Tosh Wanogho-Maud als Lola © Pamela Raith
Tosh Wanogho-Maud als Lola © Pamela Raith

NEUE REZENSION
Kinky Boots (seit 10/2025)
Tournee (ATG Touring GmbH)

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Viel mehr als gute Laune und Ohrwurm-Melodien – die UK-Tour des Hitmusicals „Kinky Boots“ kann rundum begeistern: mit wuchtiger Musik, einem stimmigen Bühnenkonzept, einer herausragenden Ensembleleistung und fantastischen HauptdarstellerInnen, die sowohl Comedy als auch Tiefgang in Perfektion bedienen können!

Die komplett in englischer Sprache mit zum Teil recht starken Regiolekten dargebotene Inszenierung wird im Deutschen Theater München mit Hilfe von deutschsprachigen Übertiteln und prägnanten Handlungsbeschreibungen auch einem in der englischen Sprache nicht versierten Publikum zugänglich gemacht – wer allerdings entsprechende Sprachkenntnisse mitbringt, kann von der Authentizität der Geschichte und dem gewissen West-End-Flair schnell in den Bann gezogen werden.

Nicolai Fosters Inszenierung orientiert sich deutlich an den Ensuite-Produktionen vom Broadway und West End und kann nach dem Motto ‚Never change a winning team‘ den Charme und die Aussagekraft von Cindy Laupers und Harvey Fiersteins Musical ohne Abstriche beibehalten. Die Regie fokussiert sich auf die Charakterentwicklung und Mehrdimensionalität der Hauptfiguren Charlie und Lola, gibt aber auch den Nebenfiguren gebührenden Raum und schafft es sogar, den einzelnen Ensemblemitgliedern Momente zu schenken, in denen sie ihre eigenen darstellerischen Akzente setzen können. Robert Jones‘ Bühnenbild orientiert sich ebenfalls am gefeierten Original: Statisches Element ist die übergroße, fast kathedralenhaft wirkende Produktionshalle der Schuhfabrik, die im oberen Teil noch eine Treppe und Charlies Büro sowie im unteren Bühnensegment ein Séparée und mehrere Eingangstüren inkludiert, sodass das Bühnenbild dynamisch bespielt werden kann. Außerhalb der manchmal erdrückend wirkenden Fabrik können mittels gelungener Lichteinstellungen verschiedene Tageszeiten und Wetterstimmungen abgebildet werden, was dem Set eine beeindruckende Realität verleiht. Weitere Schauplätze wie Lolas Bar und das Seniorenheim werden lediglich angedeutet, während beim Boxkampf zwischen Lola und Don und vor allem der Fashion-Show im italienischen Milan am Ende des Stückes mit aufwändigeren Requisiten ein größerer visueller Kontrast zum statischen Hauptbild erwirkt wirkt. Vor der Fabrikfassade ist ein aus bunt leuchtenden Stangen bestehender Würfel als visuelle Unterstreichung wie ein Rahmen um die Bühnenakteure angebracht, der durch die Ausleuchtung besondere Nuancen setzt. Auch die Kostüme von Robert Jones sind stimmig gewählt und orientieren sich an der Visualität der Urversion – gekonnt bilden die Bekleidungen die Arbeiterschicht der Zeit wieder. Besondere Hingucker sind die Paillettenoutfits von den „Angels“ genannten Drag Queens und die diversen Fashion-Statements von Lola zwischen Schlafmantel aus der goldenen Hollywood-Ära, überzeichnetem Business-Suit, dem klassischen Diven-Fummel und sichtlich von moderneren Drag-Stilen wie „RuPaul’s Drag Race“ inspirierten Outfits.

Ben Cracknells Lichtdesign ist differenziert, dramatisch und heiter im Wechsel und vermag es, die zwischen Exaltiertheit und Introspektive pendelnden Szenen optimal zu unterstreichen. Besonders gelungen ist die wuchtige Lichtstimmung zu Lolas großem Solo „Hold Me in Your Heart“. Wuchtig ist auch Adam Fishers Sounddesign, das im Deutschen Theater München für bebende Sitze sorgt und dem Publikum ordentlich Kraft entgegenbrettert. Der Klang der sechsköpfigen Band unter Grant Walsh fegt satt und mit Nachdruck bis in die letzten Reihen des Auditoriums und sorgt für Gänsehautmomente.

Auch Leah Hills Choreographie kann sich sehen lassen. In den großen Gruppennummern entstehen moderne, flotte Tanzabläufe, die Stimmung machen und vor Energie strotzen. Zwei Dancebreaks lässt Hill dem Stück angedeihen, die vor Inspirationen und Anleihen aus aktuellen Drag Shows nur so strotzen. Nicht zuletzt durch diese Choreographien wirkt die Inszenierung aktuell und kann begeistern.

Das gesamte Ensemble agiert sowohl tänzerisch als auch gesanglich und schauspielerisch auf allerhöchstem Standard. Nahezu alle Ensemble-Mitglieder wechseln fließend zwischen Fabrikarbeitern und Drag-Queens und bedienen beide absichtlich dialektisch gehaltenen Rollenprofile mit Perfektion, wobei die großen Gruppennummern „Everybody Say Yeah“, „The Most Beautiful Thing in The World“ und das Finale zu „Raise You Up / Just Be“ durch die grandiose Gesamtleistung zu Begeisterungsstürmen hinreißen.

