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Der blutgierige Sweeney Todd bittet unter der Regie von Gil Mehmert ins Opernhaus Dortmund zur Rasur und sucht Rache. Die Inszenierung des Musical-Thrillers mit der imposanten Musik aus der Feder Stephen Sondheims lebt nicht nur von der großartigen Besetzung der Hauptrollen durch den Kammersänger Morgan Moody und Bettina Mönch. Der Dortmunder Opernchor stellt gemeinsam mit dem Ensemble der Folkwang Universität der Künste eine gigantische narrative Gesangskulisse dar, die dramatisch durch die Dortmunder Philharmoniker begleitet wird. Ein imposantes Bühnenbild und wunderschöne Kostüme entführen den Zuschauer nach London in das Zeitalter der Industrialisierung.
Benjamin Barker wird zu Unrecht vom durchtriebenen Richter Turpin nach Australien verbannt und kehrt nach 15 Jahren – gezeichnet und doch hoffnungsvoll – nach London zurück. Vom Schmerz über die Nachricht vom vermeintlichen Tod seiner geliebten Frau erfüllt und die Tochter in der Obhut seines Peinigers Turpins wissend, kehrt Barker die dunkelsten Seiten eines Menschen heraus und nennt sich nun Sweeney Todd. Lässt sich jedoch mit ausgelebter Rachsucht und Grausamkeit innerer Frieden finden, nur weil einem selbst Unrecht angetan wurde?
Gil Mehmert schafft es, seinen Sweeney Todd ebenso wie seine Mrs. Lovett so nah an den Zuschauer herantreten zu lassen, dass weniger ihre grausamen Taten erschrecken, sondern vielmehr, dass beide in der Gunst des Publikums stehen. Die Opfer-Täter-Umkehr wirkt nahezu nachvollziehbar und weniger pathologisch. Der Zuschauer schreckt vor sich selbst zurück, Empathie mit einem Mörder und dessen Gehilfin zu empfinden. In jedem Fall stiftet das Stück mit unzähligen Spitzen des schwarzen wie britischen Humors beste Unterhaltung.
Unter der musikalischen Leitung Koji Ishizakas spielen die Dortmunder Philharmoniker mit rund 40 Musikern an den Instrumenten voller Dramatik die opulente Partitur Stephen Sondheims. Der Dortmunder Opernchor rundet nicht nur den vollen Klang der Vertonung ab, sondern treibt in seiner Funktion, dem Buch von Hugh Wheeler entsprechend, den Fortlauf der Geschichte voran.
Es wirkt mal unheimlich, mal witzig, dass das Folkwang Ensemble allwissend, Vergangenheit, Zukunft und Fiktion versteht und für den Zuschauer in Wort und Spiel unterscheiden kann. Es wird sich u.a. des Alten Egos bedient, um die Geschichte der Hauptfigur dem Zuschauer noch zugänglicher zu machen. So wird nicht nur akustisch eine nahezu gespenstische Atmosphäre geschaffen, sondern auch optisch.
Das eindrucksvolle Bühnenbild von Jens Kilian wird bestimmt durch den übergroßen Ofen, in dem Mrs. Lovett ihre Fleischpasteten backt: Durch Nutzung der Klappen des Ofens und des Daches werden immer neue Spielräume eröffnet wie der Überseedampfer, das Studio des Barbiers, das Anwesen des Richters Turpin, Laden sowie Wohnung Mrs. Lovetts. Gespickt mit wenigen, aber präzise ausgewählten Requisiten finden schnelle Szenenwechsel oft ohne sichtbare Umbauten statt, da diese rasch durch die Bewegung der Hebebühne vermittelt werden oder nach dem Verschließen der Ofenklappen im Verborgenen stattfinden. Umrandet wird die Bühne durch eine Art Balkon, auf dessen Geländer der Opernchor als Kulisse für die Stadt London meist reglos herumlungert. Egal, welches Grauen und welche Intrigen vor sich gehen: Die Gesellschaft scheint von seiner eigenen Zeugenschaft der Gräueltaten völlig unbeeindruckt.
Falk Bauers Auswahl der viktorianisch angelehnten Kostüme beeindruckt durch hohe Kragen sowie Schönheit und Detailreichtum. Feine Stoffe und vornehme Ästhetik beherrschen die Garderobe der Figuren. Die Kleider der Damen wirken meist steif mit Korsett und Reifröcken, die Herren sind größtenteils mit vornehmen Anzügen und Melonen ausgestattet. Die Bösewichte werden vor allem in Rot gekleidet. Die Farbe lila bringt Witz nicht nur ins Farbenspiel, sondern kleidet auch entsprechende Charaktere wie Todds erstes Opfer Pirelli. Im Fortlauf der Geschichte werden beide Farben im Kostümbild Sweeney Todds und Mrs. Lovetts immer präsenter.
Geradezu scheußlich nachvollziehbar zeichnet Morgan Moody die Verrohung des so leidenschaftlichen Benjamin Barkers zu Sweeney Todd nach. Er scheint einen völlig anderen Charakter anzunehmen, da er nun – vom eigenen Schmerz verblendet – in rotes Scheinwerferlicht getaucht eine Kehle nach der anderen aufschneidet. Todd ist kein schablonenhafter Bösewicht und Moody gelingt es meisterlich, emotionale Brücken zum Zuschauer zu bauen. Dem Titel eines Kammersängers würdig, interpretiert er arienartig seine Titel, berührt durch sein gefühlvolles Timbre und wirkt dadurch trotz aller Brutalität seiner Figur unglaublich sensibel.
