Maya Hakvoort (Madame Giry)  © Copyright Rolf Bock VBW
Maya Hakvoort (Madame Giry) © Copyright Rolf Bock VBW

Love Never Dies (2013)
Ronacher, Wien

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Grandioser Theatergenuss! Eine packende Regie und eine überragende Hauptdarstellerin machen aus einer „konzertanten“ Aufführung einen Theaterabend der Extraklasse.

Andrew Lloyd Webbers „Love Never Dies“ in einer konzertanten Aufführung der Vereinigten Bühnen Wien. Diese Ankündigung ist wohl die Untertreibung des Jahres. Denn die „Phantom der Oper“-Fortsetzung kommt im Ronacher als dramatischer und spannungsgeladener Thriller über die Rampe, in dem das Fehlen von Kulissen und Masken nicht einmal auffällt.

Regisseur Andreas Gergen schafft es, rund um das auf der Bühne platzierte Orchester der VBW herum, immer wieder neue Szenen von großer Eindringlichkeit und Intensität zu kreieren, die vielleicht gerade wegen der fehlenden Bühnengewerke so packend sind. Er verzichtet dabei auf die im vergangenen Jahr im „Phantom“-Konzert teilweise verwirrenden projizierten Animationen und löst die statischen Momente einer konzertanten Fassung komplett auf. Da gibt es keine unter den Arm geklemmten Textbücher mehr und auch keine klassischen Frontalposen. Stattdessen setzt Gergen auf voll ausgespieltes Theater und große Emotion und Leidenschaft. Dazu kommt Andrew Vollers Lichtdesign, das Schauplätze und Emotionen brillant in Szene setzt. Die Karussells von Cooney Island drehen sich, die Gefühle und Beziehungen der Protagonisten werden sichtbar und das nur durch Licht. Besser geht es kaum.

Dass „Love Never Dies“ hingegen weder im Buch noch in der Musik die Qualität des Ur-Phantoms erreicht, ist als Grund für den eher mäßigen Erfolg des Stückes weithin bekannt. Dennoch: Die Geschichte hat Spannung und auch die Musik geht ins Ohr und berührt.

Die auch in Wien gespielte australische Version des Musicals zitiert ab und an Themen und Reminiszenzen und ist doch ein ganz eigenes Werk, dessen Charaktere ein ganzes Stück weit ab sind von den vertrauten Personen der Ur-Version. Und Andreas Gergen und seinen Darstellern gelingt es, das Publikum für deren Schicksale zu interessieren. Dass manche Wandlung arg konstruiert ausfällt und die Wiener Cast fast durch die Bank zu jung wirkt für die vom Leben gezeichneten und desillusionierten Protagonisten: geschenkt! Denn was die Darsteller auf die Bühne bringen, hat eine hohe Qualität.

Da ist vor allem Milica Jovanovic als Christine, die nicht nur optisch der strahlende Höhepunkt des Stückes ist. Stimmlich wie darstellerisch bietet sie eine überragende Leistung. Sie spielt die ganze Bandbreite aus, die ihre Rolle bietet, und ihre Entscheidung für das Phantom im zweiten Akt gerät zu einem berührenden Meisterstück. So strahlend, so gesanglich brillant bringt sie den Titelsong über die Rampe, dass es an ihrer Entscheidung für den „Engel der Lieder“ eigentlich keinen Zweifel mehr geben kann. In der besuchten Vorstellung quittiert das Publikum diese Leistung zu Recht mit Standing Ovations in der Show, die sichtlich gerührte Jovanovic ringt einen Moment um ihre Fassung. Sowieso sind große Gefühle im Spiel: Ihr Moment des Wiedersehens mit dem Phantom, nur instrumental untermalt und bombastisch ins Licht gesetzt, ist ebenso emotional und berührend wie die intime, kammerspielartige Sterbeszene. Großartig!

Drew Sarich als Phantom hingegen hat das Problem, dass seine leicht nasale, eher rockige Stimme von der klassischer angelegten Partitur bis an ihre Grenzen gefordert wird. Die ganz großen stimmlichen Momente hat er nicht, erst das dynamische „Wo die Schönheit sich verbirgt“ gibt ihm die Möglichkeit, seine musikalischen Stärken auszuspielen. Dennoch: Auch ihm gelingt, wie im Vorjahr Christian Alexander Müller, eine ganz eigene Rollenzeichnung, die die aus Lizenzgründen erneut nicht vorhandene Maske keinen Moment vermissen lässt. Kälte und unbarmherzige Brutalität auf der einen Seite, eine verzweifelt liebende Leidenschaft auf der anderen. Zwischen diesen Polen ist sein Phantom angelegt und Drew Sarich spielt sich dabei die Seele aus dem Leib. Ganz großes Theater.

