© Moritz Schell
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Das Phantom der Oper (Lloyd Webber) (2012)
Ronacher, Wien

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Wer glaubt, die Geschichte vom „Phantom der Oper“ sei auserzählt, hat die konzertante Version der Vereinigten Bühnen Wien noch nicht gesehen. Regisseur Andreas Gergen und Dirigent Koen Schoots stellen mit einem grandiosen Ensemble und einem glänzend aufgelegten Orchester eine überraschend neue Inszenierung auf die Bühne. Lisa Antoni und Christian Alexander Müller singen und spielen überragend.

Das „Phantom der Oper“ ohne Maske und Kronleuchter? Die Vereinigten Bühnen Wien werden für diesen Mut belohnt. Die konzertante Aufführung des Lloyd-Webber-Klassikers ermöglicht eine ganz neue Sicht auf die musikalische und dramatische Qualität des Stückes. Auf der Bühne des Ronacher sitzt das Orchester der VBW, in der Mitte verläuft eine Treppe zu einer Empore an der Bühnenhinterkante, die wiederum von einer Projektionsfläche flankiert wird. Mehr Szenerie gibt es nicht und doch wird es ein fesselnder, berührender und grandioser Theaterabend.

Regisseur Andreas Gergen legt die Show halbszenisch an und lässt die Cast in Abendgarderobe agieren. Ensemble und Solisten treten teilweise mit Notenskripten auf, die Choreographie beschränkt sich auf ein reines Positionen-Staging. Dieses Konzept reichert Gergen mit einem Tänzerpaar an, das teilweise die Handlung doppelt, teilweise aber auch die Vorgänge im Inneren der Figuren darstellt. Emma Hunter und Alexandar Savija sind oft präsent, die Choreographien von Pascale-Sabine Chevroton dienen aber durchgehend der Handlung und fügen sich gerade deshalb so hervorragend ein, auch wenn sich nicht jeder Moment komplett entschlüsseln lässt.

Weitere Hilfsmittel gibt es, mit Ausnahmen weniger Requisiten nicht. Im Zentrum der Bühne steht das begeisternd aufspielende Orchester der Vereinigten Bühnen Wien in großer Besetzung. Unter dem Dirigat von Koen Schoots beweisen die Musiker, welche emotionale Wirkung ein großer Klangkörper haben kann. Schoots schwelgt in den Melodien Lloyd Webbers, nimmt das Orchester subtil zurück, wo es notwendig ist und lässt es brausen, wenn das dramatische Bühnengeschehen es erfordert. Eine großartige Leistung, die ein Plädoyer ist gegen das musikalische Spardiktat.

Dem scheinbar bekannten Stoff gewinnt Andreas Gergen ganz neue Seiten ab. Die Szenen rund um die Theaterdirektoren und die Operndiva gewinnen eine nie zuvor gesehene Komik, die Dopplung durch die Tänzer ermöglicht an vielen Stellen einen Blick in das Innenleben der Figuren. Dass die fehlenden bühnentechnischen Möglichkeiten durch nicht immer gelungene Projektionen (fettFilm) ergänzt werden, die teils konkret Schauplätze illustrieren und teils Abstraktionen des Bühnengeschehens liefern, sei am Rande erwähnt. Wirklich störend sind sie nicht.

Dass aber der Abend so begeistern kann, liegt dann neben der Orchesterleistung vor allem an den Darstellern. Durch die Ausstattung mit Microports sind sie frei in ihren Bewegungen, so dass sie aus voller Seele agieren können. Und genau das tut das Ensemble und schafft eine im Halbszenischen nie für möglich gehaltene Dichte.

Siphiwe McKenzie gibt eine nie zur Karikatur überzogene und bei aller Überspanntheit grundsympathische Carlotta und überzeugt außerdem durch große Stimme. Reinhard Brussmann als Monsieur Firmin und der eingesprungene Lucius Wolter als Monsieur André liefern ein glänzend aufgelegtes Direktorenpaar ab, jede Szene ein kleines komisches Kabinettstückchen, dazu noch bombensicher gesungen. Michaela Christl ist eine optisch überraschend junge Madame Giry, die in jedem Zoll ihres Körpers Haltung beweist und im Verlauf des Stückes als Puppenspielerin hinter den Kulissen der Handlung erkennbar wird. Anna Carina Buchegger ist die Entdeckung des Abends, als Meg singt sie glockenklar und spielt Christines beste Freundin mit großer Herzenswärme und einem die Bühne ausfüllenden Strahlen.

