"7 Worte" © Stiftung Creative Kirche
"7 Worte" © Stiftung Creative Kirche

7 Worte vom Kreuz (2024)
Stiftung Creative Kirche, Witten

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Die Passionsgeschichte hat es seit jeher in sich. Auch im neuen dialogischen Chormusical aus der Feder Albert Freys bleiben die “7 Worte vom Kreuz” und ihre Motive schwere Kost. Allerdings hätte Fabian Vogts und Stefanie Brenzels Inszenierung des wort- und kopflastigen Stücks noch mehr nutzen können, was zur Verfügung steht; nämlich: ein Megachor, bestehend aus 687 ehrenamtlichen Mitgliedern neben zweifelsohne ebenso engagierten professionellen Darstellern, Solisten und Musikern sowie einer beeindruckenden Lichtershow.

Ben und Marie lernen sich zufällig im Rahmen der Chormusical-Produktion kennen, so die Story. Beide hatten eine andere Vorstellung von dem Abend, als sie ins Gespräch kommen: Sie bewegen gemeinsam Lebensthemen wie Familie und Sorge, Schuld und Vergebung, Tod, Trennung und Neuanfang, Verzweiflung und Auswege aus der Not sowie Fragen nach Schuld und Erfüllung. Allein diese Aufzählung wirkt erschlagend. Dies gilt leider auch inhaltlich für das gesamte Stück.

Ben und Marie sind füreinander da, frei nach dem Vorbild Jesu von Nazareth und seiner Aufforderung zur Nächstenliebe, woraus schließlich vielleicht noch mehr werden könnte. Sie versuchen dem jeweils Anderen zu helfen, sich aus eigenen Verstrickungen zu lösen.

Die Themen, die Marie und Ben bewegen, sowie die Lösungsvorschläge durch Jesu Worte vom Kreuz, berühren irgendwann jede Biografie. Die dazugehörige Exegese ist sicher nur eine zulässige Deutung, die aber, wie Freys Musical zeigt, Hoffnung verheißt und erleichternd wirkt.

Beim bewegten Publikum ist eine verhaltene Reaktion auf eine Vielzahl von Dialogen zwischen Dominik Doll als Ben und Kathleen Bauer als Marie und den Liedern der Solisten zu erkennen: Trotz hervorragender Sangesleistung von Michael Janz setzt beispielsweise nach “Vater, vergib´” eine erkennbare Pause ein, bevor die musikalische Leistung mit verhaltenem Applaus honoriert wird. Es hängen den gesamten Abend so viele Fragen in der Luft; allen voran: Was hat das alles mit mir zu tun?

Große Lebensthemen werden eines nach dem anderen angerissen, sodass sich wohl jeder Zuschauer überall zumindest ein wenig selbst erkennen kann. Für mehr Tiefe reicht es leider nicht, da keine Zeit bleibt. Die Motive werden unter der Regie von Stefanie Brenzel und Fabian Vogt in einem Mordstempo abgearbeitet. Da die Themen rein durch den teilweise sprunghaften Dialog miteinander verknüpft sind und keinem roten Faden folgen, gilt es konzentriert zu folgen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Das Publikum ist kontinuierlich gefordert, sich in die Figuren einzufühlen, der Exegese zu folgen und diese auf eigene Lebensthemen zu übertragen. Dieser Prozess wird immer wieder angestoßen, wirkt im Laufe des Abends fast schon ermüdend.

In einigen Liedtexten Albert Freys wird auch die Passionsgeschichte inhaltlich thematisiert (“Es ist vollbracht”). Selbst für gläubige und kundige Christen bleibt viel zu sortieren. Bei Dichte und Schwere der anklingenden Themen und Fragen tut es dem Stück gut, auf den Dialog der Figuren Ben und Marie beschränkt zu sein. Dessen Wortlast klingt noch eine Weile nach: Kann Gott mir helfen? Ist Jesus mein Erlöser? – Die Frage, ob ein Projekt der Creativen Kirche diesen missionarischen Aspekt bedienen darf, ist am Ende eher eine Glaubensfrage als reine Geschmackssache.

Völlig authentisch stellt Dominik Doll Ben dar, der sich um seine Mutter sorgt und gleichzeitig ihre gemeinsame Geschichte anklagt. Ebenso glaubhaft nimmt Kathleen Bauer die Rolle der Marie ein, die sehr einfühlsam, aber auch mit ihren eigenen Lebensfragen beschäftigt ist. Berührend ist, wie anscheinend selbstverständlich beide die Lösungsversuche zu den Fragen ihrer Figuren in der Passionsgeschichte bzw. Jesus suchen und zu finden scheinen. So vermitteln Bauer und Doll deutlich, dass der Glaube auch und vielleicht sogar gerade in unsicheren Zeiten Halt im Leben geben kann, gerade wenn kein Ausweg auf Anhieb erkennbar ist.

