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Es mag bei all den spannenden und interessanten neueren Musicalstoffen nicht sonderlich innovativ erscheinen, „Jesus Christ Superstar“, den über 50 Jahre alten Klassiker, auf den Spielplan der Bad Hersfelder Festspiele zu setzten. Mit seiner Version schafft Regisseur Stefan Huber mit seinem Team und allen voran seiner fantastischen Besetzung jedoch einen neuen – und auch im Jahr 2023 noch spannenden – Blick auf die Passionsgeschichte Jesus Christus‘.
Natürlich ist die Stiftsruine Bad Hersfeld wie geschaffen für eine Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“. Von der einst im romanischen Stil im Jahr 1038 erbauten Stiftskirche sind nur noch die für den Baustil typischen hohen, dem Himmel entgegenstrebenden Außenmauern mit ihren halbrunden Fensterbögen erhalten. An der Stelle, an der sich heute die Bühne der Bad Hersfelder Festspiele befinden, war einst der große Altarraum. Das Motiv des Spielortes und der Handlung aufgreifend, liegt vor Beginn der Show eine überdimensional große Figur des gekreuzigten Heilands mit zur Seite ausgestreckten Armen quer über der Bühne. Vor ihm das dazugehörige Kreuz. Beide Requisiten wirken, als würden sie direkt aus einer besseren Zeit der Stiftskirche entstammen. Der Bad Hersfelder Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“ wurde ein morbider Prolog vorangestellt, in welchem ein nur noch mit Mühe aufrechtstehender Gottesmann mit zitternder Stimme eine Messe zelebriert, bei der er über das Reich Gottes philosophiert. Ein Ministrant, der sein Redemanuskript hält, kniet vor ihm; zwei weitere Ministranten stehen völlig desinteressiert an seiner Seite und weichen nur aus, wenn ihnen der Priester körperlich zu nahe kommt. Mit Beginn der Ouvertüre schwebt die riesige Jesus-Figur in die Höhe und bleibt dort die gesamte Show über hängen. Die auf die Bühne kommenden Apostel nehmen dem Priester seine Kleidung ab und er entpuppt sich als Jesus selbst.
Bereits dieser Einstieg in die Show zeigt, auf was es Regisseur Stefan Huber bei seiner Version von „Jesus Christ Superstar“ ankommt: In ihrer gewaltigen Bildsprache ist die gesamte Inszenierung sehr auf das „Vorherbestimmte“ ausgelegt. Mit verschiedenen Elementen nimmt die Inszenierung immer wieder das unausweichliche Ende der Geschichte vorweg. Sei es der omnipräsent über der gesamten Szenerie hängende gekreuzigten Jesus oder die Kostüme der Apostel, bei denen den Ausstattern Okarina Peter und Timo Dentler ein einfacher, aber besonders wirkungsvoller Kunstkniff gelungen ist: Auf den Shirts sind Ausschnitte aus Da Vincis „Das letzte Abendmahl“ zu sehen. Dass hier wiederum auf eine Szene hingewiesen wird, die erst in der Zukunft stattfinden wird, fällt erst direkt dann ins Auge, wenn im zweiten Akt auch das Shirt von Judas sichtbar wird, das bis dahin immer mehr oder weniger durch ein Jackett verdeckt war. Auch auf seinem Shirt ist eine Gemäldeszene aus der Passionsgeschichte zu sehen. Allerdings nicht aus dem „Letzten Abendmahl“, sondern der Kuss, mit dem Judas Jesus verraten wird.
Das auf der Bühne liegende Kreuz wird während der Show zum zentralen Requisit und dient mal als Verbindungssteg zwischen dem hinteren, höheren Bereich der Bühne mit dem Vorderen, mal als Tafel für das letzte Abendmahl oder – sehr eindrucksvoll – bei „Gethsemane“ als Rampe, von deren höchsten Punkt Jesus seine Zweifel klagt. Wenn zum Ende der Show Jesus ans Kreuz geschlagen und dieses dann aufgerichtet wird, gelingt nochmal ein besonders symbolträchtiges Bild: Jesus wirkt im Verhältnis zu dem riesigen Kreuz geradezu winzig. Gleiches gilt für das Verhältnis von ihm zu der im Hintergrund immer noch hängenden Statue des Heilands.
Kraftvoll treibend und unglaublich nuanciert wie selten in einem Open-Air-Theater klingt die Musik aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Christoph Wohlleben. Bereits die Ouvertüre katapultiert das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes in die Story hinein. Es ist eine wahre Freude zu hören, mit wieviel Elan und Hingabe die 24 Musiker den mal rockigen, mal souligen und mal ruhig tragenden Score Lloyd Webbers spielen. Die Abmischung zwischen Orchester und Gesangsstimmen ist sehr gut gelungen. Die Texte sind auch in den Ensemblenummern jederzeit gut zu verstehen. Das ist umso erfreulicher, da man in Bad Hersfeld die nicht so häufig gezeigte deutschsprachige Fassung spielt.
Ein äußerst glückliches Händchen haben die Bad Hersfelder in diesem Jahr bei der Besetzung von „Jesus Christ Superstar“ bewiesen. Angefangen vom Ensemble, das unter dem Motto „Den König spielen die anderen“ ihren Heiland derart ekstatisch verehren, dass Jesus Christus in dieser Inszenierung tatsächlich zum titelgebenden ‚Superstar‘ avanciert. Die von Melissa King erdachten Choreographien mit ihren vielen schwindelerregenden und teils akrobatischen Elementen bewerkstelligt das Ensemble mit einer bemerkenswerten Mühelosigkeit, die der ohnehin schon straff inszenierten Show nochmal ein besonderen Drive gibt.
