Musicalserie. Es erzählt die Geschichte eines Schülerjahrgangs der berühmt-berüchtigten New York High School of the Performing Arts von der Aufnahmeprüfung bis zur Graduierung. Dabei werden aus den dortigen Schwerpunktklassen Tanz, Schauspiel und Musik jeweils mehrere Studenten und Lehrkräfte in vignettenhaften Handlungsepisoden begleitet. Zudem kommen alle Schülerinnen und Schüler zwischen den einzelnen Episoden zu Tanz-Intermezzi zusammen.

Iris Limbarths Regie ist pointiert und verliert sich nicht in ablenkenden Details. Das ist bereits direkt am Anfang spürbar, als alle Bewerber für einen Studienplatz unvermittelt auf der Bühne zusammen kommen und ihr aufgeregtes Getuschel sich mit dem der Zuschauer im Saal vermischt, bevor es ohne Umwege direkt mit dem Audition-Prozess losgeht, den eine Handvoll junger Talente aus der zunächst diffusen Menge besteht. Von da an folgen kurzweilig präsentierte Episoden aus dem Schulalltag Schlag auf Schlag. Sie zeigen die Irrungen und Wirrungen aufkeimender Schulromanzen, an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geratende Schüler, zwischen Ambition und Unsicherheit gefangene Nachwuchsschauspieler und Lehrkräfte, die ihre Schüler nach bestem Wissen und Gewissen auf die harte Welt des Showbusiness vorzubereiten versuchen. In Limbarths Inszenierung kristallisiert sich dabei keine Hauptfigur heraus, sondern nahezu alle Akteure im Scheinwerferlicht bilden eine Art symbiotischer Gruppendynamik. Dass es trotzdem gelingt, einzelne Charaktere mit ihren individuellen Marotten und Träumen zu zeichnen, ist schon beachtlich. Auf der Kehrseite dieser Medaille steht, dass es dadurch schwerer fällt, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu lenken. Oftmals erwischt man sich dabei, sich zu fragen, um wen es eigentlich gerade wirklich geht und mit wem es sich ‘lohnt’ mitzufühlen. Im Verlauf des zweiten Akts rückt immer mehr die Figur der Carmen in den Fokus, die sich zu einer tragischen Antiheldin des Narrativs mausert wird. Limbarth stellt mit Dramaturg Carlo Mertens das Libretto des Stücks dafür zum Teil um, was sich als durchaus kluger Schachzug erweist.

Der musikalische Teil dieser Produktion gerät aus verschiedenen Gründen leider in den Hintergrund. Neben den zuweilen recht eintönigen und für ein Musical auch spärlich auftretenden Liedern von Steve Margoshes und den nicht immer harmonischen deutschen Texten von Frank Thannhäuser und Iris Schumacher fällt hier die zwar stets beschwingt und makellos spielende, aber vergleichsweise eher dünn tönende Band-Besetzung ins Gewicht. Darüber hinaus ist die Tontechnik zumindest an diesem Abend mehr als dürftig: Nahezu am laufenden Band fallen Mikrofone aus oder werden gar nicht erst eingeschaltet. Jene, die das Glück haben, tatsächlich wie intendiert benutzt zu werden, sind derart verzerrt und leise eingestellt, dass über große Strecken des Stücks kaum ein Wort einwandfrei übertragen wird. Besonders ärgerlich ist dies in den Gesangsparts, die nur stichwortartig erfasst werden können, da auch die Gesamtabmischung nicht gelungen ist. Im Bereich Musik und Ton kann diese Produktion somit nicht punkten und es bleibt zu hoffen, dass der besuchte Abend eine absolute Ausnahme darstellt, was aber anhand der großen Anzahl an Mängeln schwer zu glauben scheint.

Das Highlight der Inszenierung funktioniert glücklicherweise auch gänzlich unabhängig von der mangelhaften Tontechnik: Limbarths Choreographien sind energetisch, dynamisch, abwechslungsreich und turbulent zugleich. Die Tänze strotzen nur so vor guter Stimmung und vermitteln zu jedem Zeitpunkt nicht nur ansehnlichen Flair, sondern vermögen es, Begeisterung in den Zuschauerrängen auszulösen. Nicht nur dem besonderen 80er-Jahre-Tanzfilm-Flair wird Limbarths Choreographie gerecht, sie schafft es auch moderne Akzente zu setzen und athletische Elemente zu integrieren. Allein für diese Tänze und den 37-köpfige Cast, der zum Teil aus einem sich auf Weltklasse-Niveau bewegenden Extra-Tanzensemble besteht, lohnt sich der Besuch von “Fame”.

