Spotlight Musicals, die unter anderem schon mit der „Päpstin“ und „Bonifatius“ die deutsche Musicallandschaft bereichert haben, bringen mit „Der Medicus“ erneut einen erfolgreichen Roman auf die Bühne. Der Bestseller von Noah Gordon aus dem Jahr 1986 erschien in 42 Ländern und wurde 2013 erfolgreich verfilmt. In Fulda findet nun die erste Bühnenadaption weltweit statt und garantiert dem Schlosstheater zumindest für die nächsten zwei Jahre während der Sommerspielzeit ein volles Haus.
Friedrich Rau, der die Titelrolle des Rob Cole übernommen hat, schreibt kurz vor der Premiere auf seiner Facebook-Seite: „‚Der Medicus‘ ist ein wunderbares Stück mit einer Message, die aktueller nicht sein könnte: Das Blut vergießen, egal ob im Namen von Allah, Gott oder Jahwe, muss beendet werden. Rob Cole setzt sich über alle Grenzen hinweg und geht seinen Weg unbeirrt von den Gesetzen aller Religionen und territorialen Grenzen. Sein Ziel ist größer: Er möchte Menschen heilen.“ Rau ist sichtlich erfüllt von seiner Rolle. Fast ständig auf der Bühne, macht er seine Gefühlslagen stets deutlich und für den Zuschauer nachvollziehbar. Der unbeirrbare Wunsch, der Menschheit als Medicus zu dienen, ist immer spürbar, ebenso seine Liebe zu seiner späteren Frau Mary oder die tiefe Verbundenheit zu Ibn Sina, dem Arzt der Ärzte, der an der Madrassa-Universität im persischen Isfahan sein Wissen an die Studenten weiter gibt.
Das Musical nimmt uns mit nach England vor über 1000 Jahren. Nachdem der junge Rob Cole zum Waisen geworden ist, schließt er sich einem fahrenden Bader als Lehrling an. Schon bald wird Cole klar, dass er eine besondere Gabe hat. Er kann durch Berühren der Hände seines Gegenübers sehen, ob der andere bald sterben wird. So macht sich der junge Mann auf den beschwerlichen, mehr als zwei Jahre andauernden Weg nach Isfahan, um dort beim besten Arzt der Welt zu lernen. Allerdings dürfen Christen nicht an arabischen Universitäten studieren, so dass er sich als Jude ausgibt. Dieses gefährliche Versteckspiel begleitet ihn die ganze Zeit. Doch sein Traum, der Menschheit als Arzt zu dienen, gibt ihm Kraft, alle Widrigkeiten zu überstehen.
In drei Stunden Spielzeit versucht Librettist, Komponist und Texter Dennis Martin viele Details der Romanvorlage unterzubringen und zudem seiner eigenen Ausdeutung genug Raum zu geben. Doch so sehr die Rolle des Rob Cole differenziert gezeichnet ist, so verzichtet der Autor darauf, den anderen Charakteren große Tiefe zu geben – wohl auch in Hinblick auf das Zeitproblem, die gewaltige Stoffmenge in der Aufführung unterzubringen.
Als weibliche Hauptdarstellerin spielt Sabrina Weckerlin die Tochter Mary des Schafzüchters James Cullen. Mary und Rob verlieben sich irgendwo in Bulgarien ineinander, als beide wegen des Wintereinbruchs ihre Reisen nicht fortsetzten können. Später begegnen sich die zwei im Palast des Schahs wieder, als Rob sich eine Sklavin aussuchen darf. Weckerlin versucht in ihren (zu wenigen) Auftritten herauszuarbeiten, welch schicksalhaftes Leben Mary schon hinter sich hat und dass sie wirklich glücklich sein wird, wenn sie mit ihrem Mann irgendwann in Schottland ein ruhiges Leben führen kann. Fulda liebt die charismatische Darstellerin. Jeder ihrer Auftritte wird mit großem Applaus begleitet.
Nicht weniger gerne gesehen ist Reinhard Brussmann, der 2004 hier die Rolle des Bonifatius im gleichnamigen Stück kreierte. Im „Medicus“ spielt er Ibn Sina, den weisen Arzt, warmherzig und gütig. Mit seiner angenehmen Stimme interpretiert er seine Songs wie etwa die Ballade „Die Gabe“ wunderbar.
Als junger Medizinstudent, der unerwartet zum Schah wird, ist Andreas Wolfram zu sehen. Dabei wandelt er sich vom jungen Lebemann und guten Freund hin zum selbstherrlichen Herrscher, der seiner neuen Machtposition verfällt. Wolframs Energie, nicht nur im Gesang, sondern auch beim Tanzen, kann er vor allem im zweiten Teil voll ausleben, in dem er einige der Ensemblenummern bestens anführt.
Überhaupt ist „Der Medicus“ ein Ensemblestück. Über 30 Darsteller stehen auf der Bühne, die von Regisseur Holger Hauer gut geführt werden. Ihr energiereiches Spiel macht jede der Gruppen-Szenen zu einem Hingucker. Das wird unterstützt durch die anspruchsvollen, modernen Choreografien von Kim Duddy, die absolut modern daher kommen und mit orientalischen Anspielungen aufwarten.
Die Kostüme von Ulrike Kremer und das Bühnenbild von Christoph Weyers komplettieren das optisch perfekte Bild. Die Kostüme sind liebevoll und detailliert und führen uns in die damalige Zeit. Erstaunlich ist, was die doch recht kleine Bühne in Fulda alles leisten kann. Jede der über zwanzig Szenen sieht anders aus und ist oft üppig ausgestattet. Moderne Hintergrundprojektionen, die beispielsweise die Skyline von Isfahan andeuten, vervollständigen den optischen Gesamteindruck.
Wie immer bei Spotlight kommt die Musik vom Band, während das Ensemble live singt. Das 30-köpfige Orchester lässt keine Wünsche offen und klingt auch aus der Konserve fabelhaft. Die Arrangements sind von Michael Reed, dem viele Streicher und Holzblasinstrumente zur Verfügung standen, aber auch Keyboards, Drumsets und E-Bässe. Die Musik mit zusätzlichen Kompositionen von Marian Lux bewegt sich zwischen (Bombast-)Rock und Pop, Balladen und Up-Tempo-Nummern.
Besonders gefällt, dass die Stimmen von Friedrich Rau und Sabrina Weckerlin bestens harmonieren, wie beispielsweise in der ruhigen Nummer „Wenn die Sterne mit uns sind“. Rau darf bei Nummern wie „Ich muss es tun“ zeigen, dass er auch dramatische Songs interpretieren kann. Generell fehlen jedoch die ganz großen Ohrwürmer, die einem sofort in Mark und Bein gehen und die man immer wieder hören will. Gleichwohl ist die Gesamtkomposition durchaus stimmig – genau wie die Show als Ganzes. Es ist zu erwarten, dass in der bereits beschlossenen Spielzeit 2017 wieder einige Details verändert werden, um das Stück noch ein wenig flüssiger zu gestalten und kleine Schwächen auszubügeln – bis dahin ist die aktuelle Fassung aber überaus sehenswert.
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