„Jesus Christ Superstar“ hat neben den drei großen Hauptrollen einige interessante Nebenrollen, die ebenfalls allesamt hervorragend besetzt sind: Holden Madagame ist als Hohepriester Annas ein toller wadenbeißenden Fiesling. Frank Josef Winkels vermag es, „Pilatus‘ Traum“ nicht nur mit seiner warmen, nachdenklichen Stimme, sondern auch mit seiner Mimik und Gestik einen ganz eigenen Charakter zu geben. Rob Pelzer legt Herodes in einer Mischung aus witzig-skurril und total wahnsinnig aus. Während „Herodes‘ Song“ bleibt dem Publikum immer mehr das Lachen im Halse stecken.
Bei der Besetzung der Hauptrollen könnte es die Bad Hersfelder Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“ jederzeit mit einem West-End- oder Broadway-Revival aufnehmen: In der Titelrolle steht Andreas Bongard auf der Bühne. Mit all der Angewidertheit über dem Kult an der Person Jesus und dem Zweifel, dem er sich dann bei seinem großen Solo „Gethsemane“ hingibt, gelingt ihm eine zutiefst menschliche Darstellung. Seine Stimmfarbe und sein Volumen haben einen großartigen Wiedererkennungswert und hallen auch lange nach der Show noch im Ohr.
Sidonie Smiths wunderbar soulige Stimme ist wie geschaffen für die Songs der Maria Magdalena. Mit ihrem „Wie soll ich ihn nur lieben“ sorgt Smith für einen besonderen Gänsehaut-Moment in der Show und auch schauspielerisch schafft sie es, Maria Magdalena neue Aspekte abzugewinnen. In einem Moment vergöttert sie beinahe hysterisch gemeinsam mit Jesus‘ Jüngern ihr Idol und im nächsten Moment steht sie mit fragendem Blick am Rand der Bühne. So ist sie die eigentliche Verbindung zwischen der Figur des Jesus und seinen Aposteln. Sehr schön ist – auch weil es Sidonie Smith nochmal die Möglichkeit für einen größeren Auftritt im zweiten Akt der Show gibt – dass es das für die Filmversion von 1973 geschriebene Duett zwischen Maria Magdalena und Petrus „Lass uns neu beginnen“ ebenfalls in die Bad Hersfelder Inszenierung geschafft hat.
Alle Fäden bei „Jesus Christ Superstar“ laufen bei der Figur des Judas zusammen. Die Geschichte wird in großen Teilen aus seiner Sicht erzählt. Er ist Kommentator des Geschehens, Ankläger und Entlarvender der Scheinheiligkeit der Jünger und schließlich natürlich Verräter, der Jesus ans Messer liefert. Tim Al-Windawe vereinigt all diese Rollen in sich. Es ist spürbar, wie sich seine Zweifel immer höher schaukeln und er für sich keine andere Möglichkeit als den Verrat an Jesus sieht, an dem er dann ebenfalls zugrunde gehen wird. Al-Windawes führt mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz durch die Show. Bereits sein erster Auftritt bei „Weil sie ach so heilig sind“ strotzt geradezu vor Energie und Wut. Das Zusammenspiel zwischen den drei Hauptcharakteren Jesus, Judas und Maria Magdalena ist enorm authentisch.
Meist endet „Jesus Christ Superstar“ mit dem am Kreuz sterbenden Jesus. Stefan Huber nutzt die letzten Takte des Orchesterstücks „John 19,41“ allerdings nochmal für eines seiner Bilder, die diese Inszenierung so besonders machen. Er gibt eine mögliche Antwort auf die über der gesamte Show kreisenden Frage – nämlich ob Jesus tatsächlich Gottes Sohn ist. In der Bad Hersfelder Inszenierung löst Jesus zu den letzten Takten die Seile und Nägel mit denen er ans Kreuz genagelt wurde, steht auf und blickt ins Publikum.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Stefan Huber |
Musikalische Leitung | Christoph Wohlleben |
Choreografie | Melissa King |
Ausstattung | Okarina Peter Timo Dentler |
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CAST (AKTUELL) |
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Jesus von Nazareth | Andreas Bongard |
Maria Magdalena | Sidonie Smith |
Judas Ischariot | Tim Al-Windawe |
Pontius Pilatus | Frank Josef Winkels |
Kaiaphas | Matthias Graf |
Annas | Holden Madagame |
König Herodes | Rob Pelzer |
Apostel Simon u. a. | Ngako Keuni |
Apostel Petrus u. a. | John Baldoz |
Apostel Aquila u. a. | Thiago Fayad |
Apostel Johannes u. a. | Jürgen Strohschein |
Apostel Phillipus u. a. | Jaime Lee Rodney |
Apostel Bartholomäus u. a. | Danilo Brunetti |
Apostel Matthäus u. a. | Alan Byland |
Apostel Jakobus d. Ä. u. a. | Stefan Gregor Schmitz |
Apostelin Junia u. a. | Maria Mucha |
Apostelin Martha u. a. | Barbara Tartaglia |
Apostelin Priszilla u. a. | Sara Lynn Boyer |
Soul Girls u. a. | Ellie van Gele Danai Simantiri Guilia Vazzoler |
Herodes Show Girls u. a. | Janice Rudelsberger Taryn Nelson di Capri |
Priester u. a. | Joop Leiwakabessy Max Best Lemuel Pitts |
Anhänger u. a. | Daniel Záboj Johan Vandamme Laurent N'Diaye |
Swings u. a. | Samantha Turton Johan Vandamme |
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GALERIE |
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