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Wie weit darf Wissenschaft gehen? Dieser Frage stellt sich Holger Seitz in seiner Inszenierung von Mel Brooks Grusical „Frankenstein Junior“. Die mehrdeutige Antwort verpackt er in ein Feuerwerk von Zweideutigkeiten und Situationskomik. Dank schmissiger Musik, exzellenter Cast, engagiertem Orchester und auch hintergründiger Botschaften gerät bei der Premiere am Theater Hof nicht nur das Monster außer Rand und Band, sondern eindeutig auch das Publikum.
Mel Brooks mixt munter mehrere mannigfaltige Geschichten rund um Mary Shelleys epochalen Horrorklassiker „Frankenstein“ zu einer Horror-Parodie zusammen. Frankensteins Enkel Dr. Frederick Frankenstein arbeitet als Gehirnforscher und distanziert sich unter dem Alias „Fronkensteen“ von seinen Vorfahren. Als er vom Tod seines Onkels erfährt, reist Frederick nach Transsilvanien, um sein Erbe anzutreten. Vor Ort lässt sich Frederick von den Assistenten Igor (Charakter wie in „Frankensteins Sohn“) und Inga sowie der Haushälterin Frau Blücher überreden, die Experimente seines Onkels fortzusetzen. Frederick „baut sich ein Monster“. Eher Opfer von Vorurteilen denn grausame Kreatur muss das Monster verfolgt vom Pöbel viel erleiden. Fredericks prüde Verlobte Elisabeth reist zu Frederick nach Transsilvanien. Dort entdeckt Elisabeth bei einem Eremiten (aus „Frankensteins Braut“) ihre eigene Sexualität. Um das Monster zu retten, kopiert Frederick seine Intelligenz schließlich in das Gehirn des Monsters.
Holger Seitz schwelgt bei seiner Inszenierung in Klischees, die er gekonnt auf zwei Ebenen einsetzt: Eindeutig selbstironisch witzig lädt er trotzdem die Zuschauer ein, ihre eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Bei den Figuren wird das überdeutlich. Assistentin Inga ist ein blondes, jodelndes und schuhplattelndes, unschuldig erotisches Dummchen, doch Birgit Reutter entwickelt Inga von der Klischee-Blondine hin zu einer intelligenten und charismatischen jungen Frau. Mit fein abgestimmten Spiel und gefühlvoll modulierten Mezzosopran singt Reutter sich in die Herzen von Frederick und Zuschauern.
Stefanie Rhaue spielt Frau Blücher und bildet den erfrischenden Kontrapunkt zu Inga. Inga flatterhaft im weißen Kleidchen mit wallender Mähne – Frau Blücher ganz in Schwarz, gouvernantenhaft streng. Und so setzt Rhaue auch Ihre Stimme ein: rauchig und voll in tiefer Lage. Kaum zu glauben, dass Rhaue die gleiche Stimmlage wie Reutter besitzt. Durch den Kontrast gewinnt das Grusical viel Spannung.
Christian Venzke als Igor zieht alle Register seines schauspielerischen, tänzerischen und gesanglichen Könnens. Igor als unsicherer und devoter Diener – Igor als steppender Entertainer – Igor als selbstbewusster Partner von „Fronkensteen“. Mit feiner Mimik und ausdrucksvoller Körpersprache bringt Venzke jede Situation auf den Punkt. Immer die passende Artikulation: mal überrrtrrrieben mit trrranssilvanischem Akzent, mal eloquent jovial. Mal verzweifelt verletzlich verzagt, mal potent und sonor, zeigt Venzke eine großartige gesangliche Ausdruckskraft.
Dustin Smailes hat es schwer, sich als Dr. Frederick Frankenstein gegen die famosen Musicalschwergewichte Venzke/Reutter/Rhaue durchzusetzen. Dabei liefert Smailes eine solide Leistung ab. Dennoch bleibt er immer etwas unscheinbar, nur wenig Entwicklung ist erkennbar. Wenn er beispielsweise am Ende des ersten Akts mit den Worten „Was habe ich getan?“ zusammenbricht, spielt er weder dramatisch genug, um die Zuschauer zu berühren, noch witzig genug, um zu amüsieren.
Monster Thilo Andersson und Fredericks Verlobte Elisabeth Cornelia Löhr sind eher Nebenfiguren. Beide Darsteller zeigen viel Engagement und bereichern das Stück ungemein. Besonders Löhrs wandlungsfähige Stimme begeistert. Ihre gesangliche Ausdruckskraft reicht von rauchig dunkel bis zur strahlend hellen Kopfstimme. Löhr und Andersson spielen selbstironisch witzig und arbeiten doch die Dramatik Ihrer Figuren heraus: Das Monster entwickelt sich vom verfolgten Opfer zum genialen Wissenschaftler, die prüde Zicke zur heißblütigen Powerfrau.
Gerade im zweiten Akt gelingt Regisseur Holger Seitz der schwierige Balanceakt zwischen Klamauk und Komödie, zwischen vulgären Zoten und eindeutig zweideutigen Andeutungen, zwischen Pornografie und Situationskomik. Während Frederick unter einem weißen Laken im Hintergrund der Bühne mit Inga zugange ist, beantwortet Igor die Frage nach dem Aufenthaltsort des Anatomieprofessors Dr. Frankenstein: „Er dringt in die Materie der weiblichen Anatomie ein!“ Dramaturg Lothar Krause überzeichnet die Gefühle der Figuren humoristisch. Ein Lacher folgt auf den nächsten. Und das Publikum liebt es! Der Applaus steigert sich von Szene zu Szene.
