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Harz statt Hamburg: Auch abseits der großen Metropolen wird Musical auf hohem Niveau geboten, wie bei dieser von Marco Misgaiski in großartigen Bildern inszenierten Version von Frank Wildhorns „Dracula“. Einige großartige Darsteller und ein fantastisches Orchester runden den guten Eindruck ab.
Wer ist aus Liebe gestorben? Hat das Gute das Böse besiegt, oder umgekehrt? Nach Draculas Tod im Finale lässt Regisseur Marco Misgaiski diese Fragen bewusst unbeantwortet. Denn auch Mina sinkt nach dem mit ihrer Hilfe vollendeten Selbstmord des Vampirgrafen neben ihm zu Boden. Unter das schwarze Tuch, das vor dem eisblau beleuchteten Hintergrundprospekt über die beiden herabsinkt, schlüpfen auch Draculas fast stets präsente Vampir-Begleitungen und das Licht erlischt.
Das ist nur eines von vielen starken Bildern, mit der Misgaiskis Inszenierung optisch beeindruckt. Auch wenn die Mitglieder des sehr statischen, dafür aber stimmschönen Opernchors auf den zugewiesenen Plätzen mal Masken schwenkend, dann wieder Kerzen verteilend herumstehen: Die atmosphärisch dichte, stimmungsvoll in jeder Szene unterschiedlich ausgeleuchtete Bildsprache verzaubert und erzählt ohne große Schnörkel die düstere Handlung. Da verzeiht man dem Regisseur auch die Krankenschwestern, die in der Irrenanstalt mit Gummiknüppeln auf ihren Patienten Renfield eindreschen oder die recht kitschig geratene Szene mit Kinderstatist und Puppe zu Prof. Van Helsings Song „Roseanne“.
Die sich über die gesamte Bühnenbreite streckende Treppenkonstruktion im Einheits-Bühnenbild von Gretl Kautzsch stellt die Geschichte in einen abstrakten Raum, in dem die Szenen nahtlos ineinander übergehen. Die nach hinten abschließende steinige Höhlenformation, in der in Liebesszenen ein gewaltiges rotes Herz aufleuchtet, erinnert zwar an die Karpaten und illustriert die Gefühlswelt der Protagonisten, verdeutlicht allerdings nicht, dass viele Szenen gar nicht in Transsylvanien spielen. Vier flatternde, fast durchsichtige weißen Gardinen schaffen sowohl Gruselstimmung als auch intimere Räume. Das prächtige, ebenfalls von Gretl Kautzsch entworfene, viktorianische Kostümbild verweist auf den zeitlichen Kontext.
Was wäre „Dracula“ ohne weitere Vampire? Diese Inszenierung hat einige davon zu bieten. Die auf dem Besetzungszettel als „Seelen“ bezeichneten Vampirbräute (Bettina Pierags, Jessey-Joy Spronk und Amrei Wasikowski) erscheinen fast immer an der Seite des Vampirfürsten, ebenso wie das fünfköpfige Ensemble von „Tanz Harz“. Die zackigen Choreografien von Marco Barbieri, die Anleihen aus dem Musical „Tanz der Vampire“ und aus Michael Jacksons Video zu „Thriller“ zitieren, aber auch eigene Schrittfolgen und Hebefiguren beinhalten, sorgen für das erforderliche Horror-Gefühl.
In einem kleinen, kommunalfinanzierten Haus wie dem Nordharzer Städtebundtheater müssen aus wirtschaftlichen Gründen alle verfügbaren Ensemble-Ressourcen genutzt werden. Dadurch sind zum Beispiel die Rollen vom „Team Vampirjäger“ mit klassisch ausgebildeten Sängern besetzt. Hierbei glänzt besonders Tobias Amadeus Schöner in der dankbaren Rolle des Prof. van Helsing. Stimmlich erinnert er dabei oft an Uwe Kröger aus der Grazer CD-Einspielung von „Dracula“. Auch Juha Koskela als Dr. Jack Seward, Samuel Berlad als Quincey Morris und Francisco Huerta als Arthur Holmwood sind gut bei Stimme, im Spiel allerdings eher unauffällig.
Sehr unglücklich ist die Besetzung von Renfield mit dem Bassisten Gijs Nijkamp. In seiner Darstellung ist die Figur weder schrullig noch zerrissen oder gar diabolisch und ist eher ein wunderlicher Bewohner einer Nervenheilanstalt. Schade auch um „Das Lied vom Meister“, das in Nijkamps Interpretation konturlos und brav bleibt.