Das Orchester zeigt eine große Bandbreite und spielt souverän Fanfaren (“Ouvertüre”), Jazz-Nummern (“Wir alle”), orientalische Melodien (“Warum”), melancholische Balladen (“Unerfüllt”, “Sieh”), rockige Töne (“Heute noch”) und begleitet Solisten und Megachor im Gospel-Gesang. Die Passionsgeschichte und ihr aktueller Lebensbezug sind somit sehr abwechslungsreich vertont.

Auffallend nebensächlich kommt der Chor gesanglich zum Einsatz. Bei den “7 Worte”- Liedern, also den Hauptnummern des Stückes, kommt der Chor mal im Refrain, mal im Finale zum Einsatz. Gegen Ende des zweiten Aktes erst bekommt er tragende Passagen zugeschrieben (“Es ist vollbracht”). Größere Passagen trägt der Chor in den Zwischennummern vor, die eine Brücke zwischen damals, im Jahre 33 auf Golgatha, und heute, 2024 in der westlichen Welt, schlagen. Der Chor zeigt ebenso wie die Darsteller Bauer und Doll eine Aktualität der Themen auf. Leider scheint der Chor mit seiner Sangeskraft und imposanten Masse an ehrenamtlichen Mitwirkenden paradoxerweise unterzugehen, da er zu wenig ins Spiel gebracht wird. Bei einem sogenannten Chormusical wäre es jedoch anders wünschenswert und erwartungsgemäß gewesen.

Somit bleibt es neben den Darstellern den Solisten vorbehalten, die Erzählung, die Botschaften Jesu am Kreuz zu transportieren. Dies gelingt dem Sangesquartett Anja Lehmann, Yasmina Hunzinger, Benjamin Gail und Michael Janz großartig.

Das Lichtdesign von David Bernecker stellt den markantesten Aspekt der Ausstattung dar: Etwa sieben Meter hoch prangt mittig der Bühne eine Leinwand im Kreuz-Format. Hierauf werden die Worte Jesu als Zitate aus der Bibel sowie aktuelle Bezüge abgebildet, auf die die Songtexte abzielen. Beim Vertonen von Bibelversen werden die Sänger auf das Kreuz projiziert, um das Zitat Jesu zu unterstreichen.

Lichtkegel kreuzen sich, rücken Solisten und Darsteller ins rechte Licht, aber eben auch das Publikum – wie zur Selbstreflexion anregend. Der Chor, in weiß gekleidet, strahlt durch entsprechende Farbe der Scheinwerfer stimmungsvoll zu den entsprechenden Leitmotiven: Beispielsweise leuchtet der Chor im Hintergrund grün, wenn von Hoffnung erzählt wird.

An den seitlichen Bühnenrändern sind Leinwände angebracht, die die Lichtershow und die Dialoge zwischen Ben und Marie übertragen. Außerdem werden zum Mitlesen und -singen die Songtexte eingeblendet. Zwischenzeitig dirigieren Lina Wittemeier und Simon Biffart neben dem Chor auch das Publikum. Der Zuschauer ist ganz schön gefordert!

Insgesamt wirkt das halbszenische Stück inhaltlich durch die Schwere, Tiefe und Vielzahl der anklingenden Themen ziemlich überfrachtet. Die dialogische Handlung macht es nicht leichter, inhaltlich zu folgen. Der Chor bleibt trotz beeindruckender Lichtershow viel zu sehr im Schatten, ist bei seinen Einsätzen jedoch stets auf dem Punkt. Darsteller, Solisten und Orchester dürfen und können glänzen. Am Ende bleiben viele Fragen offen, die sich ein jeder nur selbst beantworten kann.

 
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KREATIVTEAM
Musik / TextAlbert Frey
Musikal. LeitungFlorian Sitzmann
Regie/ InszenierungStefanie Brenzel
Fabian Vogt
 
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CAST (AKTUELL)
GesangssolistenAnja Lehmann
(Sopran)
Yasmina Hunzinger
(Alt)
Benjamin Gail
(Tenor)
Michael Janz
(Bass)
MarieKathleen Bauer
BenDominik Doll
Cover
(Gesang)
Claus-Peter Eberwein
Katharina Stahl
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 02.03.2024 14:00MHP Arena, LudwigsburgPremiere
Sa, 09.03.2024 19:00RuhrCongress, Bochum
Sa, 16.03.2024 19:00brose ARENA, Bamberg
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