Daniela Ziegler (Frau Blücher), Ethan Freeman (The Monster), Ensemble © Emma Szabó
Daniela Ziegler (Frau Blücher), Ethan Freeman (The Monster), Ensemble © Emma Szabó

Frankenstein Junior (2023 - 2024)
Theater, Bonn

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Eines muss man der Oper Bonn lassen: Sie schaffen es dort jedes Jahr ein Musical auf die Bühne zu bringen, das durch Besetzung und Ausstattung in der ersten Liga mitspielt. Auch in dieser Spielzeit ist die Produktion extrem hochwertig – allerdings ist das Haltbarkeitsdatum einiger Gags schon lange abgelaufen.

Mel Brooks ist ein Meister des filmischen Unsinns. Doch sein Humor pendelt zwischen genialem Wortwitz und plumper Klamotte. Sein Film “Frankenstein Junior” von 1974 ist gleichzeitig Hommage an und Parodie auf die klassischen Frankenstein-Filme, die ab 1931 in den Universal Studios entstanden. Die Ausstattung stammte sogar teilweise aus dem ersten Film. Nachdem die Bühnenversion seines Films “The Producers” 2001 ein Broadway-Hit war, legte er mit der Musical-Bearbeitung seines Frankenstein-Films 2007 nach.

Der Look der alten Universal-Horrorfilme wird auf der Bonner Bühne aufgenommen. Momme Hinrichs‘ märchenhaft-schauriges Bühnenbild wird von Judith Selenkos Video-Einspielern unterstützt und Max Karbe taucht es in atmosphärisches Licht. Verena Polkowski orientiert sich bei den von ihr entworfenen Kostümen teilweise ebenfalls an den alten Filmen, sie kreiert aber auch – besonders für Elizabeth Benning – fantasievoll wilde Roben.

Jens Kerbel ergänzt in seiner Inszenierung die Vorlage um einige optische Gags, die er manchmal etwas zu Tode reitet. Auch nicht jeder der vielen zweideutigen Kalauer, die schon in den 70ern nicht wirklich subtil waren, erntet einen Lacher. Durch die hohe Gagdichte ist das teilweise zu verschmerzen, denn lauthals gelacht wird trotzdem genug. Trotzdem hätten ein paar nicht so pointierte Pointen gestrichen werden können, denn in Mel Brooks‘ und Thomas Meehans Buch haben sich – besonders gegen Ende – einige Längen eingeschlichen, die die Aufführung auf fast drei Stunden aufblähen.

Sehr gelungen ist aber das Sounddesign von Stefan Mauel, das nicht nur bei den Laborszenen wortwörtlich Theaterdonner produziert, sondern die Bewegung von Inspektor Kemps künstlichen Gliedmaßen oder Igors Treten auf ein Gehirn mit bizarren Geräuschen untermalt.

Akustische Gags gibt es auch in der Orchestrierung von Doug Besterman und Mark Cumberland. Hier werden Songs nicht einfach nur begleitet. Musikalische Einwürfe setzen auf einen Gag gern nochmal einen drauf und verhelfen den Worten erst zu einem Lacher. 13 Musikerinnen und Musiker sorgen im Orchestergraben unter der Leitung von Jürgen Grimm für satten Old-School-Musical-Klang, so dass die schlichte Bezeichnung “Band” im Programmheft dem nicht gerecht wird. Das klingt ziemlich orchestral.

Richtig sehenswert macht diese Produktion aber in erster Linie die Besetzung. Es wird durchweg hervorragend gesungen und mit sichtbarem Spaß gespielt. Mathias Schlung als Frankenstein-Enkel, der erst nur schnell in Transsilvanien sein Erbe abwickeln will und dann der Versuchung erliegt, selbst eine Leiche zum Leben zu erwecken, kann leichtfüßig-sympathisch und manisch-besessen sein. Bettina Mönch als seine Verlobte Elizabeth Benning setzt die in der Vorlage angelegte pathetische Egomanie hinreißend um, während Kara Kemeny sich als die etwas platt als Sexbomben-Blondine gezeichnete Inga in die Herzen des Publikums jodelt. Als buckliges Faktotum Igor liefert Michael Heller eine Glanzleistung in körperlicher Komik ab, während Daniela Ziegler ihre Frau Blücher (*wieher!*) mit trockenem Humor versieht. Nicht nur ihre rote Unterwäsche, auch Zieglers subtile Mimik deuten darauf hin, dass unter der kalten, strengen Oberfläche ordentlich Feuer lodert.

Der Preis für die mimische Glanzleistung des Abends geht aber an Ethan Freeman. Das Monster scheint auf den ersten Blick eine wichtige, aber undankbare Rolle zu sein: Es tritt erst ungefähr in der Hälfte des Stücks auf, stapft unbeholfen herum, kann nicht sprechen und deshalb natürlich auch nicht (wirklich) singen. Wie Freeman aber die Gefühle von Frankensteins Geschöpf in seinem Gesicht widerspiegelt, ist ganz große Schauspielkunst. Eine weitere Herausforderung für ihn: mit seinen klobigen Schuhen bei “Puttin‘ on the Ritz” steppen. Sabine Arthold hat nicht nur sehr komödiantische Tänze choreografiert, es wird gewirbelt und gesprungen, was das Zeug hält. Das Tänzerische, das die Partitur auszeichnet, überträgt sie auch auf Gänge und Bewegungen. Das gibt der Aufführung einen besonderen Fluss und etwas Leichtes.

Die Bonner Musicalproduktion der Spielzeit 2023/24 ist trotz des nicht komplett überzeugenden Stücks ein unterhaltsamer Spaß und den Besuch schon wegen der grandiosen Besetzung wert. Bei “Frankenstein junior” sollte das Publikum auf der Humorebene aber nicht zu zart besaitet sein.

 
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KREATIVTEAM
BuchMel Brooks; Thomas Meehan
Musik & LiedertexteMel Brooks
Musikalische BeratungGlen Kelly
Deutsche FassungIris Schumacher
Frank Thannhäuser
Musikalische LeitungJürgen Grimm
InszenierungJens Kerbel
BühneMomme Hinrichs
KostümeVerena Polkowski
VideoJudith Selenko
SoundddesignStephan Mauel
LichtMax Karbe
ChoreografieSabine Arthold
 
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CAST (AKTUELL)
Frederick FrankensteinMathias Schlung
Elizabeth BenningCarina Sandhaus
Bettina Mönch
IngaKara Kemeny
The MonsterEthan Freeman
Frau BlücherDaniela Ziegler
IgorMichael Heller
Christopher Bolam
Inspektor Kemp / Der EremitHans-Jürgen Schatz
Victor FrankensteinNico Hartwig
Nils Karsten
ZiggyBernard Niemeyer
EnsembleKatharina Theil
Kelly Panier
Anna-Julia Rogers
Niniane Everaert
Pascal Schürken
Johannes Pinkel
Noa Joanna Ryff
Nils Karsten
Larissa Winkel
Liam Tiesteel
Nico Hartwig
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
So, 20.08.2023 18:00Opernhaus, BonnPremiere
Fr, 25.08.2023 19:30Opernhaus, Bonn
So, 27.08.2023 16:00Opernhaus, Bonn
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