Melanie Ortner-Stassen © Conny Wenk
Melanie Ortner-Stassen © Conny Wenk

NEUES FEATURE
"Die Bühne und ich sind einfach irgendwann zusammengewachsen." - Melanie Ortner-Stassen im Interview

Nach unserem Interview mit Künstleragent Peter Stassen haben wir uns auch mit seiner Ehefrau, der Musicaldarstellerin Melanie Ortner-Stassen unterhalten dürfen. Wie der pure Zufall die ursympathische Österreicherin auf die Bühne gebracht hat, was ihre Paraderolle der Affenmutter Kala mit ihrem privaten Glück zu tun hat, und wie sie Familie und Beruf miteinander vereint, verrät uns Melanie in einem herzerwärmend ehrlichen Gespräch.

Bei einem Blick in deine frühe Vita fällt auf, dass du vor allem im Tanz ausgebildet bist. Schon mit 6 Jahren hast du angefangen. Wie kam es dazu?

Melanie Ortner-Stassen bei “Tanz der Vampire” © Rolf Bock

Das war eine rein zufällige Sache. Ich hatte mit 6 Jahren auf dem Weg zur Schule einen schlimmen Unfall und wurde von einem Auto erwischt. Mein Papa, der mich als Unfallchirurg behandelt hat, schlug mir als ‘Reha’ Schwimmen oder Ballett vor. Nachdem ich nie der Fan von kaltem Wasser war, hat es sich ergeben, dass ich in einer Tanzschule gelandet bin. Im Teenie-Alter wurde das dann immer mehr und irgendwann bin ich sogar täglich zum Training gegangen. Nicht nur zum rein klassischen Ballett, aber auch Modern, Jazz, Steppen und Akrobatik wurde dort gelehrt. Meine Tanzschule war meine zweite Familie und ich bin meinen Eltern wirklich dankbar, dass sie mir das damals ermöglicht haben.

Wie kam dann der Wunsch auf, vom Tanzmetier ins Musical zu gehen?

Musical war nie auf meiner Liste. Nicht mal wirklich die Bühne – aufgewachsen in Klagenfurt in Österreich waren die großen Bühnen der VBW in Wien die einzigen, die ich kannte. Dass das wirklich ein Beruf werden kann, auf der Bühne zu stehen, dass es so viele Theater gibt, wo man diesen Beruf auch ausüben kann, war mir damals noch nicht so klar. Vielleicht unbewusst? Erst mal wollte ich unbedingt auf die Musical-Schule, nachdem ich nach einer Wette die Aufnahmeprüfung gemacht und bestanden hatte. Ich glaube, die Bühne und ich sind einfach irgendwann zusammen gewachsen und haben uns lieben gelernt. Und rückblickend war es ja dann auch die richtige Entscheidung.

Melanie Ortner-Stassen als Molly in “Ghost” © Privat

Was war dein erstes Musical-Engagement, und welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Mein erstes professionelles Engagement war in Köln bei “Jekyll & Hyde”, ich hatte eine Tänzerinnen-Position übernommen, nachdem eine Darstellerin schwanger geworden ist. Ich weiß noch, dass das alles sehr schnell ging und ich innerhalb von 3 Wochen von Wien nach Köln gezogen bin. Nicht wissend, was da eigentlich so auf mich zukommt – ich werde aber nie vergessen, wie stolz ich war, dass es tatsächlich wahr wurde. Dass ich Dorfmädchen in so einer großen Stadt, in so einem großen Theater, eine richtige Karriere starten könnte. Mit Anfang 20 ist man dann noch sehr blauäugig und geht ohne Vorurteile ins Leben hinein, hat so viele Wünsche und Träume. Ich hab damals von Job zu Job gelebt, ich hatte nie den großen Traum einer Hauptrolle oder eines bestimmten Musicals; ich hab mein Leben gelebt und fand es ziemlich cool. Heute, mehr als 20 Jahre später, wünschte ich mir, dass ich manchmal noch genauso blauäugig und cool wäre, das würde viele Sachen einfacher machen.

Deine ersten Engagements waren vor allem in Ensemble-Positionen und als Swing. Mittlerweile bist du meist als Hauptdarstellerin engagiert. Du kennst also beide Seiten sehr gut. Was sind für dich persönlich jeweils die Vor- und Nachteile?

