 Grusical
Sweeney Todd Ein Kleinod abseits vom Mainstream Stephen Sondheims wohl kontroversestes Stück in der Berliner Erstaufführung, inszeniert von Christopher Bond und unter der musikalischen Leitung von Koen Schoots. Die schwarze Komödie um Rache, Mord und Kanibalismus markiert die Musicalpremiere der Komischen Oper Berlin.
(Text: Claudia Leonhardt) Premiere: | | 26.09.2004 | Letzte bekannte Aufführung: | | 27.06.2005 |
Ein rachsüchtiger Barbier, der zum Serienkiller wird und seine Kunden reihenweise dahinmetzelt, während seine Komplizin die Opfer zu schmackhaften Pasteten verarbeitet - die Inhaltsangabe von "Sweeney Todd" liest sich so, als könnte man entweder mit einem blutigen Psychothriller im Stil von "Hannibal" oder einer trashigen Persiflage rechnen. Das Sondheim-Stück jedoch ist wider Erwarten eine bissige schwarze Komödie, die statt auf Schockeffekte auf Wortwitz und die fundamentale Absurdität der auf Tatsachen beruhenden Geschichte setzt.
Der Titelheld (oder vielmehr Anti-Held), überzeugend und stimmgewaltig dargestellt von Roger Smeets, ist kein durchgedrehter Psychopath, sondern ein vom Schicksal gebeutelter Mann, der durch eine Verkettung unglücklicher Umstände mehr oder weniger ungewollt zu morden beginnt und dann nicht mehr aufhören kann. Die treibende Kraft hinter seinen grausigen Taten ist Pastetenbäckerin Mrs. Lovett (Dagmar Manzel – herrlich gewitzt und überdreht), die einerseits den großen Profit wittert, andererseits den charismatischen Todd an sich binden will. Mit Manzel hat man eine Charakterdarstellerin für den Part gewonnen, die eigentlich eher im Sprachtheater und auf der Leinwand zu Hause ist. Bei "Sweeney Todd" kann sie auch ihre gesanglichen Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Den Ausgang der schicksalhaften Geschichte nimmt das Musical vorweg: Zum Auftakt besingt ein Chor "Die Ballade von Sweeney Todd", während der tote Mörder zu Grabe getragen wird – und genau an diesem Punkt endet das Stück auch wieder. Diese Ensemblenummer ist, vielleicht auch weil sie zwischendurch immer wieder anklingt, eine der wenigen eingängigen Melodien, die man in dem Stück finden kann. Was dazwischen kommt, ist musikalisch mehr als anspruchsvoll und genau genommen näher an der Oper als am Musical.
Die Inszenierung an der Komischen Oper ist rundum stimmig – was sicherlich nicht zuletzt Regisseur Christopher Bond zu verdanken ist, der kurzfristig für den erkrankten Dietrich Hilsdorf (u.a. "Jekyll & Hyde", Bremen) einsprang. Als Verfasser des Schauspiels, auf dem das Musical basiert, ist Bond sozusagen "Sweeney Todd"-Fachmann und schafft es, die Vielschichtigkeit der Charaktere und ihre Beweggründe auszuleuchten.
Anders als etwa die deutsche "Jekyll & Hyde"-Inszenierung, die ja von Ort und Zeitpunkt des Geschehens ähnlich angelegt ist, setzt Bühnenbildner Dieter Richter bei "Sweeney Todd" auf Realismus. Das London des 18. Jahrhunderts wird auf der Bühne mit alten Häuserfassaden, engen, kargen Zimmern und überfüllten Straßenkneipen zum Leben erweckt und trägt atmosphärisch viel dazu bei, dass das Stück funktioniert.
Neben den beiden Hauptdarstellern überzeugen vor allem Thomas Ebenstein als Mrs. Lovetts naiver Gehilfe Tobias, den die Erkenntnis über den wahren Inhalt der Pasteten in den Wahnsinn stürzt, und Christiane Oertel als Bettlerin. Michael Nagy, der sich als Anthony in Sweeney Todds schöne Tochter verliebt, singt sich mit "Johanna" in die Herzen der Zuschauer.
Das Orchester unter der Leitung des sowohl opern- als auch musicalerprobten Koen Schoots spielt nach einem etwas zu kraftvollen Auftakt einfühlsam und flüssig durch die Rhythmus- und Stimmungswechsel. – Und davon gibt es in "Sweeney Todd" reichlich.
Das Stück befindet in jeder Hinsicht abseits vom Mainstream und wird vielleicht auch deshalb so selten aufgeführt. Doch wer sich auf die anspruchsvolle Musik Sondheims einlässt und sich von der Inhaltsangabe nicht abschrecken lässt, wird humorvoll und dennoch auf hohem Niveau unterhalten.
(Text: cl)

