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Die Uraufführung von „Don Camillo und Peppone“ ist eine runde und überzeugende Sache. Die großartige Cast haucht dem meist durchkomponierten Stück viel Energie und Witz ein. Buch, Musik und Regie ergänzen sich optimal.
„36 Häuser, 170 Seelen, auf der Karte nur ein Punkt – dunkel die Gesichter, doch die Augen klug und hell. Menschen, die sich streiten und versöhnen und verstehen.“ Von eben diesen Menschen, deren Geschichten und der starken Verbindung des Pfarrers Don Camillo zu seiner kleinen Gemeinde lebt das neue Stück aus der Feder von Michael Kunze.
Die Inszenierung richtet sich nach der Erzählweise der Filmklassiker mit Fernandel basierend auf der 1948 publizierten Sammlung von Kurzgeschichten des Autors Giovannino Guareschi: Der christliche Dorfpfarrer Don Camillo und der kommunistische Bürgermeister Peppone tragen mit viel Charisma und Witz eine Fehde aus, wem von beiden es zusteht, die Gemeinde zu repräsentieren. Die Zusammensetzung der Augenblicke und Anekdoten der ersten drei Filme ist stimmig und sinnvoll verbunden. Die Dialoge sind gewitzt, rund und mit italienischen Wörtern und Wortspielen gespickt, die viel Lokalkolorit versprühen. Andreas Gergen lässt den Hauptdarstellern viel Platz für die Entwicklung ihrer Charaktere. Auch das Ensemble erhält viel Raum in Erscheinung zu treten und Erinnerung zu bleiben. Michael Kunze baut zwei starke Frauenfiguren in die ansonsten sehr männerlastige Geschichte ein: die Erzählerin Gina und Laura Castelli, die kommunistisch angehauchte Lehrerin der Gemeinde.
Die Musik von Dario Farina ist nahezu durchkomponiert. Aufgrund der Fülle von Geschichten ist dies ungewohnt und verlangt vom Publikum sehr konzentriertes Zuhören. Je nach Charakter ist die Musik anders gefärbt: Melancholisch bei der alten Gina; gewitzt ein wenig härter und mit Blasinstrumenten untermalt bei Peppone. Bei Don Camillo etwas feiner und dramatischer. Beim ersten Hinhören erkennt man nicht auf Anhieb einen Ohrwurm. Melodien wie „36 Häuser“, „Vor langer Zeit“ oder die eingängigen Ensemble-Nummern „Don Camillo und Peppone“ und „Wunder geschehen“ bleiben im Nachhinein dennoch im Gedächtnis.
Mit großen Showstoppern kann das Stück nicht aufwarten, dafür jedoch mit durchdachten Kompositionen, die zum Charme des kleinen Dorfs Boscaccio passen. Bei einem Trauermarsch wird, um die Dorfatmosphäre noch authentischer zu gestalten, gewollt schlecht intoniert. Dies verleiht der Szene besonderen Schalk und Authentizität – ein schwieriges Unterfangen für die Band, wunderbar gemeistert. Robert Paul dirigiert seine Musiker versiert und mit großer Freude. Auch der musikalische Feinschliff von Koen Schoots ist gut hörbar.
Die Choreographien von Dennis Callahan tragen seine Handschrift der kompakten und eckigen Ensemblebewegungen. Besonders beeindruckend sind die Standbilder und Slow-Motion-Elemente, passend zur Erzählweise des Stückes in Bildern aus dem Dorfleben.
Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung ist eine Piazza. Die Bühne von Peter J. Davison versprüht viel italienisches Flair und lässt sich mit raschen Umbauten zur Kirche, der Schule oder Vorgärten verwandeln. Rund um die Piazza ist eine bespielbare Empore, die durch Wendeltreppen erreichbar ist und auf der die Band und die Kanzel von Don Camillo Platz finden. Im Vordergrund der Bühne schlängelt sich der Fluss Po durch den Orchestergraben. Die drohende Überflutung wird mit einem Regenvorhang, der auch während der Pause weiter „regnet“ angedeutet. Ein stimmiges Element.
Die Kostüme von Yan Tax muten historisch und gesellschaftlich sehr authentisch an, so dass man sich tatsächlich in einem kleinen Italienischen Dorf in der Nachkriegszeit wähnt. Ganze Arbeit leisten auch die Maskenbildner. Maya Hakvoorts Verwandlung zur alten Gina ist so überzeugend gelungen, dass man sie im ersten Moment nicht wiedererkennt. Eine schöne Idee sind die Katzen- und Hundepuppen, die vom Ensemble liebevoll geführt werden und die alte Gina und Don Camillo umgarnen.