Jonathan Drydan Taylor verblüfft in seiner Doppelrolle zunächst als spießiger Mr. Price, um nach dessen Ableben zur charismatischen Drag Queen zu werden, die um mindestens 20 Jahre erfrischt wirkt und mit den jungen Hüpfern zu jedem Zeitpunkt mithalten kann. Jessica Daley kann der burschikosen Trish einige charakterliche Kniffe abgewinnen und mausert sich zu einer sympathischen Supporterin der Hauptfiguren. Joanna O’Hare gelingt es, die oft eher antagonistisch anlegte Lauren mit Nachvollziehbarkeit und Profil zu versehen. Kathryn Barnes brilliert als leicht schrullige Fabrikantin Pat, die man als Vorzeige-Ally für die LGBTQ-Szene direkt ins Herz schließt. Der zwar mit Macho-Stereotypen angedachte, aber aufgrund nuancierten Schauspiels nie ganz in Klischees verfallende Don wird von Billy Roberts mit einer überzeugenden Charakterentwicklung und nicht von der Hand zu weisendem Sexappeal portraitiert.

Für das Comedy-Gold sind Scott Paige als George und Courtney Bowman als Lauren zuständig. Während Paige seinen George graduell zu einer die Drag-Queens um Lola sogar übertrumpfenden, seine Queerness gänzlich umarmenden Rampensau ausufern lässt, brilliert Bowman in ihrer Darstellung der manisch verknallten Kindheitsfreundin von Charlie. Ihr Solo „The History of Wrong Guys“ ist ein Feuerwerk der Komik. Grundsympathisch und trotz überzeichneter Figur immer nahbar und für die ZuschauerInnen wie ein Spiegel ihrer eigenen kleinen Mäkel und Marotten, spielt sich Bowman zum Publikumsliebling hervor.

Dan Partridge zeichnet Charlie als von den Stimmen seiner Vergangenheit und seiner eigenen Ambitionen getrieben, rastlos und auf der Suche nach sich selbst. Mit ungeheurer expressiver Energie sind seine Bühnenmomente stets eindringlich und temperamentvoll, ohne Authentizität einzubüßen. Im gefälligen Duett mit einem stimmstarken Liam Doyle als Harry zu „Take What You Got“ zeigt Partridge seine gesanglichen Fähigkeiten, die im großen Solo seiner Figur „Soul of a Man“ eindrucksvoll kulminieren.

Die stärksten Bühnenmomente generiert Partridge im Zusammenspiel mit Tosh Wanogho-Maud, der seinen Gegenpart Lola verkörpert. Dieser Charakterdarsteller in der Rolle der so vieldimensionalen Drag-Queen ist eine wahre Offenbarung! Wanogho-Maud brilliert von Anfang bis Ende mit einer Grandeur, die einer modernen Travestiekünstlerin angemessen ist, aber auch immer wieder in selbstironische Leichtigkeit mündet und so trotz der starken Drag-Persona immer geerdet bleibt. Dieser Spagat macht seine Lola genau so einzigartig und unvergleichbar wie seine gesangliche Auslegung der Rolle. Zwischen MJ, Whitney und Tina Turner changiert sein Tonus – mal herrlich reibend und rau, mal glasklar und mit theatralischem Vibrato und stets mit unvorhersehbaren Riffs versehen, macht er jede stimmliche Darbietung zu einem Highlight. Als Tour-de-Force fegt er zu „Land of Lola“ und „Sex Is in the Heel“ verführerisch über die Bühne und wickelt zu „What a Woman Wants“ nicht nur die Damen um seinen Finger. Mit profundem Schauspiel, das Wanogho-Maud gänzlich mit Lola verschmelzen lässt und dem Charakter hinter der schillernden Fassade – den verletzlichen und vom Vater abgelehnten Simon – ein berührendes Gesicht verleiht, rührt er mit „I’m Not My Father’s Son“ zu Tränen. Das letzte Aufeinandertreffen mit seinem senilen Vater nach seiner fantastisch dargebotenen Ballade „Hold Me In Your Heart“ geht ebenfalls zu Herzen. So spielt, singt und tanzt sich Wanogho-Maud zum Star des Abends. Um es wie eine echte Drag-Queen zusammenfassend sagen: „Yas Gurl, you ate and left no crumbs!“

Diese rundum gelungene Inszenierung mit einem zeitlos starken Plädoyer für Toleranz ist unbedingt sehenswert – nicht verpassen!

 
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KREATIVTEAM
Musik und TexteCindy Lauper
BuchHarvey Fierstein
RegieNicolai Foster
ChoreografieLeah Hill
Bühnen- und KostümbildRobert Jones
LichtdesignBen Cracknell
SounddesignAdam Fisher
Musikalische LeitungGeorge Dyer
 
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CAST (AKTUELL)
Charlie PriceDan Partridge
LolaTosh Wanogho-Maud
LaurenCourtney Bowman
NicolaJohanna O'Hare
DonBilly Roberts
PatKathryn Barnes
TrishJessica Daley
GeorgeScott Paige
HarryLiam Doyle
Mr. Price / AngelJonathan Dryden Taylor
Simon Sr. / AngelKeith Alexander
Ensemble / AngelNathan Daly
Kofi Dennis
Ru Fisher
Liam McEvoy
Ashley-Jordon Packer
EnsembleCarys Burton
Kaya Farrugia
On Stage SwingsAnnell Odartey
Craig Watson
Jordan Isaac
Tori McDougall
  
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TERMINE
Sa, 01.11.2025 15:00Deutsches Theater, München
Sa, 01.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
So, 02.11.2025 14:30Deutsches Theater, München
So, 02.11.2025 19:00Deutsches Theater, München
Di, 04.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
Mi, 05.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
Do, 06.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
Fr, 07.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
Sa, 08.11.2025 15:00Deutsches Theater, München
Sa, 08.11.2025 19:30Deutsches Theater, München
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TERMINE (HISTORY)
Di, 28.10.2025 19:30Deutsches Theater, MünchenPremiere
Mi, 29.10.2025 19:30Deutsches Theater, München
Do, 30.10.2025 19:30Deutsches Theater, München
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