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Kurt Weill gab „Street Scene“ den Untertitel „An American Opera“ und sprach auch von einer „Broadway-Oper“. Er wollte die europäische Operntradition mit der US-Populärmusik verschmelzen. Das fordert vom Ensemble starke Opernstimmen, aber auch jazzige Musical-Leichtigkeit. In Köln funktioniert das – unterstützt von einem adäquaten Orchester – hervorragend.
New York, Ende der 1930er Jahre. Ein heruntergekommenes Mietshaus, in dem vor allem Zuwanderer wohnen: Italiener, Deutsche, Schweden, Russen, Asiaten sowie US-Amerikaner, die schon mehrere Generationen hier sind, aber europäische Wurzeln haben. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Familie Maurrant. Vater Frank ist ein harter Kerl, unfähig, die Bedürfnisse seiner Frau Anna zu erkennen, die heimlich ein Verhältnis mit dem Milchmann angefangen hat. Der kleine Sohn Willie geht noch zur Schule; die ältere Tochter Rose arbeitet in einem Immobilienbüro. Sie wird von ihrem Chef und dem Sohn der Nachbarn, einem Schläger, bedrängt. Sie verliebt sich in den Jurastudenten Sam Kaplan, Sohn eines kommunistischen Juden. Er bittet sie, mit ihm aus dem Elend zu fliehen und anderswo ein gemeinsames Leben anzufangen.
Die Autoren Elmer Rice und Langston Hughes bieten Unterhaltungstheater mit sozialem Anliegen. Sie spielen mit nationalen Eigenheiten und zeigen den Alltag der verschiedenen ethnischen Gruppen, die in diesem Wohnblock zusammengepfercht sind. Es ist ein Überlebenskampf, getrieben von dem Traum vom sozialen Aufstieg, ständig bespitzelt von der neugierigen Nachbarschaft. Das Buch ist perfekt ausbalanciert: dramatisch, tragisch, natürlich mit einer Liebesgeschichte und hier und da ein Schuss Humor. Nur der englische Text wirkt in den dramatischen Opern-Nummern zum Ende hin etwas profan und trivial.
John Fulljames setzt in seiner Inszenierung, die die Oper Köln aus Madrid übernommen hat und hier von Lucy Bradley einstudiert wurde, auf sepiafarbene, brave Nostalgie. Zwar ohne die gesellschaftlichen Umstände zu verklären, doch das Publikum kann sich entspannt zurücklehnen und „Damals war’s schon schlimm in Amerika!“ denken. Dabei sind die Themen – Angst vor dem sozialen Abstieg, häusliche Gewalt, Zusammenleben unterschiedlicher Nationen, sowie der Versuch, aus der sozialen Schicht auszubrechen – global brandaktuell. Mehr Mut zur Aktualität hätte das Stück etwas entstaubt und ihm Schärfe gegeben, doch diese Chance verpassen Fulljames und Bradley.
Ihre Regie führt das große Ensemble sehr gut und selbst kleine Figuren werden als eigenständige Persönlichkeiten herausgearbeitet. Es ergeben sich immer wieder Nebenschauplätze, die sich harmonisch einpassen, nicht vom Hauptgeschehen ablenken, sondern gut zu der Atmosphäre des Lebens auf der Straße und in den Wohnungen beitragen.
In der Ausweich-Spielstätte im Staatenhaus sind die Bühnenmöglichkeiten sehr begrenzt. Das Platz-Problem für das große Ensemble ist gut gelöst. Dick Bird hat ein praktisches Gerüst entworfen: ein dreistöckiges Haus-Skelett mit frontalen Galerien, das Durchsicht auf viele Treppenauf- und -abgänge ermöglicht. Dazu wählt er Alltagskostüme aus den 1930er Jahren. Alles ist eher in dunklen Tönen gehalten; es gibt wenig fröhliche Farbe an der Lower East Side. In der Song-and-Dance-Nummer „Moon Faced, Starry Eyed“ wird die trübe Alltags-Tristesse wortwörtlich weggeschoben und die glitzernde New Yorker Skyline erscheint im Hintergrund.
Dort sitzt auch das bestens aufgelegte Orchester unter Leitung von Tim Murray, das sich voller Elan Weills abwechslungsreicher Musik annimmt. Bei der Premiere wackelte es zwar diverse Male zwischen Solisten und Begleitung, aber das dürfte sich im Laufe der Spielzeit noch einränken. Der Blues zu Beginn transportiert passend die schwüle Hitze in der Stadt; folkloristische Einsprengsel charakterisieren die Herkunft der Bewohner. Herrscht im ersten Teil noch weitgehend der beschwingte Musical-Ton, verdüstert sich der Stil mit der dramatischer werdenden Handlung zur Oper. Weill, der 1946 für das Werk mit dem ersten jemals vergebenen Tony Award ausgezeichnet wurde, huldigt den großen Vorbildern. Im Duett „Don’t Forget the Lilac Bush“ grüßen unverhohlen Puccinis „Turandot“ und „Madame Butterfly“ aus der Partitur.
Der gut verständliche Text ist auch in den Sprechszenen im Original (mit Übertiteln) belassen. Besonders die Darsteller der kleineren Rollen, die mit dem jeweiligen Akzent des Herkunftslands ihrer Figur sprechen, fallen durch natürliches Spiel auf. Die Darstellerinnen und Darsteller der größeren Partien neigen in den Opern-Momenten zu den entsprechenden Klischee-Gesten und großer Mimik. Stimmlich ist das Ensemble durchweg über jeden Zweifel erhaben. Kyle Albertson zeigt Frank Maurrants Brutalität durch Körpersprache und seinen bedrohlichen Bassbariton.
Seiner in ihrer Ehe gefangenen Frau Anna gibt Allison Oakes mit ihrem warmen Sopran trotz aller Verzweiflung und Resignation Selbstbewusstsein und viel Menschlichkeit. Jack Swanson als Nachbarssohn Sam Kaplan ist ein lyrischer Tenor par excellence. Auch Emily Hindrichs singt hervorragend, aber ihrer Rose Maurrant fehlt ein wenig das Mädchenhafte. Sie wirkt zu selbstsicher und reif, um sich naiv auf ein Date mit ihrem Chef einzulassen.
„Street Scene“ taucht zwar in den letzten Jahren öfter auf den Spielplänen auf, doch schon allein durch die Anforderungen an das Ensemble wird es ein Exot bleiben. In Köln gehen Musical-Pep und Opern-Pomp ohne Reibung Hand in Hand. Eine sehenswerte Produktion – aber ein Faible für das Genre Oper sollte man schon haben, um „Street Scene“ wirklich genießen zu können.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Tim Murray |
Inszenierung | John Fulljames |
Regie-Mitarbeit und Einstudierung | Lucy Bradley |
Bühne & Kostüme | Dick Bird |
Choreografie | Arthur Pita |
Choreografische Einstudierung | Valentina Golfieri |
Lichtdesign | James Farncombe |
Chorleitung | Rustam Samedov |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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So, 28.04.2019 18:00 | Oper, Köln | ||||||||
Di, 30.04.2019 19:30 | Oper, Köln | ||||||||
Do, 02.05.2019 19:30 | Oper, Köln | ||||||||
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So, 05.05.2019 18:00 | Oper, Köln | ||||||||
Mi, 08.05.2019 19:30 | Oper, Köln | ||||||||
Fr, 10.05.2019 19:30 | Oper, Köln | ||||||||
So, 12.05.2019 16:00 | Oper, Köln | ||||||||
Do, 16.05.2019 19:30 | Oper, Köln | ||||||||
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