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 Komödie
La Cage Aux Folles Meine Mama ist ein Mann!
© HL Böhme
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Im eher gebremst inszenierten, sparsam ausgestatteten Narrenkäfig glänzen in prächtigen Kostümen Anthony Curtis Kirby (Jacob) und vor allem Bernd Geiling (Albin/Zaza). Bedauernswert: Raphael Rubino als uninspiriert spielender Georges, der sich auch gesanglich mühevoll durch seine Partie kämpft. Warum muss ein hauseigenes Schauspiel-Ensemble in Potsdam Musical spielen?
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 07.11.2014 | Rezensierte Vorstellung: | | 14.11.2014 | Letzte bekannte Aufführung: | | 27.05.2016 |
© HL Böhme
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Tradition trifft auf Transvestiten. Das ist die Ausgangslage dieses landauf, landab an vielen Bühnen gespielten Musicals, das trotz der aufgedrehten, mit allerlei rosaroten Klischees spielenden Handlung für mehr Toleranz im Miteinander verschiedener Lebensformen wirbt. Diese Botschaft integriert Regisseur Ulrich Wiggers predigtgleich in Zazas ersten Cabaret-Auftritt in der Show. Das macht zwar Sinn, hat auch Witz und ist gespickt mit ironischen Anspielungen (zum Beispiel auf die vor kurzem in den Brandenburgischen Landtag eingezogene, konservative Partei AfP), doch etwas weniger davon hätte auch gereicht, da der Handlungsfluss zu sehr gelähmt wird.
Dabei wirkt Wiggers Inszenierung über weite Strecken ohnehin recht gebremst, brav und teilweise uninspiriert. Als Albin lernen soll, sich wie ein Mann zu verhalten, sitzt der französische Klischeemann schlechthin – ein Akkordeonspieler mit Baskenmütze) – als Dekoration auf der Bühne. Statt der obligatorischen Rotweinflasche hat er allerdings eine Thermoskanne dabei, aus dem er sein Getränk schlürft. Dass der Regisseur auch kreativ und innovativ sein kann, beweist Wiggers mit dem Besuch im Restaurant "Chakra Jacqueline", in dem die Gäste auf am Boden liegenden Kissen Platz nehmen und die Patronin im Sari (charmant: Andrea Thelemann) einen sich zuckend bewegenden Kellner indische Spezialitäten servieren lässt.
Über weite Strecken etwas einfallslos, schäbig und übersichtlich wirkt das Bühnenbild von Matthias Winkler, das mit zwei Logen an beiden Bühnenseiten und einigen Schnörkeln an der Decke ein altes Theater andeutet. Vor den die volle Bühnenbreite einnehmenden, dunkelroten Glitzervorhängen mühen sich die vier Cagelles (Andres Esteban, Lars Schmidt, Dustin Peters und Daniel Meßmann) in Friedrich Bührers langweiligen und wenig fordernden Choreografien vergeblich ab, schwülstige Nachtclub-Atmosphäre zu erzeugen. Ein Knüller gelingt Bühnenbildner Winkler allerdings mit dem im Homo-Heim aufgestellten überdimensionalen Fabergé-Ei, das Zaza als Garderobe dient.
Hinter der Bühne spielen die sechs Musiker unter der Leitung von Ferdinand von Seebach Jerry Hermans eigentlich sehr atmosphärisch dichte, mitreißende Musik. Die nicht sonderlich gut ausgepegelte Tonanlage verwandelt sie im Zuschauerraum allerdings in sehr basslastige Uffta-Uffta-Töne, die teilweise auch die Darsteller übertönen und ihre Gesangsleistungen nicht immer vorteilhaft erscheinen lassen.
Am schlimmsten trifft das Raphael Rubino, der als Georges auch darstellerisch nicht gerade ein Glücksgriff ist. Im ersten Akt spielt er unbeteiligt, sagt seine Texte mehr auf, als dass er spielt, und ist auch kein entertainernder Nachtclub-Gastgeber. Dazu tappst Rubino durch die Szenen und enttäuscht mit seinem eher dem Sprechgesang verpflichteten Bariton. Im zweiten Teil fängt er sich immerhin im Spiel und gibt einen Georges, der um sein privates Glück kämpft.
Aus dem vorlagenbedingt in den Nebenrollen recht blassen Ensemble ragt mit verhältnismäßig sicherer Gesangsstimme Dennis Herrmann als zielstrebiger Jean-Michel heraus. Eine wahre Entdeckung ist Anthony Curtis Kirby, der als quirliger Butler Jacob in immer neuen, teils sehr gewagten Kostümen von Noelie Verdier als schrille Tunte über die Bühne stöckelt. Der junge, noch in der Ausbildung befindliche Darsteller bringt mit exaltiertem Spiel richtig Leben in die Bude und überzeugt in seinen kurzen Gesangspassagen mit satter Rockröhre.
Getragen wird der Abend allerdings von einem großartigen Bernd Geiling, der als verletzter Albin ebenso überzeugt, wie als aufgerüschte, zickige Zaza und vor allem als zielstrebige Mutter. Geiling lebt diese Rollenvielfalt glaubwürdig aus, als sei sie ihm auf den Leib geschrieben. Bravo! Gesanglich solide ist er der wahre Star dieses eher lahmen Narrenkäfigs und wird in der besuchten zweiten Vorstellung vom Publikum zu Recht mit stehenden Ovationen gefeiert.
(Text: kw)

Kreativteam
Besetzung
Frühere Besetzungen? Hier klicken Georges - Raphael Rubino
Albin - Bernd Geiling
Jacob - Anthony Curtis Kirby
Jean-Michel - Dennis Herrmann
Anne - Denia Nironen
Edouard Dindon, M. Renaud - Michael Schrodt
Mme. Dindon, Mme. Renaud - Ilka Sehnert
Francis - Axel Sichrovsky
Jacqueline - Andrea Thelemann
Chantal - Andres Esteban
Hanna - Lars Schmidt, Dennis Hupka
Mercedes - Dustin Peters
Phaedra - Daniel Meßmann
Band - David Beecroft, Johannes Gehlmann, Stephan Genze, Andreas Henze, Ferdinand von Seebach, Christoph Titz
Produktionsgalerie (weitere Bilder)

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| Handlung | "La Cage Aux Folles" ist die Geschichte des homosexuellen Albin, der als Drag Queen Zasa im titelgebenden Nachtclub seines Lebensgefährten George auftritt. mehr Als Georges Sohn Jean-Michel die junge Tochter des konservativen Politikers Edouard Dindon heiraten und seinen zukünftigen Schwiegereltern eine seriöse Familie präsentieren will, kommt es zu einigen komischen Verwicklungen. Albin spielt, trotz einer tiefen Kränkung durch den Ziehsohn, seine Mutter, die kurzfristig abgesagt hat. Das Schauspiel wird letztendlich von Dindon enttarnt, doch durch eine geschickte Erpressung steht der Hochzeit des Sohnes Jean-Michel mit der Diplomatentochter Anna nichts mehr im Wege.
| Weitere Infos | Deutschlandpremiere war am 1985 am Berliner Theater des Westens
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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