Ein wahrer Glücksgriff hingegen ist Michael Rapke als Dracula, der sich hinter keinem anderen Darsteller dieser Rolle verstecken muss. Wenn er sich nach dem Prolog mit der Vorgeschichte aus dem Jahr 1462 der obligatorischen Langhaar-Perücke entledigt, kommt ein optisch sehr attraktiver Untoter zum Vorschein, bei dem es niemanden verwundert, dass ihm die Frauenwelt zu Füßen liegt. Rapke pendelt dabei darstellerisch gekonnt zwischen Blut- und Liebesrausch hin und her. Stimmlich kostet er mit seinem samtigen Bariton die lyrischen Passagen seiner Partie wie in „Je länger ich lebe“ voll aus, kann aber beispielsweise bei „Blut“ auch so richtig rockig aufdrehen. Er gefällt dabei nicht nur in seinen Soli, sondern auch als Partner in Duetten mit Van Helsing, Mina und Lucy.
Die restlichen Partien sind mit gastverpflichteten Darstellern aus dem Musical-Fach auf den Punkt besetzt. Als Lucy hat Friederike Kury im ersten Akt mit dem schlafgewandelten „Nebel und Nacht“ und „Die Einladung“ zwei starke Solo-Songs, die sie mit ihrem schönen Sopran so makellos meistert, dass es bedauernswert ist, dass sie vorlagenbedingt im zweiten Akt nicht mehr zu hören ist. Rein optisch erinnert Enrico Scheffler als Jonathan in dieser Inszenierung an Thomas Anders. Er räumt etwa im gefühlvoll vorgetragenen Solo „Du hast mein Wort“ mit seinem tollen Musical-Tenor so richtig ab und ist in „Whitby Bay“ ein toller Duettpartner von Lena Poppe in der Rolle seiner Verlobten Mina. Mit ihrem luftig-locker geführten Sopran ist sie eine Dracula ebenbürtige Partnerin, aber auch eine zunächst selbstbewusste, dann von Zweifeln zerrissene Frau. Eine großartige Darstellung, die auch stimmlich erste Wahl ist.
Musikbegleitung aus der Konserve oder abgespeckte Mini-Orchester mit Elektronik-Tricksereien lassen Zuschauern oft erschaudern. Für Schauer sorgen in dieser Produktion glücklicherweise bestenfalls die Blutsauger auf der Bühne. Mit den Harzer Sinfonikern kommt ein wohltuend großes Orchester zum Einsatz. Unter der Leitung ihres Dirigenten Harutyun Maradyan schwelgen sie in Wildhorns großen Melodienbögen und sind mitnichten keine blutleere Begleiter für eine Produktion, die alles andere als Harzer Käse ist.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Frank Wildhorn |
Buch und Gesangstexte | Don Black Christopher Hampton |
Entwickelt von | Don Black Christopher Hampton Frank Wildhorn Des McAnuff |
Original-Orchestrierung | Koen Schoots |
Deutsch | Herwig Thelen |
Musikalische Leitung | Harutyun Muradyan |
Inszenierung | Marco Misgaiski |
Ausstattung | Gretl Kautzsch |
Choreografie | Marco Barbieri |
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CAST (AKTUELL) |
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Jonathan Harker | Enrico Scheffler |
Graf Dracula | Michael Rapke |
Mina Murray | Lena Poppe |
Renfield | Gijs Nijkamp |
Dr. Jack Seward | Juha Koskela |
Lucy Westenra | Friederike Kury |
Quincey Morris | Samuel Berlad |
Arthur Holmwood | Francisco Huerta |
Prof. Van Helsing | Tobias Amadeus Schöner |
Seelen / Gesang Vampire | Bettina Pierags Jessey-Joy Spronk Amrei Wasikowski |
Vampire | Ensemble Tanz Harz |
Orchester | Harzer Sinfoniker |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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Fr, 05.05.2023 19:30 | Großes Haus, Halberstadt | Premiere | |||||||
Di, 09.05.2023 19:30 | Großes Haus, Halberstadt | ||||||||
Fr, 19.05.2023 19:30 | Großes Haus, Quedlinburg | ||||||||
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Fr, 26.05.2023 19:30 | Großes Haus, Halberstadt | ||||||||
Sa, 03.06.2023 19:30 | Großes Haus, Quedlinburg | zum letzten Mal 22/23 | |||||||
So, 22.10.2023 18:00 | Großes Haus, Quedlinburg | Wiederaufnahme | |||||||
Di, 31.10.2023 19:30 | Theater, Marl | ||||||||
So, 26.11.2023 18:00 | Großes Haus, Halberstadt | ||||||||
Sa, 20.01.2024 18:00 | Großes Haus, Quedlinburg | ||||||||
So, 24.03.2024 18:00 | Großes Haus, Halberstadt | ||||||||
Do, 25.04.2024 18:00 | Stadthalle, Rheine | ||||||||
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