Verwandte Themen: News: PdW: Sweeney Todd (20.09.2004) News: Sweeny Todd ohne Hilsdorf (07.09.2004)
Kreativteam
Besetzung
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 9 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    2720 Bewertung
31.12.2009 -

Grüschow
    5769 Eine große Enttäuschung....bis.....
31.12.2009 - auf Dagmar Manzel!
Die Dame braucht sich auf gar keinen Fall hinter Musicalgrößen wie Angela Lansbury oder Patti LuPone verstecken!
Bei Frau Manzel merkt man einfach, daß es sich hierbeium eine Schauspielerin handelt. Super...Bravo!
Dies ist bei dem restlichen Ensemble nun überhaupt nicht der Fall!
Es wird mit schönen Stimmen gesungen, doch leider fehlt aber auch jeder Funke von Spiel bei den Damen und Herren auf der Bühne!
Leider kannte das Orchester auch nur eine Lautstärke.
Diese Inszenierung von einem meiner absoluten Musicalfavoriten hat mich sehr enttäuscht.
Ich würde gerne mehr geben....aber nein...mehr Sterne hat diese Inszenierung meiner Meinung nicht verdient.
Leider!

Sebastian
    6661 Schade um Sondheim
07.07.2005 - Sondheim oder Sweeney Todd hat so eine Inszenierung nicht verdient!
Schade!
Was habe ich mich gefreut, endlich....endlich Sondheim und dann auch noch Sweeney Todd in einem großem Haus zu sehen und zu hören.
Doch was ich da geboten bekam fand ich nun überhaupt nicht gut.
Dagmar Manzel hat hier als Einzige 5 wenn nicht sogar 6 Sterne verdient. Leider hat es nicht ausgereicht diese Inszenierung zu retten. Schade!
Vielleicht sieht man ja Frau Manzel in einer besseren Inszenierung dieses Meisterwerkes des Musicaltheaters wieder (hoffentlich...sie ist einfach....GEIL)

Andrea
    6503 Wunderbar
28.06.2005 - Da hat die Komische Oper etwas großartiges herausgebracht. Hier stimmt einfach alles und sicherlich ist es ein Triumph für die wunderbare Dagmar Manzel, die die dankbarste Rolle hat und sie auch vollkommen genutzt und gefüllt hat. Aber auch ihre Kollegen sind hervoragend gewesen und haben ihre Rollen gesanglich und schauspielerisch ausgefüllt. Da kann man doch nur hoffen, dass große Opernhäuser sich öfter an solche Stoffe wagen und besonders Stephen Sondheim in Deutschland noch viel bekannter machen.

Sebastian
    4460 Standing Ovations - zu Recht!
14.02.2005 - War am vergangenen Samstag (12.02.05) in der Vorstellung. War ein wenig skeptisch: ein großes Berliner Opernhuas spielt ein Musical. Können die das? Fazit: Und ob! Noch nie habe ich dieses Stück so opulent erlebt wie hier. Fantastisches Bühnenbild, hervorragende Solisten, besonders Dagmar Manzel als Mrs. Lovett, ein traumhaftes Orchester dass die komplexe Partitur von Sondheim unter dem Dirigenten Koen Schoots präzise und leidenschaftlich umsetzt. Das Publikum reagierte am Ende der Vorstellung mit einer spontanen Standing Ovation. Unbedingt anschauen. Die Fahrt nach Berlin lohnt sich!

Todd
    2819 Scheußlich schön!
25.10.2004 -

Beylich
    2786 Gelungene Inszenierung
23.10.2004 - Habe am gestrigen Abend die Vorstellung gesehen. Die Inszenierung ist wirklich überzeugend. Erstaunlich, welche schauspeilerischen Leistungen aus den Opernsängern zu holen waren (einzig das Textverständnis ließ zu wünschen übrig!). Uneingeschränkt empfehlenswert.

Bergmann
    2691 Durchaus unterhaltsam!
11.10.2004 - Kompliment an die Hauptdarstellerin. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, hat sie sich zu Perle dieses Stückes "warm" gespielt.
Der Hauptteil Darsteller war leider sehr "Opernhaft", was sich darin äussert, das entweder gesungen ODER geschauspielt wird. Beides gleichzeitig scheint leider nur bei einem kleinen Teil des Ensembles möglich.
Auf jeden Fall aber eine hervorragende Arbeit von Sondheim, die es sich anzusehen lohnt!

Sweeney Todd
    2623 Unbedingt anschauen!
03.10.2004 - Sehr gute Solisten, Ensemble und Orchester! Uneingeschränkt empfehlenswert - ebenfalls ein sehr gutes Bühnenbild. Das Stück in der komischen Oper kann sich mit so manch einer Großproduktion messen!

Dai 
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