Ich mag den Wechsel zwischen Ensemble und Hauptrolle. Klar, den Einzelapplaus abzubekommen, ist schon sehr erfüllend und macht einen sehr stolz. Aber im Ensemble ist man fast noch mehr Teil eines Ganzen; wie ein Puzzle-Teil, dass das Bild komplett macht. Ich würde eigentlich jedem/r Musicaldarsteller/in wünschen, dass auch mal mit zu erleben.

“Vorne” stehen ist toll, sich auf der gesamten Bühne bewegen zu können, genauso!

Melanie Ortner-Stassen als Sophie in “Mamma Mia!” © Stage Entertainment

Du warst häufig bei “Mamma Mia!” zu sehen und hast dich vom Swing bis zur Erstbesetzung hochgearbeitet. Wie lief das bei dir ab?

Ich hatte damals bei “Mamma Mia!” als Swing mit Cover (Zweitbesetzung) Lisa begonnen und wurde nach einiger Zeit sogar Dance Captain Assistant. Irgendwann gab es neue Auditions für ein Cover Sophie, dafür musste ich nach Hamburg fliegen und die Audition machen, während ich in der laufenden Produktion gespielt hatte. Als die Erstbesetzung frei wurde, hat mich das Produktionsteam in einer Show auf der Bühne gesehen, das hat es sicher leichter gemacht – aber ich musste trotzdem NOCHMAL Audition machen und vorsingen. Man sieht, so ‘einfach’ ist der Weg nicht gewesen – ich hatte aber viel Unterstützung vom Theater und vor allem von meinen Kollegen! Es waren insgesamt drei Jahre “Mamma Mia!”, in zwei verschiedenen Städten.

Wie und wo hast du deinen Ehemann kennen gelernt? Wie ist es, wenn der Gatte im selben Metier wie man selbst arbeitet?

Peter und ich haben uns in Wien kennengelernt, während einer Audition für “Elisabeth”. Wir mussten zusammen Walzer tanzen und er ist mir mit seinen zwei linken Füßen ständig auf die Zehen getreten. Trotzdem war es Liebe auf den ersten Blick und ich denke, wir sind ein gutes ‘Künstlerpaar’ geworden.  Der Vorteil, im selben Metier zu arbeiten, ist sicher, dass man das Business versteht, die Höhen und Tiefen mitfühlen kann. Nachteil ist vor allem, dass man auch mal in anderen Städten lebt und sehr oft Fernbeziehungen führt.

Melanie Ortner-Stassen und Peter Stassen © Conny Wenk

Du warst bei “Ich Tarzan, Du Jane!” im TV-Casting für das Musical “Tarzan” dabei, wodurch du die Coverposition für Jane erhalten hast. Wie kam es dazu, und wie erging es dir während der Show?

Als klar wurde, dass “Tarzan” nach Deutschland kommt, war ich gleich Feuer und Flamme. Das TV- Casting musste ich machen – um mich für die Rolle der Jane zu bewerben, ging das damals nur über diesen Weg. Es war eine sehr intensive und lehrreiche Erfahrung, auch weil ich mir kurz zuvor den Fuß gebrochen und die ersten Castings mit Gips absolviert hatte. Ich würde aber dennoch nie wieder im Fernsehen ein Casting mitmachen. Da ist nicht immer alles echt, was man zu sehen bekommt und der Zeitaufwand ist einfach riesig. Aber ich habe viel daraus gelernt und ganz tolle Freundschaften mitgenommen.

Vor allem bist du in der Rolle der Kala über die Jahre als Erstbesetzung bekannt geworden. Was gibt dir diese Rolle ganz persönlich?

Die Rolle der Kala war mir von Anfang an ganz nah und wichtig. Auch wenn ich damals noch selber keine Mama war, habe ich für mich immer so ein Gefühl gehabt, als wäre ich es. Man könnte sagen, ich habe dadurch meine ‘andere’ Berufung gefunden. Schlussendlich hat es mich auch dazu gebracht, noch mehr mit Kindern arbeiten zu wollen, deswegen habe ich mich in den letzten Jahren intensiver damit beschäftigt und mir tatsächlich als staatlich anerkannte Erzieherin ein zweites Standbein aufgebaut.

