Zodwa Selele (Victor/Victoria Grant), Michael Dahmen (Toddy) © Andreas Etter
Zodwa Selele (Victor/Victoria Grant), Michael Dahmen (Toddy) © Andreas Etter

Victor/Victoria (2021 - 2022)
Staatstheater, Mainz

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Trotz einer wunderbaren Zodwa Selele in der Titelrolle zerfasert die Musical-Version des Blake Edwards Films unter der Regie von Erik Petersen im Laufe des Abends zu einem plumpen Abklatsch der Filmvorlage und weiß nicht recht, ob sie Boulevard-Spaß oder clevere Komödie sein will.

Das Werk „Victor/Victoria“ hat eine komplexe Entstehungsgeschichte. Zuerst gab es 1933 einen deutschen UFA-Film, darauf folgte 1982 eine Neuverfilmung mit Julie Andrews und James Garner in den Hauptrollen. 1995 schaffte es die Musical-Version an den Broadway. Während der Entstehung des Musicals starb jedoch Filmkomponist Henri Mancini, so dass einige zusätzliche Musiktitel von Frank Wildhorn beigesteuert wurden. Hierzulande gab es 1998 die europäische Premiere an der Staatsoperette Dresden.

Nun präsentiert also das Staatstheater Mainz die Verwechslungs-Show, um damit ihre Post-Corona-Spielzeit zu eröffnen. Mit Zodwa Selele bringt man einen bekannten Namen ans Haus. Die Darstellerin wurde durch diverse Hauptrollen in „Aida“, „Sister Act“ oder „König der Löwen“ bekannt und glänzt auch hier durch ihre charmante Spielweise, ihr Comedy-Timing und ihre wunderbare Soul-Stimme. Ihr Können steht auf der Haben-Seite des Abends, wenngleich ihre Verwandlung zum Mann nicht so überzeugend gelingt wie einst bei Julie Andrews mit ihrer Kurzhaarfrisur.

Auch Toddy-Darsteller Michael Dahmen, Henner Momann als King Marchan und Beatrice Reece als Norma machen ihre Sache generell gut. Das Problem der Produktion liegt eher in der Inszenierung selbst. Sowohl die Regie von Erik Petersen als auch die Ausstattung von Kristopher Kempf und letztlich auch Sabine Artholds Choreografie wissen nicht recht, wohin die Reise gehen soll. Will man eine platte Boulevard-Komödie mit einem Gag-Feuerwerk liefern? Oder will man eine elegante Verwechslungs-Show präsentieren, die sich an dem clever gemachten Hollywood-Film orientiert? Das Ergebnis ist ein Mischmasch, der zwar gelungene Ansätze bietet, aber letztendlich nicht wirklich abliefert.

Die Show legt nach der ersten halben Stunde eine Art Hau-drauf-Manierismus an den Tag, bei dem kein Gag über das benachbarte Wiesbaden ausgelassen wird und auch das Gender-Sternchen seinen Auftritt hat. Die Rolle des Squash Bernstein (Stefan Reil) wird mit einem bayrischen Akzent ausgestattet, den der Darsteller jedoch zwischendurch immer wieder vergisst. Und auch alle schwulen Klischees werden bedient, so dass das Publikum mit reinen Abziehbildern beliefert wird. Hier setzt Petersen bewusst auf „einfaches“ Entertainment, was schade ist, denn die Geschichte an sich bietet so viel Cleverness und feine Nuancen der Unterhaltung. Zwischendurch blitzen diese auch kurz auf. Das anfängliche Kennenlernen zwischen Victoria und Toddy wird beispielsweise sehr charmant und glaubhaft dargestellt. Leider gelingt dies jedoch zu selten.

Im zweiten Akt gerät dann auch die Figuren-Regie ins Stocken. So wird bei einem wichtigen Gespräch zwischen den Hauptcharakteren die Nummer ständig durch vier durch die Szene laufende Hotel-Angestellte gesprengt, die mit Staubwedeln die Szenerie „putzen“. Auch hier steht augenscheinlich pures Slapstick-Entertainment im Vordergrund.

Kristopher Kempfs Ausstattung passt sich an; manche Handlungsorte sind nur schwer nachvollziehbar. Besonders deutlich wird dies bei der eigentlich grandiosen Showstopper-Nummer „Chicago, Illinois“, gesungen von Beatrice Reece als Norma. Gedacht als sexy Showgirl-Performance findet der Song hier in einer Art Western-Saloon-Kulisse statt. Die Darstellerinnen und Darsteller tanzen auf einem Tisch, bekleidet mit Cowboy-Kostümen. Der elegante Stil des 30er Jahre Nachtclubs und die vielschichtige Rolle der Norma mutieren leider auch zur Hau-drauf Nummer, bei der Beatrice Reece keine Chance hat, ihre Rolle zu entwickeln. Anstatt den dynamischen Song für eine mitreißende Choreografie zu nutzen, beschränkt sich diese hier größtenteils auf das mehrmalige Umziehen von Normas Kleid.

Positiv herausstellen muss man die Hotel-Kulisse, die von der Hinterbühne nach vorne fährt. Diese funktioniert sehr gut, wird jedoch am Ende recht häufig vor- und zurückgerollt.

Ebenso positiv sei das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Tjaard Kirsch erwähnt, das grandios aufspielt. Auch die Ensemblenummern gehören musikalisch zur Plus-Seite des Abends, besonders wenn sie im englischen Original dargeboten werden.

Am Ende bleibt jedoch der Eindruck, dass die Inszenierung – vielleicht auch bedingt durch den Hunger des Publikums nach Unterhaltung – verkrampft witzig sein will. Dafür ist das eher subtil unterhaltsame und vielschichtige „Victor/Victoria“ jedoch nicht das richtige Stück. Es wäre wesentlich spannender gewesen, hätte man dem Publikum ein wenig mehr zugemutet und die Feinheiten des Stoffes herausgearbeitet.

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungTjaard Kirsch
InszenierungErik Petersen
ChoreografieSabine Arthold
AusstattungKristopher Kempf
 
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CAST (AKTUELL)
ToddyMichael Dahmen
Peter Felix Bauer
Victor/Victoria GrantZodwa Selele
André CasselArmin Dillenberger
King MarchanHenner Momann
NormaBeatrice Reece
(Grace Simmons)
Squash BernsteinStefan Reil
Henri Labisse / Sal / BühnenarbeiterJan Altenbockum
Richard di Nardo / Choreograf / JukeRico Salathe
Gregor / Pianist / ClanJohannes Pinkel
Mademoiselle Selmer / BlumenmädchenRuth Fuchs
Zimmermädchen / BlumenmädchenGrace Simmons
(Sarah Zippusch)
BlumenmädchenSarah Steinemer
EnsembleRobert Schmelcher
Stuart Gannon
Stefan Reil
Jan Altenbockum
Rico Salathe
Johannes Pinkel
Ruth Fuchs
Grace Simmons
Sarah Zippusch
Sarah Steinemer
SwingsLászló Nagy
Lara Schitto
Swing PianistPaul-Johannes Kirschner
Statisterie des Staatstheater Mainz
Philharmonisches Staatsorchester Mainz
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 09.10.2021 19:30Staatstheater, MainzPremiere
Mi, 13.10.2021 19:30Staatstheater, Mainz
Sa, 30.10.2021 19:30Staatstheater, Mainz
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