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 Literaturadaption
Don Camillo & Peppone Von Feinden und Freunden
© Heiner Schaeffer
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Tecklenburg bringt das Musical als deutsche Erstaufführung auf die Bühne und überzeugt dabei auf ganzer Linie vor allem mit einem herausragendem Cast, toller Regie und wunderbaren Choreografien.
(Text: tw) Premiere: | | 21.06.2019 | Rezensierte Vorstellung: | | 21.06.2019 | Dernière: | | 25.08.2019 | Showlänge: | | 175 Minuten (ggf. inkl. Pause) |
Ein Blick auf die Rezensionen aus St. Gallen und Wien, wo "Don Camillo & Peppone" 2016 beziehungsweise 2017 aufgeführt wurde, zeigt, dass das Stück bei den Zuschauern sehr unterschiedlich ankommt. "Rund und überzeugend" oder auch "seicht und trivial" heißt es in den Kritiken. Tecklenburgs erste Abendproduktion der Saison 2019 ist also weder ein Gassenhauer noch ein neues Stück, auf das jedermann gewartet hätte. Und doch haben Intendant Radulf Beuleke und das Team der Freilichtspiele darin etwas gesehen, das die Entscheidung für dieses Musical herbeiführte. Die Zuschauerreaktionen während der Show und am Ende zeigen, was für "Don Camillo & Pepppone" spricht: Kurzweilige Unterhaltung, ein grandioser Cast, viel fürs Auge und Musik, die gefällt.
© Holger Bulk
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Zwar bietet die Musik von Dario Farina nicht einen Hit nach dem anderen, doch sie ist abwechslungsreich, mal eher in Richtung Schlager, mal voller Drama. Dabei bedient sich Farina einer Reihe von weiteren Stilrichtungen wie Italo-Pop, die sich sämtlich in die Handlung einfügen. Besonders gefallen die Ensemblenummern wie "Wunder geschehn" und "Heute fängt die Zukunft an", aber auch die ruhigen Lieder der alten Gina wie "Lang ist es her". Giorgio Radoja und sein 13-köpfiges Orchester liefern mit gewohnt gutem und vollem Klang die Songs ab. Die Texte von Michael Kunze werden hier und da ebenfalls kritisch besprochen. Nun, das Musical ist wie die Filme als Komödie angelegt und spielt in einem italienischen Dorf nach dem zweiten Weltkrieg, in dem Bildung und wohl gewählte Worte eine untergeordnete Rolle spielen. Von daher sind die Reime witzig, gelegentlich platt und passen genau in die Welt, in die der Zuschauer hier entführt wird.
© Holger Bulk
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Regisseur Andreas Gergen schafft es, an den entscheidenden Stellen aufs Tempo zu drücken, so dass sich vor allem Don Camillo und Peppone den einen oder anderen Schlagabtausch liefern können. Er lässt sich aber auch Zeit, um beispielsweise der nur anerzählten Liebesgeschichte zwischen der jungen Gina und Mariolina Raum zu geben. Oft sind alle fünfzig Darsteller und Statisten auf der Bühne, die immer gut zu tun haben und niemals einfach nur gelangweilt auf der Bühne stehen. Till Nau entwarf moderne Choreografien, die oft witzig daherkommen und große Freude bereiten.
© Heiner Schaeffer
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Jens Janke hat schöne Ideen für das Bühnenbild, in das sich die Kostüme von Karin Alberti nahtlos einfügen. Links ist der Brunnen wieder sichtbar, dahinter die Kirche mit einem großen, bunten, runden Kirchenfenster, das bei Dunkelheit in schönen Farben leuchtet. Der Bereich in der Mitte ist recht offen gestaltet, so dass das Publikum viel vom alten Gemäuer sieht, das in den letzten Jahren oft zugebaut war. Schön, dass dieses Jahr die Gegebenheiten der Ruine wieder voll zur Geltung kommen.
© Holger Bulk
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Obwohl dieses Stück ein Ensemblestück ist, das viele gute Darstellerinnen und Darsteller benötigt, die auch mal bereit sind, kleinere Rollen zu spielen - wie hier Dominik Hees, Milica Jovanovic, Femke Soetenga, Kevin Tarte, Sebastian Brandmeier oder Jörg Neubauer (welch eine Liste!) -, stehen zwei Herren doch im Mittelpunkt: Thomas Borchert und Patrick Stanke. Beide laufen jeder für sich und im Doppelpack zur Höchstform auf. Borchert als Camillo, stets im Zwiegespräch mit Jesus, versucht dauerhaft, Gottes Sohn davon zu überzeugen, dass er recht handelt, obwohl doch die eine oder andere – nennen wir es - Schwindelei und Beugung des Rechts sichtbar ist. Stanke, als Peppone ein ganzer Kerl, versucht das Beste aus seiner Bürgermeisterei zu machen, scheitert aber anfänglich schon daran, ein paar Worte aufzuschreiben und steht sich immer wieder selbst im Weg.
© Holger Bulk
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Wenn die beiden Protagonisten aufeinandertreffen, wollen sie sich stets prügeln und wünschen sich die Pest an den Hals. Zwar haben beide unterschiedliche Herangehensweisen, doch wollen sie nur das Beste für ihr Dorf. Anscheinend helfen machmal nur Fäuste. Die beiden Darsteller liefern ein echtes Kabinettstück ab. Hier kann man lernen, wie Witz und Timing auf der Bühne funktionieren. Fabehlhaft!
© Stephan Drewianka
© Stephan Drewianka
Als schönen Einfall stellt Regisseur Gergen den jungen Florian Albers als Jesus direkt auf die Bühne. Mit schwarzer Jeans und schwarzem Hoodie gekleidet, dient er mal als direkter Ansprechpartner für Camillo, mal ist er irgendwo auf der Bühne, wenn der Geistliche beim Gebet ist. Albers ist es auch, der der alten Gina stets zur Seite steht. Als ihr Begleiter führt er sie über die Treppen und durch die Gänge. Offen bleibt, ob er dabei auch göttlich ist und Gina sich vielleicht sogar aus dem Jenseits an ihre Jungend erinnert. Barbara Tartaglia ist eine bezaubernde Gina, liebevoll und irgendwie gütig. Ihre musikalischen Nummern sind anrührend, ihre Attitüde mild und warmherzig.
© Holger Bulk
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Wer die Filme der 1950er und 60er Jahre mit Fernandel und Gino Cervi mochte, wird hier voll und ganz auf seine Kosten kommen. Auch 2019 lohnt sich ein Besuch bei den Freilichtspielen Tecklenburg, denen es erneut gelingt, ihr Publikum auf hohem Niveau mit tollen Darstellern zu unterhalten.
(Text: Thorsten Wulf)