Melanie Ortner-Stassen als Kala in “Tarzan” © Stage Entertainment

Am Schönsten war es tatsächlich dieses Jahr, diese Rolle wieder zu spielen. Der Moment, meinen 6-Jährigen Sohn im Zuschauerraum zu sehen und zu wissen, dass er gerade wirklich realisiert, was seine Mama da macht… Unbezahlbar!

Du bist stolze Mama. Das ist in deinem Beruf tatsächlich eher selten. Wie war für dich die Entscheidung eine Familie gründen zu wollen, in Bezug auf deinen Beruf?

Mein Mann und ich sind da beide sehr zuversichtlich rangegangen. Mir war schon klar, dass sich viel ändern wird, aber ich hab es einfach auf mich zukommen lassen. Schlussendlich hat es ja auch immer recht gut geklappt, Kind und Bühne miteinander zu verbinden.

War es nach der Baby-Pause schwierig, wieder in den Beruf zu finden?

Nein, die Theater haben mich immer sehr unterstützt und dafür bin ich auch wirklich dankbar. Außerdem habe ich den besten Ehemann, da er sich vor allem abends und am Wochenende um unseren Sohn gekümmert hat, damit ich auf der Bühne stehen konnte. Dazu muss ich sagen: Er hat im richtigen Moment mit der Bühne aufgehört und einen ‘daily’ Job gestartet – wir haben uns also immer die Klinke in die Hand geben können…

Die größte Hürde ist sicher das schlechte Gewissen, dass man als Mama seinem Kind gegenüber hat. In den ersten Jahren ist es noch recht einfach gewesen, weil unser Sohn noch nicht wirklich verstanden hat, was ich da mache. Jetzt ist er 6 Jahre alt und realisiert schon, dass Mama abends und am Wochenende weg ist, um auf der Bühne zu stehen und zu arbeiten. Keine Mama hört gerne: „Kannst Du mich heute ins Bett bringen, oder musst Du schon wieder weg?“ Das ist auch mit ein Grund, warum ich momentan nicht mehr regelmäßig in großen Produktionen zu sehen bin – die Zeit mit einem Kind ist kurz und kostbar.

Melanie Ortner-Stassen privat © Conny Wenk

Wie vereinbarst du Beruf und Mama-Sein? Hast du Tipps für andere Musicaldarsteller*Innen, die auch Musical-Mama oder Musical-Papa werden möchten?

Ich denke, das handhabe ich so, wie schon so viele andere Frauen vor mir:
1. Organisation ist das A und O.
2. Familie und Freunde sind Lebensretter in der Not.
3. Schlaf ist überbewertet.

Wie siehst du dich als Mensch, Mama und auch als Künstlerin in, sagen wir, 10-15 Jahren?

Puh, das ist eine gute Frage. Ich möchte auf alle Fälle die Bühne weiterhin in meinem Leben haben, mein Sohn wird mich in einigen Jahren vermutlich nicht mehr so viel brauchen. Ich möchte immer singen – aber wer weiß, vielleicht habe ich bis dato auch eine eigene Schule, um Kinder künstlerisch weiter zu bringen und singe dann dort. Es wird auf alle Fälle nicht langweilig. Privat möchte ich glücklich sein. Gesund. Zufrieden. Mit meinen Männern am Tisch sitzen und sagen können: „Heute war ein schöner Tag.“

Was würdest du deinem Kind raten, wenn es dir sagt: „Mama, ich möchte, wenn ich groß bin, auch auf der Bühne stehen“ ?

Melanie Ortner-Stassen beim Galakonzert “Two Souls” © Thomas Niedermüller

Noch halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass mein Kind auf der Bühne stehen will. Wenn, dann schon eher auf dem Fußballfeld bei Manchester City. [lächelt]

Aber ich vertrete die Meinung, dass jeder das machen darf, was er machen möchte. Meine Unterstützung und die meines Mannes hat unser Sohn auf alle Fälle. Ganz egal, was seine Wünsche im Leben sind, wir sind für ihn da – so wie es unsere Eltern damals für uns waren.

Liebe Melanie, wir danken dir für dieses sympathische und gefühlvolle Interview. Natürlich hoffen wir, dass wir dich weiterhin auf den Musicalbühnen wiederentdecken können. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Glück der Welt!

 
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