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Peter Lund (Text und Inszenierung), Wolfgang Böhmer (Musik) und ein fantastischer Abschlusslehrgang Show/Musical an der Berliner Universität der Künste transferieren Grimms Knusperhexe als Frau Zucker ins Jahr 2011. Das Ergebnis, eine witzig-überdrehte wie bitterböse Satire, ist jeglicher Hinsicht ein Knaller.
Tessa (Valerija Laubach) und Stefan (Nikolas Heiber) sind entsetzt. Ihre Tochter Meg (Walesca Frank) weigert sich standhaft, die von Kinderpsychologin Dr. Giftig (Nadine Aßmann) zur Behandlung ihrer angeblichen Wahnvorstellungen verschriebenen Pillen zu schlucken. Auch weiterhin behauptet die Kleine, dass die Medizinerin mit der allseits beliebten Nachbarin Frau Zucker (Angela Bittel) und dem Pharma-Vertreter Braasch (Rupert Markthaler) gemeinsame Sache machen und Kinder unter Medikamenteneinfluss entführen würde, um diese dann als alternative Energiequellen zu missbrauchen. Erstes Opfer sei das verschollene Tinchen (Christina Patten), dessen depressive, im Rollstuhl vor sich hin dämmernde Mutter (Andrea Sanchez del Solar) von dem diabolischen Trio unter Drogen gesetzt worden sei, um ihre Tochter zu vergessen.
„Meggy lügt“ protestieren die Hausbewohner, die sich freuen, dass Frau Zucker ihrem Nachwuchs so rührend Aufmerksamkeit schenkt und Kindern wie dem übergewichtigen Hansi (André Haedicke) mit selbstgebackenen Törtchen und Apfelstrudel den tristen Alltag vor der Flimmerkiste versüßt. Einzig Sponti Pauli (Nicky Wuchinger), der von Megs Karriere-Eltern als Aufpasser engagiert wird und lieber ein Bierchen zischt als Babysitter zu spielen, verweist Megs Behauptungen nicht in das Reich der Märchen, sondern unterstützt sie bei der Auflösung aller Ungereimtheiten.
Mit seiner sehr freien Neuinterpretation von Brüder Grimms „Hänsel und Gretel“, die die Hexe als den Kinder mit Süßigkeiten verführenden Bösewicht weiterentwickelt, trifft Peter Lund (Buch und Regie) voll ins Schwarze. Das Libretto unterhält, hat Witz, ist gleichzeitig aber auch ein bissiges Stück Sozialkritik mit der Botschaft, dass Eltern und Kinder sich gegenseitig ernst nehmen und sich mehr miteinander beschäftigen sollten. Wenn Moppelchen Hansi einsam im Hof vor dem Haus sitzt und coupletartig „Es gibt Kinder, die werden vergessen“ klagt, dann stimmt das ebenso nachdenklich, wie die satirisch überhöhte Abschiebung der geistig umnachtet wirkenden Mutter ins Pflegeheim zu fröhlichem Samba-Rhythmen („Für alle das Beste“). Nicht nur hier harmonieren Lunds bissiger Text, seine schwungvolle, im nächsten Moment wieder behutsame und handwerklich ohnehin saubere Inszenierung bestens mit der meisterlich gelungenen Partitur von Wolfgang Böhmer. Die Kompositionen sind abwechslungsreich, gehen schnell ins Ohr (wie Frau Zuckers Auftrittswalzer „Wo alles erlaubt ist, wo alles gut schmeckt“), parodieren aber auch gekonnt James Bond-Motive („Ein Spion“), moderne wie klassische Oper (Solo von Tinchens Mama beziehungsweise Chorsatz „Was ist geschehen?“) oder klingen nach harmlosem Kinderlied („Zwei kleine Tabletten“). Die musikalischen Begleiter an Akkordeon, Kontrabass, Holzblasinstrumenten und Schlagwerk unter der Leitung von Hans-Peter Kirchberg am Klavier fühlen sich in dieser vielfältigen Partitur hörbar wohl.
Überaus gelungen ist auch die Ausstattung von Daria Kornysheva, die neben dem Alltagskostümbild ein stilisiertes, nur spärlich möbliertes Wohnhaus mit drei Etagen entworfen hat, vor dem sich ein Hof befindet. Kornysheva schafft mit diesem Einheitsbühnenbild viel Raum für Action, aber auch für die Choreografien von Neva Howard, die die Darsteller in fast jedem Song fordern und von Purzelbäumen oder Streetdance bei den Kindern bis hin zu anspruchsvollem Ensemble-Showtanz reichen. Alle Tanzschritte und Hebefiguren werden sehr synchron ausgeführt und Howard findet für jeden Auftritt eine neue Figursprache und neue Gruppierungen im Raum. Toll!
In „Frau Zucker will die Weltherrschaft“ verschmelzen die Darsteller Gesang, Schauspiel und Tanz zu einer Einheit. Auch wenn es kaum besser geht, stechen einzelne Darsteller vorlagenbedingt hervor. So sind die Kinder und Bösewichte einfach bessere Rollen als die der erwachsenen Figuren. Insbesondere Walesca Frank als unangepasst-neugierige Meg und Angela Bittel als süßlich-hinterhältige Frau Zucker stehen im Zentrum der Aufführung, aber auch André Haedicke als Frust- mit-Süßigkeiten-kompensierendes Dickerchen mit Schmollmund bleibt nachhaltig im Gedächtnis. Zum Schluss gehört allen Darstellern verdient der Jubel des Publikums, das bei der Uraufführung die Cast gar nicht mehr von der Bühne lassen will.
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KREATIVTEAM |
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Text / Regie | Peter Lund |
Musik | Wolfgang Böhme |
musikalische Leitung | Hans-Peter Kirchberg Tobias Bartholmeß |
Choreografie | Neva Howard |
Bühne und Kostüm | Daria Kornysheva |
Video | René von der Waar |
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CAST (AKTUELL) |
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Frau Doktor Giftig | Nadine Aßmann | |||
Tinchen | Maria Danae Bansen Christina Patten | |||
Frau Zucker | Angela Bittel Antje Rietz | |||
Meg | Walesca Frank | |||
Hansi | André Haedicke | |||
Stefan, Megs Papa | Nikolas Heiber | |||
Herr Braasch | Rupert Markthaler | |||
Tessa, Mama von Meg | Valerija Laubach | |||
Frau Rossi, Mutter von Tinchen | Andrea Sanchez del Solar | |||
Pauli, Babysitter | Nicky Wuchinger Christian Funk | |||
Band | ||||
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Harfe | Kathrin Pechlof David Rescher Eva Reidel | |||
Reeds | Karola Elßner Christian Vogel | |||
Akkordeon | Timofej Sattarov | |||
Kontrabass | Hans-Dieter Lorenz Francisco Hidalgo | |||
Klavier / Keyboards | Hans-Peter Kirchberg Tobias Bartholmeß | |||
Schlagwerk | Olaf Taube Franz Bauer |
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