Die Choreographien werden dabei durch Michael Borowskis Lichtdesign schön in Szene gesetzt und Ausstatterin Esther Bätschmann sorgt für Kostüme, die gut zur Stimmung, der Zeit und der Individualität der Figuren passen. Das insgesamt doch sehr reduzierte Bühnenbild wartet in schöner Symbiose mit der Choreographie immerhin mit einem Highlight in Form des Lieds “Ich will Sie verzaubern” auf: Passend zum Songtitel gibt ein sich stetig bewegendes Spiegelkabinett auf beinahe magische Weise immer neue Blicke auf kleine Traumszenen frei und lässt sie wieder verschwinden.

Besonders erinnerungswürdige Bühnenmomente kreieren auch einige der Hauptakteure, die sogar vergessen lassen, dass das Alter der gespielten Figuren teilweise weit jenseits dessen der Schauspieler liegt. Santiago Bürgi als rebellischer Joe Vegas beeindruckt mit rockigen Stimmhöhen in “Er steht mir im Weg” und seinem jugendlichen, komödiantischen Spiel. Joanna Lissai als Serena Katz gelingt mit “Denk an Meryl Streep” ein gleichermaßen bewegender wie unterhaltsam-menschlicher musikalischer Moment und ihr gefühl- wie temperamentvolles Zusammenspiel mit Jacob Hetzner als Nick Piazza weiß zu gefallen.

Das energiegeladene Lied “Streitgespräch” zwischen Anne-Kathrin Hönes als Miss Bell und Lilian Huynen als Miss Sherman hätte gemessen an der Elektrizität zwischen beiden Figuren, die im Streit um die Zukunft von Tyrone (gespielt und toll getanzt von William Baugh) entfacht, auch gut als knisterndes Finale des ersten Aktes funktionieren können. Huynen sticht stimmlich angenehm aus dem Ensemble heraus. In ihrer Rolle als Schulrektorin im Zwiespalt zwischen mütterlichen Emotionen und beruflicher Ambition interpretiert sie “Ich seh die Kinder” mit großer Stimme und greifbarem Gefühl. Huynen vollführt damit nicht nur darstellerisch, sondern auch gesanglich den großen Coup des Abends.

Denia Gilsberg spielt ihre Carmen in einer ähnlichen Liga. Nicht nur tänzerisch versprüht sie im Titellied “Seht sie an/Fame” hoffnungsvolle Leichtigkeit. Im zweiten Akt vollzieht sie mit “In L.A.” eine bleiern schwere Wendung, die unter die Haut geht und auch stimmlich beeindruckt.

So gelingt letztendlich trotz einiger merklicher Schwächen im technischen Bereich ein durchaus gefälliger und kurzweiliger Musicalabend, der “Fame” auch in Pforzheim zu einem besonderen Vertreter der Gattung “Tanzmusicals” macht.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungPhilipp Haag
Inszenierung, ChoreografieIris Limbarth
AusstattungEsther Bätschmann
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Serena KatzJoanna Lissai
Nick PiazzaJacob Hetzner
Joe
(Jose) Vegas
Santiago Bürgi
Carmen DiazCecilia Pastawski
Nina Links
Denia Gilberg
Tyrone JacksonWilliam Baugh
Iris KellySanja Matea Färber
Mabel WashingtonRebecca Kramski
Sophia Klemisch
Schlomo MetzenbaumJan-Hendrik von Minden
Grace Lamb
(Keule)
Franziska Fait
Goodman King
(Goody)
Bernhard Meindl
Harriet MillerSophia Klemisch
Mia Klöttschen
Andrea Breidenbach
Doris HershkowitzJulia Fleischhauer
Vincent ClarkeMichael Stevens
Esteban RodriguezMattia Serio
Ido Stirin
Miss ShermanLilian Huynen
Miss BellAnne-Kathrin Hönes
Mr. SheinkopfThorsten Klein
Mr. MyersMarkus Wessiak
EnsembleTanz Theater
Musicalchor Theater Pforzheim
OrchesterBadische Philharmonie Pforzheim
  
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TERMINE
Sa, 27.04.2024 19:30Großes Haus, Pforzheim
Sa, 04.05.2024 19:30Großes Haus, Pforzheim
Di, 21.05.2024 20:00Großes Haus, Pforzheimzum letzten Mal 2023/24
Sa, 28.09.2024 19:30Großes Haus, PforzheimWiederaufnahme
Do, 03.10.2024 20:00Großes Haus, Pforzheim
Sa, 05.10.2024 19:30Großes Haus, Pforzheim
Sa, 19.10.2024 19:30Großes Haus, Pforzheim
Mo, 30.12.2024 20:00Großes Haus, Pforzheim
Di, 31.12.2024 19:00Großes Haus, Pforzheim
So, 05.01.2025 19:00Großes Haus, Pforzheim
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 22.03.2024 19:30Großes Haus, PforzheimPremiere
So, 24.03.2024 15:00Großes Haus, Pforzheim
Fr, 05.04.2024 19:30Großes Haus, Pforzheim
▼ 2 weitere Termine einblenden (bis 17.04.2024) ▼
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