© Pawel Sosnowski
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Prinz von Preußen (2023 - 2024)
Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH, Görlitz

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Die Welt will betrogen sein! Diesem Motto folgt in den 1920er Jahren auch Harry Domela, der – wie vor ihm bereits Wilhelm Voigt als Hauptmann von Köpenick – vorgibt, mehr zu sein, als er tatsächlich ist. Ob als Baron von Korff oder als angeblicher Enkel von Ex-Kaiser Wilhelm II., Harry Domela nutzt seine Chance und avanciert vom staatenlosen Obdachlosen ohne Arbeitserlaubnis zum Liebling der immer noch kaisertreuen Hocharistokratie. Inspiriert von Motiven aus Domelas Memoiren entstand im Auftrag des Theater Erfurts 1978 das Musical „Der Prinz von Preußen“. Das nach der Uraufführungs-Spielserie in den Archiven verschwundene Stück wurde nun vom Gerhart-Hauptmann-Theater wieder ausgegraben. Die in Zittau gezeigte Neufassung von Regisseur Kay Link entpuppt sich allerdings als eine aus der Zeit gefallene Revue-Klamotte.

Großer Bahnhof für den Kaiser-Enkel Friedrich II. auf Burg Bruchstein. Wie Zombies wankt der verbliebene, immer noch monarchie-besessene Hochadel Thüringens in den Ahnensaal, huldigt dem angeblichen Hohenzollern-Prinzen mit schwülstiger Prosa und beschwört längst vergangene Zeiten mit einem patriotischen Lied herauf: „Im Namen der Republik: Es lebe die Monarchie!“. Als adelige Fräuleins, Oberlandesforstmeister, Kammerherren und weitere Hofschranzen brillieren die Mitglieder des Opernchores nicht nur gesanglich, sondern zeigen vor allem ihre schauspielerische Individualität. Ausstatterin Katrin Hieronimus kleidet die ewig-gestrigen Aristokraten wie aus der Mottenkiste und dekoriert dazu den Ahnensaal mit skurrilen Tierportraits, was den satirischen Regie-Ansatz unterstützt.

Diese Szenenfolge direkt nach der Pause ragt einsam aus dem Inszenierungs-Einerlei von Kay Link heraus. Er erzählt Harrys Hochstapler-Geschichte in knapp drei Stunden behäbig und sehr traditionell, wobei den überlang wirkenden Sprech-Szenen die eine oder andere Kürzung für mehr Tempo gutgetan hätte. Allerdings gibt das dramaturgisch blutleere Buch von Helmut Bez und Jürgen Degenhardt auch nicht viel her, sodass das Hauruck-Ende, in dem sich Harry, dieses Mal in der Rolle einer Zeitungsverlegerin, seiner Verhaftung entziehen kann, wie einer Erlösung wirkt. Von reimenden Textblüten wie „Wie ein Kind beim ersten Schnee, so geht es mir, wenn ich dich seh'“ oder „Liebe kommt und geht, wie vom Wind verweht“ ganz zu schweigen…

In seiner Regie-Arbeit verpasst es Kay Link, pointiert agierende Typen auf die Bühne zu stellen. Stattdessen schwingt er lieber die Klamauk-Keule und lässt Figuren wie den Hoteldirektor Julius Strebsam als übereifrigen Volltrottel über die Bühne stolpern. Harald Schröpfer macht sich in dieser Rolle zum Affen und agiert so übertrieben, dass er einem fast schon leidtun kann.

Ebenfalls Geschmackssache ist Yvonne Reich als dralle Wuchtbrumme Ellinor Walcott, die zwar in der Handlung nicht wirklich eine Funktion hat, dafür aber als deutsch-amerikanische Kaugummifabrikantin den Colt schwingen darf und ihren übertrieben wirkenden Akzent nur in ihrem Song „Die goldenen Ringe“ ablegt. Die zentrale Rolle des verarmten adeligen Burgherrn Waldemar von Brosig, der Harrys Adelsposse erst so richtig in Fahrt bringt, spielt Einspringer Ireneusz Rosinski, der damit immerhin die Premiere rettet, übertrieben brachial.

Bestes Beispiel dafür, dass in so manchem Ensemble eines kommunalfinanzierten Theaters wahre Schätze schlummern, ist Marie-Luise Engel-Schottleitner. Als kecke Bordsteinschwalbe Mimi und Gelegenheitsfreundin des Kleinkriminellen Max (rollendeckend: Michael Berner) ist sie nicht nur eine exzellente Sängerin, sondern springt auch mühelos in den Spagat.

