Bäm! 10 Jahre Musicalensemble Linz (2023)
Landestheater, Linz

Ein eigenes Musicalensemble an einem Mehrspartenhaus wie dem Landestheater Linz hat bis heute Seltenheitswert im deutschsprachigen Raum. Bereits vor 10 Jahren gegründet, feiert dieses Ensemble heuer seinen ersten runden Geburtstag. Grund genug für ein Geburtstagskonzert der besonderen Art: Zur Aufführung kommen nämlich nicht die obligatorischen Best-of-Musical-Songs, sondern wahre Perlen aus den bisher stolzen 45 Musicals, die – teils als deutschsprachige Erstaufführungen, teils sogar als Uraufführungen – ihre Premiere in Linz feierten.

Die zweifellos schwierige Aufgabe, die Highlights aus den Spielplänen des vergangenen Jahrzehnts in einem Konzertabend zusammenzufassen, übernahmen Matthias Davids, der als künstlerischer Leiter als Mann der ersten Stunde in Linz an Bord ist, und der musikalische Leiter Tom Bitterlich. Ihnen ist es gelungen, einen großen Bogen nicht nur über die Produktionen aus Linz, sondern quasi über die Geschichte des Musicals von den 1940iger Jahren mit Bernsteins „On the Town“ bis zu den heute aktuellen Shows wie „Ghost“ oder „Ragtime“ zu spannen. Sie begnügen sich nicht damit, die jeweiligen Hits der Show zu spielen, sondern setzen Akzente, in dem sie Songs auswählen, die sonst eher selten auf Konzerten zu hören sind – beispielsweise „Komm mit mir / Ich lebe“ aus „Next to Normal“ (großartig: Lukas Sandmann als Gabe) oder „Jeanettes Show biz-Geschichten“ aus „The Full Monty“ mit einer herrlich aufgedrehten Bettina Schurek.

Auf der Bühne nimmt das knapp 40-Musiker-starke Bruckner Orchester Linz, das auch bei vielen der Linzer Musicals zum Einsatz kommt, sowie der Chor des Landestheaters Platz. Es ist eine wahre Freude, die Songs in einer derart monumentalen Orchesterbesetzung, begleitet von einem so stimmstarken Chor zu hören. Die Darsteller kommen entweder von den Seiten oder über zwei Stege, die links und rechts durch das Orchester laufen, auf die Bühne. Inszeniert werden die Songs mit wenigen, aber wirkungsvoll eingesetzten Requisiten, wie zum Beispiel einem in der Luft schwebendem  und dann explodierenden Cello bei „Wann fängt die Musik für mich an“ aus „Die Hexen von Eastwick“, dem ersten Stück, das das Linzer Musicalensembles auf die Bühne brachte. Im Bühnenhintergrund werden die Songs mit Szenen-Fotos aus den Produktionen untermalt.  Dieses stimmige Konzept wird nur zweimal durchbrochen: Einmal, wenn bei „Mach sie ganz, die Geschichte“ aus „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ ehemalige Ensemblemitglieder im Video ihre Kollegen auf der Bühne begleiten und das andere Mal, wenn sich bei „Gabriellas Song“ aus „Wie im Himmel“ der Chor auf den Treppenstufen des Publikumsraums verteilt.

In seinem zehnten Jahr besteht das Linzer Musical-Ensemble aus zehn allesamt hervorragenden Darstellerinnen und Darstellern, die bei ihrem Geburtstagskonzert brillieren dürfen: Sei es Daniela Dett mit einem herzzerreißenden „Wie es war“ („Ragtime“) oder Christian Fröhlich und Sanne Mielo mit „Wheels of a Dream“ (ebenfalls „Ragtime“) oder Karsten Kenzel und Celine dos Santos mit „Hallo, kleine Frau“ („Into the Woods“), jedes Ensemblemitglied bekommt seinen Auftritt und macht etwas ganz besonderes daraus. In einer der Moderationen zwischen den Songs erzählt Daniela Dett, die ebenfalls bereits seit dem ersten Tag dabei ist, dass es etwas Besonderes sei, zum Linzer Ensemble zu gehören, weil man in all den Jahren zu einer großen Familie zusammengewachsen sein. Diese Vertrautheit ist tatsächlich auch den gesamten Abend zu spüren – vor allem bei den Ensemble-Nummern wie „Good Morning“ aus „Singin‘ in the Rain“ mit Hanna Kastner, Joel Parnis und Gernot Romic oder dem großen Medley mit allen Ensemblemitgliedern aus „Les Misérables“ zum donnernden Finale des ersten Aktes. Zum Konzept des Konzertabends gehören auch wechselnde Gäste, die aus ehemaligen Mitgliedern des Landestheaters Linz bestehen. In der besuchten Vorstellung waren das Gernot Kranner und Konstantin Zander, die sich beide gut ins Ensemble einfügen.

Einziger Wermutstropfen bei diesem Geburtstagskonzert ist, dass der immer wieder angekündigte Blick in die Zukunft den gesamten Abend ausbleibt. Was aber bleibt, ist das wohl größte Geschenk, welches das Landestheater Linz dem Publikum in den Jahren seines Bestehens machen konnte: Hochwertige und toll besetze Inszenierungen von Shows, die entweder schon lange nicht mehr oder noch nie auf den deutschsprachigen Bühnen gezeigt wurden. Da darf es auch erlaubt sein, sich selbst am Ende des Konzerts mit einem riesigen Konfettiregen auf der Bühne zu feiern. Herzlichen Glückwunsch an das Musicalensemble des Landestheaters Linz!