Einmal pro Monat werde ich mich in meinen Fernsehsessel setzen und mir für euch einen Musicalfilm ansehen. Da werden bekannte Streifen dabei sein, aber auch Unbekanntes oder Vergessenes.
Demnächst werde ich mir in London „Oklahoma!“ ansehen. Die Inszenierung hat den Broadway-Klassiker musikalisch im Country & Western-Stil runderneuert – da wollte ich doch vorher mal einen Blick auf das Original in der Filmversion von 1955 werfen.
Die Handlung ist schnell umrissen: Curley und Laurey sind ineinander verliebt, gestehen es aber dem jeweils anderen nicht. Der Cowboy Curley ist sich allerdings seiner Sache so sicher, dass er Laurey erst im letzten Moment zum Wohltätigkeitsball einladen will. Trotzig nimmt Laurey daraufhin die Einladung des griesgrämigen Knechts Jud an. Doch Juds Verhalten wird ihr immer unheimlicher. Daneben gibt es noch einen komödiantischen Handlungsstrang mit einem weiteren Paar: Will und Klein-Annie (im Original „Ado Annie“). Klein-Annies Vater hat entschieden, sie Will erst zur Frau zu geben, wenn er 50 Dollar besitzt. Klein-Annie – die von sich selbst singt, dass sie nicht nein sagen kann – poussiert aber nebenbei noch mit dem Hausierer Ali Hakim.
Es gibt also Romantik, Humor und Drama in einer publikumswirksamen Mischung, dazu Songs von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein, die in den USA mittlerweile zum Volksgut gehören.
In den 1950er Jahren versuchte Hollywood mit großartigen Breitwandbildern die Zuschauer von den heimischen Fernsehern ins Kino zu locken. Ich muss sagen, dass die Bildebene – gedreht mit dem damals neuen Verfahren Todd-AO auf 70 mm-Film – mich direkt gepackt hat. In der ersten Einstellung fährt die Kamera durch ein Maisfeld und gibt dann den Blick auf eine Prärie-Landschaft mit gewaltigen Bergen im Hintergrund frei. Die großteils vor Ort entstanden Außenaufnahmen, geben dem Film einen realistischen Anstrich. Dazu war mein Stream gestochen scharf mit tollen Farben. Auf einer großen Leinwand muss das überwältigend sein! Dass der Film die Originalschauplätze zeigt, dürfte aufs Konto des Regisseurs Fred Zinnemann („Zwölf Uhr mittags“, „Verdammt in alle Ewigkeit“) gehen, der bevorzugt an realen Orten drehte.
Anders als in damaligen Prestige-Broadway-Verfilmungen üblich, singen die Darsteller alle selbst. Gordon MacRae (Curley), Shirley Jones (Laurey) und Gene Nelson (Will) waren ausgebildete Sänger und Rod Steiger (Jud) schlägt sich in seinem einzigen Song „Pore Jud Is Daid“ mehr als wacker. Nur der Gesang von Gloria Grahame (Annie) musste aus mehreren Takes zusammengeschnitten werden, weil sie die Töne nicht traf. Das Ergebnis ist immer noch semi-befriedigend. Grahame verkörperte sonst verruchte Frauen von zweifelhaftem Ruf. Hier spielt sie tapfer gegen diesen Rollenbild an, gibt aber einen Tick zu viel und zeichnet Annie als arg dumm. Die übergroße Schleife, die sie beim Ball auf dem Kopf trägt, unterstreicht das noch.
Shirley Jones ist das typische blitzsaubere Mädel vom Land, aber sie spielt das temperamentvoll und singt ganz hervorragend. Gordon MacRae und Gene Nelson sind kerlig genug, um als Cowboys glaubhaft zu sein. Trotzdem haben sie jungenhaften Charme. Dadurch wird es nicht albern, wenn sie singen. Man stelle sich nur klassische Westerndarsteller wie John Wayne oder Burt Lancaster als Curlie vor. Das wäre lachhaft geworden.
Mit der Figur des Jud hatte ich so meine Probleme. Er ist von Anfang an sehr missmutig und unfreundlich. Im Lauf der Handlung wird er dann sogar zum Psychopath. Rod Steiger spielt ihn mit Intensität, aber zum vielschichtigen Charakter wird er trotzdem nicht. Dass Laurie auch nur im Ansatz zwischen Curley und Jud hin- und hergerissen sein könnte, ist völlig unglaubwürdig.
Laureys Unsicherheit wird in einer Traumsequenz verarbeitet. Agnes de Mille choreografiert ein surreales Ballett im Salvador-Dalí-Look. Jones und MacRae werden gegen Tänzer ausgetauscht – das war auch in der Broadway-Produktion so. Nur Rod Steiger musste selbst tanzen, weil man niemanden fand, der seiner Statur entsprach. Dieser Teil ist schon sehr abgefahren, weil er so völlig anders ist, als der Rest des Films. Aber toll gefilmt und toll getanzt.
Trotz des bildgewaltigen realistischen Looks ist „Oklahoma!“ ein romantischer Traumfabrik-Bilderbuch-Western, wo Männer zwar ’noch Männer sind‘, aber auch auf fahrenden Zügen tanzen und reitend davon singen, was für ein schöner Morgen doch gerade ist. Ich habe mich kurzweilige knapp zweieinhalb Stunden sehr gut unterhalten und bin nun auf die reduzierte Version in London gespannt.
Bericht | Galerie | ||||||||
GALERIE |
---|