Julian Looman als dem Alkohol und der Spielsucht verfallener Raoul hat es da nicht leicht. Ein bisschen zu gut sieht er aus für einen verzweifelten und suchtgeplagten Menschen, doch in den entscheidenden Szenen ist er voll da und kann mit dem Phantom durchaus auf Augenhöhe agieren. Barbara Obermeiers Meg Giry ist nicht nur das optische Knallbonbon der Show. Ihre Szenen legt Andreas Gergen als knallrosafarbene Augenweide in der ansonsten beinahe wie ein Schwarzweißfilm wirkenden Inszenierung an. Wie eine Parodie auf „Legally Blonde“ wirken die überdrehten, mit üppigen pinkfarbenen Tüchern drapierten Ensembleszenen, in denen die Damen Haut und Bein zeigen dürfen. Umso drastischer die Wandlung zu Verzweiflung und Wahnsinn, als Meg erkennen muss, dass sich das Phantom nie für sie interessiert hat. Maya Hakvoort spielt dazu passend eine verbitterte und verzweifelte Mme. Giry, deren Blicke kalt sind wie Eis. Leonid Sushon als Christines Sohn Gustave begeistert das Publikum mit engagiertem und selbstsicherem Spiel.

Doch was wäre diese Aufführung ohne das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien? Unter seinem Chefdirigenten Koen Schoots ist es der Dreh- und Angelpunkt des Stückes und bringt Webbers Melodien mit Brillanz und Opulenz zum Strahlen. Das beste Musicalorchester des europäischen Festlandes beweist wieder einmal eindrucksvoll, wie wichtig eine qualitätsvolle und üppige Besetzung dafür ist, einem Musical Herz zu verleihen. Mit grandioser Präzision und sensiblem Sinn für Stimmungen und Nuancen sind Schoots und sein Klangkörper Garanten für einen Hörgenuss, der für Bravo-Rufe und Standing Ovations sorgt. Zu Recht!

Dass man über Wolfgang Adenbergs deutsche Übersetzung nicht viele Worte verlieren muss, spricht für sie, denn sie fügt sich elegant und ohne schmerzhafte Phrasen ein in diesen hochklassigen Abend, an dem die Grenzen zwischen Musical und Oper verschwimmen und das Wort „konzertant“ eine neue Bedeutung erhält.

 
Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
MusikAndrew Lloyd Webber
LiedtexteGlenn Slater
Charles Hart
BuchAndrew Lloyd Webber
Ben Elton
Glenn Slater
Frederick Forsyth
Deutsche ÜbersetzungWolfgang Adenberg
Musikalische LeitungKoen Schoots
RegieAndreas Gergen
ChoreographiePascale-Sabine Chevroton
LichtdesignAndrew Voller
SounddesignThomas Strebel
 
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CAST (AKTUELL)
PhantomDrew Sarich
ChristineMilica Jovanovic
RaoulJulian Looman
MegBarbara Obermeier
Mme GiryMaya Hakvoort
FleckKatja Berg
GangleArmin Kahl
SquetchPeter Kratochvil
GustaveLeonid Sushon
EnsembleAnna Carina Buchegger
Janine Buck
Amélie Dobler
Suzanne Carey
Sanne Mieloo
Myrthes Monteiro
Anouk Roolker
Gabriela Ryffel
Jennifer Siemann
Sidonie Smith
Birgit Wanka
Nadja Plattner
Anne-Marijn Smulders
Colleen Besett
André Bauer
Björn Klein
Paul Knights
Jan-Eike Majert
Maximilian Mann
Georg Prohazka
Daniel Rakasz
Hendrik Schall
Benjamin Sommerfeld
Jörn Linnenbröker
Kieran Brown
Faik Hondozi
Lee Robert Hyung-Hoon
Lutz Standop
Nora Summer
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 18.10.2013 19:30Ronacher, WienPremiere
Sa, 19.10.2013 19:30Ronacher, Wien
So, 20.10.2013 18:00Ronacher, Wien
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