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Macht, Ehre, Treue, Freundschaft, Loyalität, Respekt – darum kreisen die Gedanken und Taten der Protagonisten in „Drachenherz“, einer Neuinterpretation des „Nibelungenlieds“. Das Musical von Wolfgang Böhmer und Peter Lund wirft die Frage auf, in welcher Form diese Werte heutzutage noch von Belang sind – und ob es heute noch Platz für echte Helden gibt. In der dynamischen Inszenierung an der Neuköllner Oper werden die Charaktere gnadenlos mit dieser Fragestellung konfrontiert. Das neunköpfige, hochkarätige Ensemble um Denis Riffel überzeugt dabei gesanglich, schauspielerisch und tänzerisch vollends.
Das Regie-Dreigestirn, bestehend aus Peter Lund, Mathias Noack und Neva Howard, hat die Handlung, die sich lose am „Nibelungenlied“ orientiert, in die Gegenwart und in die Tristesse einer mitteldeutschen, strukturschwachen Kleinstadt versetzt. Langeweile, Aggression, Gewalt, Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit prägen die vorherrschende Grundstimmung („Freitag um eins“). Das gesellschaftliche Miteinander (oder auch Gegeneinander) gibt den Blick auf gescheiterte Existenzen und marode Familienstrukturen frei. Das Bühnenbild von Ulrike Reinhard verstärkt diesen Eindruck: graue Plattenbaukulisse, die lediglich von einem einzelnen Baum am linken Bühnenrand durchbrochen wird.
Umso besser für Günni (Florian Heinke), dass es seine Clique gibt, die loyal zu ihm steht und ihm aufs Wort gehorcht. Insbesondere für Hagen (Johannes Krimmel) steht zweifelsfrei fest, dass der Boss das Sagen hat („Der Boss“). Warum sich seines eigenen Verstandes bedienen, wenn es jemanden gibt, der Befehle erteilt? Die Möchtegern-Machos vertreiben sich die Zeit unter anderem damit, Schwächeren das Geld für den eigenen Bierkonsum aus der Tasche zu ziehen. Eines ihrer Opfer ist der Deutsch-Tunesier Nasir (Tristan Giovanoli), von der Clique abfällig „Abi-Ali“ genannt. Interessant ist die Begründung von Gangmitglied Baktus (Karim Plett) zur Diskriminierung von Nasir: Er hasse Nasir nicht, weil dieser Ausländer sei, sondern weil er aufs Gymnasium gehe.
Nichtsdestotrotz bestimmen auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit die Handlungen der Clique. In dem afrikanischen Flüchtling Woda (Ngako Keuni) glauben die Halbstarken Baktus und Tropi (Timo Stacey) ihr nächstes Opfer gefunden zu haben. Allerdings haben sie nicht mit dem Auftritt eines edlen Helden gerechnet. Wie aus dem Nichts erscheint Fred (Denis Riffel). Mit schöner Stimme besänftigend singend versucht er, die Krawallbrüder zum Einlenken zu bewegen. Er wirkt dabei tiefenentspannt und deeskalierend – im Gegensatz zu Baktus und Tropi, die sich auf ihn stürzen.
Die erste von mehreren furiosen Kampfszenen beginnt, in deren Verlauf Fred seine Gegner spielerisch einfach zum K.O. zwingt. Zusammen mit Kampfcoach Alfred Hartung haben Mathias Noack, Neva Howard und Peter Lund fantastische Choreografien kreiert, in denen die Darstellerinnen und Darsteller eindrucksvoll ihr Talent unter Beweis stellen können. Elemente aus Breakdance, Hiphop, Akrobatik und Kampfkunst kommen zum Einsatz. Der komplette Cast beweist eine unglaubliche Fitness, Ausdauer und Körperbeherrschung. An dieser Stelle sei betont, dass alle Akteurinnen und Akteure bis auf kleine Ausnahmen beinahe permanent auf der Bühne in Aktion sind. Das Stück fordert körperlich viel von ihnen – und die Darstellerinnen und Darsteller werden diesem Anspruch bravourös gerecht.
Zu den Höhepunkten von „Drachenherz“ zählt der mitreißende, mit Ohrwurmcharakter versehene Song „On the road“: ein wahres Feuerwerk an Gesang und Tanz, so dass das Publikum gar nicht weiß, wohin es zuerst schauen soll. Eingängig und berührend ist die Ballade „Wie ein Komet“, die die Gefühlslage einiger Figuren offenbart.
Liebe, Freundschaft, Treue und Ehre – das sind die großen Themen, die das Denken und Handeln von Günni, Fred und Co. bestimmen. Die Regie erlaubt jedem Charakter, ein wenig in die Tiefe zu gehen. Dadurch sind Baktus und Tropi mehr als bloße stumpfe Gefolgsleute – und Woda mehr als der vermeintlich hilflose Flüchtling.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Leistung der beiden Damen auf der Bühne: Nicola Kripylo spielt Günnis jüngere Schwester Jenny, eine Schönheit mit solidarischem Charakter, die von den Jungs verehrt wird (das lustigste Lied der Inszenierung: „Jenny“) und selbst von der großen Liebe träumt („Kleines blaues Einhorn“). Florentine Beyer mimt Brüning, das weibliche Gangmitglied, deren Drachenherz in einem Schloss aus Eis ruht („Der schlafende Drache“).
Vorangetrieben von Eifersucht, Neid, Provokationen, Manipulationen, Verrat und der alles entscheidenden Frage „Wann ist der Mann ein Mann?“ steuern die orientierungslosen jungen Menschen dem Finale zu. Ein Ritual nach afrikanischer Sitte soll Günni wieder Respekt und Anerkennung verschaffen. Doch es kommt anders; und letztlich bleibt mehr als einer auf der Strecke. Kenner des „Nibelungenlieds“ wissen, wie es mit dem Drachentöter und Helden Siegfried ausgeht. Gibt es auch heute, im 21. Jahrhundert, keinen Platz mehr für Helden?
„Drachenherz“ ist ein Ensemblestück, das seine Charaktere gleichberechtigt behandelt und auf diese Weise jedem Darsteller die Möglichkeit gibt, die ganze Bandbreite seines Könnens zu entfalten. Neben Denis Riffel, der aufgrund seiner Performance als Fred beeindruckt, stechen Karim Plett als Baktus und Florentine Beyer als Brüning besonders hervor. Fazit: „Drachenherz“ ist absolut sehenswert!
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KREATIVTEAM |
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Koproduktion der Theater Chemnitz und der Neuköllner Oper Berlin in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste Berlin | ||||
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Musik | Wolfgang Böhmer | |||
Buch | Peter Lund | |||
Musikalische Leitung | Hans-Peter Kirchberg | |||
Inszenierung | Peter Lund Mathias Noack | |||
Bühne und Kostüme | Ulrike Reinhard | |||
Choreografie | Neva Howard |
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CAST (AKTUELL) |
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Günni | Florian Heinke | |||
Hannes | Johannes Krimmel | |||
Brüning | Florentine Beyer (Sophia Euskirchen) | |||
Tropi | Timo Stacey | |||
Jenny | Nicola Kripylo | |||
Nasir | Tristan Giovanoli | |||
Fred | Denis Riffel | |||
Woda | Ngako Keuni | |||
Baktus | Karim Plett | |||
Drachenherz-Band |
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GALERIE |
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TERMINE |
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