Am Anfang ist man ziemlich allein

Viel Verantwortung, wenig Freiheit: Simone Linhof, Associate Producer für die Deutschlandpremiere von “Wicked” in Stuttgart, spricht über die Abläufe hinter den Kulissen, Problemszenen und Textänderungen.

Simone Linhof ist im Stress. Wenige Stunden liegen zwischen dem sogenannten Press Call, bei dem Kamerateams und Fotografen einen Einblick in die Show bekommen, und der geschlossenen Preview-Vorstellung für SE-Mitarbeiter – und jetzt ist noch ein Termin mit dem Kamerateam der Tagesschau reingekommen. Dennoch macht sie einen gelösten Eindruck, die letzten Wochen liefen gut. “Wir sind im Zeitplan, ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben alle Previews durchgespielt, was sensationell ist. Und ich hoffe natürlich, dass auch die letzten Tage vor der Premiere so gut laufen werden.”

Simone Linhof ist im Auftrag der Stage Entertainment Hauptverantwortliche für die Deutschlandpremiere von “Wicked – Die Hexen von Oz” in Stuttgart. In den Aufgabenbereich des Associate Producer, so ihre Jobbezeichnung, fällt unter anderem der Kontakt zu den amerikanischen Lizenzgebern. Simone Linhof muss garantieren, dass “Wicked” in derselben Qualität wie in New York, London und anderswo auf die Bühne kommt. Gleichzeitig hat sie dafür zu sorgen, dass der vom Management der SE vorgegebene Budgetrahmen eingehalten wird. “Bei mir läuft alles zusammen”, sagt Linhof. Sie stimmt ab, wann und in welcher Besetzung das Kreativteam um Regisseur Joe Mantello aus den USA zu den Proben kommt und nimmt das Team für die Aufbauphase unter Vertrag. Mit den Verantwortlichen erarbeitet sie einen Produktionszeitplan und achtet auf dessen Einhaltung: “Damit die erste Preview am geplanten Tag gespielt werden kann.” Diese Schnittstellenfunktion erfordert viel Koordination und Kommunikation. “In der Vorbereitungsphase ist man ziemlich allein im Büro und kümmert sich darum, dass das Bühnenbild, die Perücken und die Kostüme, die in New York und Hamburg, Bali und London angefertigt werden, rechtzeitig vor dem ersten Probentag hier im Theater zur Verfügung stehen.”

Vor und während der Probenphase ist Simone Linhof Ansprechpartnerin bei Textänderungen und vermittelt dabei zwischen dem Lizenzgeber und den Übersetzern Ruth Deny und Michael Kunze. “Wenn die Übersetzer etwas am Text ändern wollen, muss das natürlich mit den Originalautoren abgeklärt werden – die aber absolut Verständnis dafür haben, dass nicht alles eins zu eins übernommen werden kann.” Da das deutsche Publikum mit der Geschichte des Zauberers von Oz längst nicht so vertraut ist wie das englischsprachige, wurde das Buch adaptiert. “Die Übersetzer haben einige Erklärungssätze eingebaut, verschiedene Namen werden öfter erwähnt als im Original, auf den gesamten Wizard-of-Oz-Background wird expliziter eingegangen. Solche Anpassungen spreche ich mit den Übersetzern und dem US-Team ab.”

Noch in den ersten beiden Novemberwochen wurde das Stück im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten weiterentwickelt. “Die Darsteller kommen in den Previews zum ersten Mal mit dem Publikum in Kontakt. Wir merken, welche Gags nicht funktionieren – Glindas Song ‘Popular’ musste zum Beispiel komplett umgeschrieben werden, weil die erste Version bei den Zuschauern einfach nicht ankam. In den Previews bekommen die Darsteller außerdem das richtige Gefühl für Timing und Einsätze. Auch für die Abstimmung der Technik, wie zum Beispiel die richtige Abmischung des Tons und den Einsatz von Nebelmaschinen, braucht man einfach einen vollen Saal.” An jedem Preview-Tag wird zusätzlich auch ohne Publikum geprobt. Das Leitungsteam bespricht, was auf und hinter der Bühne nicht so gut lief.

Größere Änderungen im Vergleich zur Originalinszenierung sind jedoch kaum möglich. “Wir können da nicht viel machen – das Stück steht ja. Aber bei uns ragt das Bühnenbild viel weiter in den Raum als in anderen Theatern, es fliegen Affen über das Publikum – das waren Adaptionen, die wir machen durften. Alles, was die Qualität der Show betrifft, muss aber genau mit dem Original übereinstimmen. Wir konnten zum Beispiel keine Kostüme vereinfachen, Stoffe und Schnitte müssen exakt denen der Originalinszenierung entsprechen.”

Simone Linhof ist ausgebildete Ballettpädagogin, hat Theaterwissenschaften studiert und kam als Produktionsassistentin von “Sunset Boulevard” in Niedernhausen zum Musical. Nach einem zweijährigen Abstecher nach London übernahm sie das Company Management für “Buddy Holly” in Hamburg und wurde nach der Übernahme von Stella durch Stage Entertainment Leiterin der Casting-Abteilung. “Ich wollte nach dieser Zeit einfach gern wieder in den Produktionsbereich und bekam dann die Chance, als Associate Producer ‘Tanz der Vampire’ in Berlin zu machen und anschließend die ‘Best of Musical’-Tournee zu produzieren. Ich hatte das Glück, immer tolle Produktionen betreuen zu dürfen. Auch ‘Wicked’ ist für mich ein Wunschprojekt.”

Mit ihrer jahrelangen Erfahrung als Casting-Verantwortliche ließ es sich Linhof nicht nehmen, bei den finalen Auditions für “Wicked” vor Ort zu sein und mitzuentscheiden. “Für Glinda haben wir etwas länger gesucht. Wir haben extra für diese Rolle ein Casting in London gemacht. Die Entscheidung, wer die Rolle übernimmt, haben wir dann gemeinsam mit dem Regisseur Joe Mantello und dem neuen Casting Director der SE, Ralf Schaedler, gefällt.” Sind alle Besetzungen erste Wahl? “Ja. Ja, absolut.”

Mit der Premiere ist die Aufgabe von Simone Linhof in Stuttgart beendet. “Ich werde auf jeden Fall bei der Stage Entertainment bleiben.” Wegen der kurzfristigen Spielplangestaltung wisse sie aber noch nicht, was als nächstes kommt. “Die Stage würde sehr gern ‘Spring Awakening’ produzieren, dafür wird zur Zeit ein Konzept entwickelt und ein Theater gesucht. Das Stück ist eine ganz neue Art von Musical, das man unbedingt in Deutschland zeigen sollte. Es muss aber auch in die Gesamtplanung der Stage passen. Wenn ‘Spring Awakening’ kommt, würde ich es wahnsinnig gern machen, auch ‘Der Schuh des Manitu’ würde mich sehr reizen. Außerdem wird darüber geredet, ‘Tarzan’ nach Deutschland zu bringen. Da ist aber noch keine Entscheidung gefallen.”

Offensichtlich vertraut man in der SE-Chefetage auf Simone Linhof und ihre Fähigkeiten. Auf die Frage, ob sich Konzerngründer Joop van den Ende oder Deutschlandchef Maik Klokow in die Arbeit an “Wicked” einmischen würden, antwortet sie: “Beide sind zwar immer informiert, haben aber vollstes Vertrauen. Maik Klokow ist heute zum ersten Mal vor Ort.”

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