Bettina Mönch zeigt eine herrlich durchtriebene Mrs. Lovett und liefert ab – und zwar nicht nur Fleischpasteten! In ihrer sehr wortlastigen Rolle zeigt sie viel Geschick für ihr Handwerk und Präzision in Artikulation und Gesang. Kraftvoll und mit großer Leidenschaft poltert sie ihre Texte dem Publikum entgegen. Ihrem starken Spielpartner Moody begegnet sie somit auf Augenhöhe. Herrlich leicht scheint ihr eine Gemeinheit nach der anderen über die Lippen zu kommen. Ihre Mimik wirkt oft dem Irrsinn eines tatsächlich pathologischen Geistes entsprungen.
Die weitere Besetzung kann sich ebenfalls sehen und vor allem hören lassen: Harriet Jones als Johanna Barker und Jonas Hein als Anthony Hope beleben das Stück durch ihre jugendliche Leichtigkeit in Spiel und Gesang, auch wenn der Verlauf des Stückes ihre Figuren in dramatische Strudel und an den Rand des Wahnsinns treibt.
Julius Störmer zeigt als Tobias Ragg sehr deutlich auf, wie Grausamkeit einen jungen Charakter manipulieren kann. Vom naiven Jungen und Handlanger zum Rächer und Mörder zeichnet Strömer den charakterlichen Verfall bravourös lebendig und glaubhaft nach.
Der wahre Antagonist der Geschichte, der durch und durch boshafte Richter Turpin, wird von Andreas Laurenz Maier hervorragend in Spiel und Gesang interpretiert. Seine Mimik wirkt derart kühl, dass es den Zuschauer vor ihm ekelt: Sein Begehren der eigenen (Zieh-) Tochter wird spürbar mehr geahndet als Sweeney Todds Vielzahl an Morden sowie die nachhaltige Weiterverarbeitung der Leichname. Stimmlich trifft er passend hart in Mark und Bein und brilliert damit auf ganzer Linie.
Florian Sigmund als Büttel Bamford wirkt vor allem lästig in seiner Turpin gegenüber katzbuckelnden Art. Kälte und Grausamkeit werden ihm ebenfalls höher angerecht als dem Täter-Duo der Fleet Street. Im Spiel brillant und im Gesang präzise beeindruckt er durch sein Können.
Fritz Steinbacher als Adolfo Pirelli kommt verwirrungsstiftend in Kostüm und Maskerade nach Vorbild des Jokers nach Jerry Robinson mit großem Auftritt daher. Steinbacher füllt die Rolle des Blenders mit viel Charme aus.
Nina Janke fasst als sichtlich der Realität entrückte Bettlerin gleich bei ihrem ersten Auftritt ans Herz. Sie verleiht ihrer ambivalenten Figur etwas Kindliches, das es zu schützen gilt und das so gar nicht in den dämonischen Verlauf der Geschichte zu passen scheint. Gleichzeitig verkörpert sie etwas Krankes, Morbides. Passend singt sie ihre Passagen mal sanft, mal schrill und wirkt durchgehend geheimnisvoll.
Dieser Ohren- und Augenschmaus in der Oper Dortmund ist die Anreise ins Ruhrgebiet wert – mit dem ausdrücklichen Verweis darauf, dass der Gruselfaktor des Stückes nur wenig betont ist, sodass dadurch keine Hemmschwelle entstehen sollte.
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KREATIVTEAM |
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Musik und Gesangstexte | Stephen Sondheim |
Buch | Hugh Wheeler |
Orchestrierung | Jonathan Tunick |
Deutsche Fassung | Wilfried Steiner Roman Hinze |
Musikalische Leitung | Koji Ishizaka |
Regie | Gil Mehmert |
Bühne | Jens Kilian |
Kostüme | Falk Bauer |
Lichtdesign | Michael Grundner |
Sounddesign | Joerg Grünsfelder |
Dramaturgie | Nikita Dubov |
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CAST (AKTUELL) |
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Sweeney Todd | Morgan Moody |
Mrs. Lovett | Bettina Mönch |
Anthony Hope | Jonas Hein |
Johanna Barker | Harriet Jones |
Tobias Ragg | Julius Störmer |
Richter Turpin | Andreas Laurenz Maier |
Büttel Bamford | Florian Sigmund |
Adolfo Pirelli/Mr. Fogg | Fritz Steinbacher |
Bettlerin | Nina Janke |
Ensemble | Constanza Bonatti Anna Donosa-Danila Elena Franke Albert Gaßmann Jonathan Guth Anna Hirzberger Lino Kalich Maximilian Lochmüller Timm Moritz Marquardt Katalin Rohse Alina Simon |
mit dem | Opernchor Theater Dortmund Dortmunder Philharmoniker |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Sa, 30.11.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Fr, 06.12.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Fr, 27.12.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Mo, 30.12.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
So, 05.01.2025 16:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Sa, 11.01.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Sa, 25.01.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Sa, 15.02.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Fr, 14.03.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Do, 20.03.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
▼ 4 weitere Termine einblenden (bis 21.04.2025) ▼ | |||||||||
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So, 30.03.2025 16:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Do, 03.04.2025 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
So, 13.04.2025 18:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Mo, 21.04.2025 18:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
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TERMINE (HISTORY) |
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Do, 26.09.2024 18:00 | Opernhaus, Dortmund | Öffentliche Probe | |||||||
Sa, 12.10.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | Premiere | |||||||
Fr, 18.10.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
▼ 4 weitere Termine einblenden (bis 15.11.2024) ▼ | |||||||||
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So, 27.10.2024 18:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Sa, 02.11.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
So, 10.11.2024 16:00 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
Fr, 15.11.2024 19:30 | Opernhaus, Dortmund | ||||||||
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