Angeführt wird der Cast von zwei Musical-Gästen: Kara Kemeny (alternierend: Jasmin Eberl) und Merlin Fargel (alternierend: Sascha Luder). Kemeny gibt die selbstbewusste Modejournalistin Lily, die nicht nur ihr Herz an Harry verliert, sondern seiner Hochstapelei auch auf die Schliche kommt. Im Tanz ist sie einfach eine Granate, kämpft in der besuchten Premiere in ihren Songs allerdings mit Spitzentönen, die sie mit Anstrengung intoniert. In Duetten wie „Es ist so schön bei dir zu sein“ harmoniert ihre Stimme perfekt mit dem sicher geführten Musical-Tenor von Merlin Fargel. Als Hochstapler und vermeintlicher Prinz von Preußen ist er ein wahres Schlitzohr und füllt als krimineller Sympathieträger die Titelrolle mühelos und mit Bravour aus.

Ein weiterer Lichtblick ist die Tanzcompagnie, deren mitreißende Auftritte, anspruchsvoll und durchaus akrobatisch choreografiert von Enrico Paglialunga, das Publikum nicht nur bei der finalen Charleston-Reprise begeistern. Die wie am Reißbrett entworfen wirkende, gefällige Partitur von Dieter Brand, Harry Sander und Arrangeur Joachim Gocht (ergänzt für die Neufassung von Albert Seidl) ist recht ohrwurmarm, dafür aber ein musikalischer Gemischtwarenladen mit Balladen, Walzern, Chansons, lateinamerikanischen Rhythmen und Berliner Gassenhauern. Auch wenn die Lausitzer Philharmonie unter der Leitung von Ulrich Kern die Kompositionen als satten Orchester-Sound serviert, passen sie weniger zum Genre Musical und tendieren mit Songs wie „Warum macht die Dolores jeden Abend Kokolores“ eher in Richtung Revue-Operette.

Dem Gerhart-Hauptmann-Theater kann die Ausgrabung dieses Musicals made in GDR nicht hoch genug angerechnet werden. Allerdings dürfe das Stück es schwer haben, an anderen Häusern nachgespielt zu werden. Dafür fehlt ihm – trotz interessanter, historisch verbürgter Titelfigur – einfach die Substanz.  

Musical von Dieter Brand und Harry Sander
Instrumentation von Joachim Gocht
Buch von Helmut Bez und Jürgen Degenhardt (Görlitzer Fassung von Kay Link)
Gesangstexte von Jürgen Degenhardt

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungUlrich Kern
InszenierungKay Link
AusstattungKatrin Hieronimus
ChoreografieEnrico Paglialunga
VideoFlorent Léo Chaintiou
Bearbeitung VideoMerlin Fargel
 
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CAST (AKTUELL)
HarryMerlin Fargel
Sascha Luder
MaxMichael Berner
LilyKara Kemeny
Jasmin Eberl
Waldemar von Borsig, KammerherrHans-Peter Struppe
Ireneusz Rosinski
Mrs. Ellinor WalcottYvonne Reich
Mimi / Echo in Nr. 15Marie Luise Engel-Schottleitner
Strebsam, HoteldirektorHarald Schröpfer
Trude, Automatenfrau / Amanda von BrauseDesireé Ursu
Mimis GangAdrienn Balázs
Liga Jankovska
Julia Pietrusewicz
Lukas Deege
Herr von Maltzahn / Oberlandesforstmeister Wackritz-WackendordCarsten Arbel
Kriminalberater / Hofmarschall KrackerRobert Rosenkranz
Philipp Scholz
Frau von WahnsteinMi-Seon Kim
Helene von LiebensteinKatja Woite
Herzogin AmalieKristin Hui-Ting Yu
Schwanhild von SchmalkaldenBarbara Siegel
Herren des OrdnungsbundesCarsten Arbel
Hyeongwoo Kim
Daewoo Park
Robert Rosenkranz
Heiko Vogel‎
OrchesterNeue Lausitzer Philharmonie
ChorOpernchor
BallettTanzcompagnie
KomparsenStatisterie
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 23.09.2023 19:30Großes Haus, ZittauPremiere
Fr, 29.09.2023 19:30Großes Haus, Zittau
Fr, 06.10.2023 19:30Großes Haus, Zittau
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