Verwandte Themen: Hintergrund: Drei Fragen an Andreas Gergen (06.06.2019)
Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 2 Zuschauer haben eine Wertung abgegeben:

    32069 Toll!
02.08.2019 - Eine tolle Vorstellung mit einem überragenden Ensemble. Nachdem ich mich vor einigen Jahren mal sehr kritisch zum Licht in Tecklenburg geäußert habe, ziehe ich die Kritik in diesem Jahr zurück. Das Licht unterstützt die Handlung optimal.
Besonders gut in diesem Jahr auch die Choreographien. Das Aufnehmen von Wellen und Donner in die Choreographie war spitze.
Ebenso das Plädoyer für Europa in der finalen Szene.
Danke Tecklenburg und weiter so! :)

ballrock2 (21 Bewertungen, ∅ 4.7 Sterne)
    32057 Unterhaltung auf höchstem Niveau
14.07.2019 - Obwohl ich eigentlich die ernsteren Stücke vorziehe, war doch eine gewisse Erwartungshaltung vorhanden. Schließlich weiß man ja: der Besuch in Tecklenburg lohnt sich immer!
Das Auftauchen und Verschwinden der alten Gina, von Jesus im alten Fiat 500 auf und von der Bühne kutschiert, gibt der Handlung einen Rahmen. Beide begleiten auch gekonnt durch das gesamte Stück.
Die Besetzung des Stückes ließ, wie so oft in Tecklenburg, mal wieder keine Wünsche offen. Insbesondere Thomas Borchert begeisterte als schlitzohriger Pfarrer mit großer Stimmgewalt und gewitztem Schauspiel. Auch Patrick Stanke als sein Gegenspieler gab einen wunderbaren einfach gestrickten, teils poltrigen, teils unsicheren Bürgermeister ab. Auch im Zusammenspiel harmonierten die Beiden wunderbar und ohne, dass es zu übertrieben oder albern wirkt.
In den kleineren Rollen waren die Leistungen gesanglich, wie schauspielerisch durchgängig großartig. Kein Wunder,denn auch diesen Rollen waren mit Milica Jovanovich, Kevin Tarte, ... unfassbar gut besetzt.
Das Bühnenbild war von Jens Jahnke mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Der alte Brunnen, der in den Vorjahren stets von der Drehbühne verdeckt wurde, passt wunderbar ins Gesamtbild des kleinen italienischen Dorfes.
Die Kostüme, Beleuchtung und die Choreografie runden das Ganze ab.
Ebenso großartig wie die Besetzung agiert das Orchester, bravo, bravissimo! Obgleich das Musical sicher nicht die größten Ohrwürmer bereithält, bleibt doch vieles nachhaltig im Kopf.
Kurzum: Ich lange nicht mehr so gelacht und dabei so großartige Leistungen bestaunt. Anschauen lohnt sich!

Steffie (8 Bewertungen, ∅ 3.9 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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