Oliver Arno erinnert als Raoul nicht ansatzweise an die oft blassen Interpretationen der Rolle. Er zeigt Stärke, kämpft um Christine und steht gesanglich und darstellerisch nie in der zweiten Reihe. Christian Alexander Müller muss als Phantom die fehlende Maske darstellerisch wettmachen und tut dies mit großer Präsenz und Wucht. Dazu kommt eine – trotz eines leichten Kratzens im Hals – durchgehend grandiose gesangliche Leistung. Müller wirft sich mit voller Wucht in die Partie und spielt die gesamte Bandbreite der Gefühle schauspielerisch und gesanglich voll aus. Lisa Antoni schließlich ist als Christine jeden Moment Mittelpunkt der Szene. Sie singt die Partie in opernhafter, aber dennoch jungmädchenhafter Anlage mit spielerischer Leichtigkeit. Berührend ist insbesondere ihr „Könntest du doch wieder bei mir sein“. Überzeugend gerät darüber hinaus ihr Wandel vom schüchternen Chormädchen zur einer überraschend selbstbewussten Christine.

„Wag mit mir den letzten Schritt“ wird zu einem atemberaubenden und knisternden Pas-de-Deux zwischen Müller und Antoni, die die Rolle mit einer bisher nie gesehenen Facette ausstattet und die Szene mit großer Stimme, Ausstrahlung und mehr als nur einem Schuss Erotik zu einem absoluten Höhepunkt des Stückes macht. Ebenso herausragend gerät auch Christian Alexander Müllers abgrundtiefe verwirrte Verzweiflung nach Christines Kuss.

Insbesondere der zweite Akt hält viele dieser dramatischen und wirklich theatralen Momente bereit, die in einer konzertanten Musicalaufführung bisher kaum in dieser Qualität zu sehen waren. Den Vereinigten Bühnen Wien ist der Mut zu weiteren Produktionen dieser Art zu wünschen. Das Orchester als diesmal nicht nur heimlicher Star, ein innovativer Regisseur und das überragende Ensemble bieten alle Möglichkeiten, weitere Klassiker neu und viel unmittelbarer zu erleben.
Bravo!

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungKoen Schoots
RegieAndreas Gergen
LichtdesignAndrew Voller
ProjektionsdesignfettFilm
Sound DesignThomas Strebel
 
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CAST (AKTUELL)
Phantom der OperChristian Alexander Müller
Christine DaéeLisa Antoni
Raoul, Vicomte de ChagnyOliver Arno
Madame GiryMichaela Christl
Monsieur FirminReinhard Brussmann
Moinsieur AndréRamin Dustdar
Carlotta GiudicelliSiphiwe McKenzie
Ubaldo PiangiEnrique Corona
Meg GiryAnna Carina Buchegger
Joseph Buquet / Don Attilio / PassarinoEinar Gundmundsson
Monsieur ReyerMichael Kargus
ConfidantePatricia Nessy
Eleven-ChorGezin Berisha
Birgit Arquin
Cathrin Chytil
Albena Evtimova
Ulrike Hallas
Ruth Hausensteiner
Manuel Heuser
Alixa Kalasz
Ghazal Kazemiesfeh
Markus Kuderer
Vanessa Lanch
Hong Luo
EnsembleColleen Besett
Martina Haeger
Anja Haeseli
Ruth Kraus
Nadja Plattner
Martina Dorothea Rumpf
Anne-Marijn Smulders
Carmen Wiederstein
Barry Coleman
Guido Gottenbos
Faik Hondozi
Jörn Linnenbröker
Lutz Standop
Timo Verse
Arcangelo Vigneri
TänzerEmma Hunter
Aleksander Savija
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Do, 29.11.2012 19:30Ronacher, WienPremiere
Fr, 30.11.2012 19:30Ronacher, Wien
Sa, 01.12.2012 19:30Ronacher, Wien
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