Andreas Lichtenberger zeigt einen äußerst präsenten, sprudelnden und gewitzten Don Camillo, der es mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt. Immer wieder krempelt er seine Ärmel hoch, wenn es was zum Anpacken oder zum Schlichten gibt. Die Liebe zu seinem Dorf und seinen Schäfchen ist stets spürbar. Seine Stimme ist kraftvoll, bewegend und fein in den ruhigen Momenten.
Frank Winkels kreiert seinen eigenen Peppone. Er ist ein wenig weicher und umgänglicher als sein Pendant im Film. Seine angenehme, warme Stimme und sein gewitztes Schauspiel überzeugen. Mit einem Augenzwinkern umspielt Frank Winkels die latente Unterlegenheit gegenüber Don Camillo. Es macht große Freude ihm zu zu sehen.
Als Erzählerin des Stücks besticht Maya Hakvoort durch ihre Mimik und warme, kraftvolle Stimme. Wenn sie nicht singt, zieht Hakvoort oft ohne Worte über die Bühne. Die alte Gina beobachtet, sinniert, genießt und leidet mit ihrem jüngeren Alter Ego auf der Bühne mit. Man mag diese alte Frau auf Anhieb und möchte mit ihr in die Geschichte eintauchen – eine sehr überzeugende und berührende Rollenführung.
Walter Andreas Müller in der Rolle des Nonno ist ein Glücksgriff und gern gesehener Gast auf der Musicalbühne in St. Gallen. Er ist von der Statur her klein aber oho! Sein immense Bühnenpräsenz und sein Timing für Komik sind ein Genuss. Er vermag es, auch in den ernsten Momenten der Inszenierung zu bewegen. Müller ist ein Darsteller der punktgenau spielt. Sein Nonno stirbt, steht wieder auf und erlebt seinen zweiten, dritten oder gar vierten Frühling. Eine wunderbare und begeisternde Rolleninterpretation.
Femke Soetenga legt die Rolle der Lehrerin bestimmt, selbstbewusst und energievoll an. Ihre angenehme, warme Stimme begeistert. Mit viel Schalk bezirzt sie den Nonno und weist Peppone klar in seine Schranken, wenn es darum geht den Schulabschluss zu erschleichen. Jaqueline Reinhold als junge Gina und Kurosch Abbasi als Mariolino sind energievolle Darsteller mit angenehmen Stimmfarben. Ihre unglückliche Liebesgeschichte stellen sie glaubhaft und einfühlsam dar.
Die Verantwortlichen haben ein sehr ausgeglichenes Ensemble mit jungen und erfahrenen Darstellern (u.a. André Bauer, Patricia Hodell, Dean Welterlen, Reinhard Brussmann, Torsten Tinney) gecastet. Die vielen Umbauten, das rasche Voranschreiten der Geschichte sowie die durchkomponierte Form erfordern viel Konzentration und Energie. Bei der Premiere gelingt dies ausgesprochen gut. Bei acht Vorstellungen pro Woche in Wien wird sich die große Herausforderung an das Ensemble stellen, dieses hohe Energielevel stetig zu halten.
„Don Camillo und Peppone“ überzeugt bei seiner Uraufführung als ein Stück, das qualitativ hochstehende Unterhaltung bietet, nachhallt und berührt. Die Thematik der Toleranz und der Menschlichkeit ist stets aktuell. Die Macher und die großartige Cast ernten am Premierenabend dementsprechend nicht enden wollenden Applaus.
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KREATIVTEAM |
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Musik | Dario Farina |
Buch und Texte | Michael Kunze |
Musikalische Leitung | Robert Paul |
Musical Supervisor / Arrangeur | Koen Schoots |
Inszenierung | Andreas Gergen |
Bühne | Peter J. Davison |
Kostüme | Yan Tax |
Choreografie | Dennis Callahan |
Licht | Michael Grundner |
Dramaturgie | Deborah Maier |
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CAST (AKTUELL) |
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Die alte Gina, Erzählerin | Maya Hakvoort Barbara Tartaglia |
Don Camillo | Andreas Lichtenberger Thorsten Tinney |
Peppone | Frank Winkels André Bauer |
Gina | Jaqueline Reinhold Franziska Kemma |
Mariolino | Kurosch Abbasi Marco Toth |
Filotti | Reinhard Brussmann |
Nonno Walter | Andreas Müller |
Brusco | Thorsten Tinney Dean Welterlen |
Laura Castelli | Femke Soetenga Gabriela Ryffel |
Maria | Patricia Hodell |
Cecilia | Marja Hennicke |
Dottore | Dean Welterlen |
Jesus | Marlon Wehmeier |
Ensemble | Marja Hennicke Colleen Besett Gabriela Ryffel Stéphanie Signer Franziska Kemna Marco Toth Michael Souschek Matthias Trattner Florian Fetterle André Bauer |
Swings | Anna Carina Buchegger Barbara Tartaglia Wolfgang Postlbauer Arthur Büscher |
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