Choreograf Tamás Mester darf aus dem Vollen schöpfen. Nicht nur die großen Tanzszenen unterstreichen den Witz von Musik und Inszenierung. Mester zitiert choreografisch sowohl andere Grusicals als auch große Revue-Nummern aus den 1920ern. Das garniert er mit viel Charme, Fantasie und eindeutig sexuellen Anspielungen. Das Ballett setzt die anspruchsvolle Choreografie sicher um. Sprünge und Hebefiguren sitzen, die Tänzer tanzen synchron und mit Hingabe. Höhepunkt ist „Puttin on the Ritz“: Frederick will den Menschen die Angst vor dem Monster nehmen, indem er das Monster als Entertainer auftreten lässt. Die Nummer entwickelt sich zu einer grandiosen Revue und gipfelt in einem blitzsauber ausgeführten Massen-Stepptanz. Sogar die Hauptdarsteller steppen, was das Zeug hält!
Eindeutig viel Spaß haben auch Dirigent Roland Viewer und die knapp 20 Musiker der Hofer Symphoniker. Sie setzen die Partitur inspiriert und engagiert um. Mel Brooks adaptiert verschiedene Stile: Monty Python Filme, Gershwin, viele Jazz-Passagen erinnern an Bernsteins „West Side Story“. Das Lied „Schick mir Einen“ klingt wie eine moderne Version des „Säht Ihr sie mit meinen Augen“ aus „Cabaret“. Viele Effekte könnten dem Soundtrack von „Tom & Jerry“ entstammen. Musik und Orchester liefern auch den Soundtrack zu vielen Szenen. Die schwierige Aufgabe, Musik und Effekte präzise an die Handlung anzupassen, meistern die Musiker par excellence. Leider ist das Orchester gerade im ersten Akt viel zu leise. Das schwüle Streicheln der Drums mit dem Jazz-Besen, die gefühlvollen Saxofonpassagen, die frechen Xylofon-Skalen oder die knackigen Bläser bleiben zu sehr im Hintergrund.
Herbert Bruckmillers Bühne ist schlicht. Ein große Leinwand im Hintergrund der Bühne als Projektionsfläche und ein paar Aussteller – das war’s. Zwei große Freitreppen aus ein paar Latten zusammengenagelt sind multifunktional: Ränge im Vorlesungssaal für Anatomie, Plattform für parallele Handlungsstränge, Seitenteile einer Bibliothek, Gefängniszelle und mehr. Die Reduktion aufs Wesentliche gibt den Darsteller zwar Raum zur Entfaltung, wirkt aber oft zu spartanisch. Witziges Detail: Die zwei mannsgroßen Schalter für die Wiederbelebungsgeneratoren sehen tatsächlich wie zwei Menschen aus. Das regt zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken an.
Bei aller eindeutig sexuell orientierter Komik ist es die Zweideutigkeit der Produktion, die auch eine hintergründige Betrachtung lohnt. „Fronkensteen“ ist ein moderner Prometheus, der die Grenzen von Moral und Wissenschaft auslotet. Letztendlich bleibt es jedem Zuschauer selbst überlassen, einfach nur Spaß zu haben, oder eine Antwort auf die Frage „Wie weit darf Wissenschaft gehen?“ zu suchen.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Roland Vieweg |
Inszenierung | Holger Seitz |
Choreographie | Tamás Mester |
Bühne | Herbert Buckmiller |
Kostüme | Barbara Kloos Julia Buckmiller |
Chor | Cornelius Volke Hsin-chien Chiu |
Dramaturgie | Lothar Krause |
Regieassistenz und Abendspielleitung | Philipp Gehringer |
Inspizienz | Jerzy Barankiewicz |
Souffleuse | Izabela Kuc |
Musikalische Einstudierung und Korrepition | Christopher Schmitz Michael Falk |
Regiehospitanz | Lenard Schröder |
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CAST (AKTUELL) |
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Dr. Frederick Frankenstein | Dustin Smailes | |||
Elisabeth | Cornelia Löhr | |||
Igor | Christian Venzke | |||
Inga | Birgit Reutter | |||
Frau Blücher | Stefanie Rhaue | |||
Das Monster | Thilo Andersson | |||
Inspektor Kemp, Mr. Hilltop, Telegrammbote, Steward, Schuhputzer, Ein Werwolf, Viktor, Ein Eremit, Graf Dracula | Karsten Jesgarz | |||
Ein Büttel | Joscha Blatzheim | |||
Ziggy | Nicolás Firlei Fernández | |||
Mordechai | Tae Yil Yoon | |||
Eine Dorfbewohnerin | Marina Schubert | |||
Eine Passantin | Lina Rifqa Kamal | |||
Eine Zweite Passantin | Eva Dollinger | |||
Zwei Dorfbewohner | Hans-Peter Pollmer Christian Seidel | |||
Opernchor & Ballett Theater Hof | ||||
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Hofer Symphoniker | ||||
Mitglieder Des Musicalclubs |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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Di, 13.10.2015 18:00 | Theater, Hof | öffentliche Probe | |||||||
So, 18.10.2015 11:00 | Theater, Hof | ||||||||
Sa, 24.10.2015 19:30 | Theater, Hof | Premiere | |||||||
▼ 9 weitere Termine einblenden (bis 05.02.2016) ▼ | |||||||||
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Sa, 31.10.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
So, 08.11.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
Mi, 25.11.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
Sa, 28.11.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
So, 29.11.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
Mo, 30.11.2015 12:00 | Theater, Hof | ||||||||
So, 06.12.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
Fr, 25.12.2015 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
Fr, 05.02.2016 19:30 | Theater, Hof | ||||||||
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