Wer hat den Wildtier-Experten Peter Hirtenberg umgebracht? Vier tierische Parkbewohner decken in diesem neuen, urkomischen Musical voller Wortwitz und Klischee-Typen den Mordfall auf. Auch dank des tollen Darsteller-Quartetts ein tierisch guter Abend! Enttäuschend sind lediglich die oft belanglosen Kompositionen von Wolfgang Böhmer.
Das schlüpfrige Youtube-Video „Rabbit fucking Faye“ liefert den Beweis: Während sich im Vordergrund der Langohr-Rammler Sechser im Drogenrausch mit der Füchsin Faye aus dem Märkischen Viertel körperlich vergnügt, ist im Hintergrund der Mord am Naturschützer und Tierfreund Peter Hirtenberg dokumentiert. Das entlastet den eigentlich vegan lebenden, aus Kanada nach Berlin eingewanderten Hiptster-Waschbären Wash, der kaum glauben kann, dass er der Fleischeslust gefrönt haben soll. Gemeinsam mit der schwangeren Kreuzberger Türkentaube Ülker decken die vier Tiere die Bluttat im Görlitzer Park auf. Wer der Täter ist, wird hier natürlich nicht verraten, nur dass er seine gerechte Strafe erhält, indem er mit einem Bus der Linie M29 kollidiert.
Robert Löhrs sehr lustige, oft auch recht derb-anarchische Vorlage (Songtexte: Tom van Hasselt) mit allerlei weiteren animalischen Parkbewohnern, strotzt nur so vor Anspielungen und Vorurteilen rund um Berlin und die Berliner. So kommt der Klischee-Bewohner aus dem Szene-Bezirk Prenzlauer Berg selbstverständlich aus Biberach und ist ein schwäbelnder Prenzlbiber. Der zwielichtige Automarder Jerzy stammt natürlich aus Polen. Und auch der Mutter aller Tiermusicals setzt Löhr mit der bettelnden Tussi-Katze Bella ein verschmitztes Denkmal. Wenn sie ihr Leben lässt, steigt sie aus dem aus der Originalinszenierung des Lloyd-Webber Musicals bekannten Zottelmantel und hüpft zum Song „Die Achtziger sind tot“ in einem bunten Aerobic-Anzug von der Bühne.
Hier verlässt Wolfgang Böhmers vom Band eingespielte Partitur endlich ausgelatschte Pfade und hat als Neue-Deutsche-Welle-Parodie sogar Hitpotenzial. Die restlichen Kompositionen hören sich so an, als hätte man sie schon einmal irgendwo gehört und sind eher Begleitmusik – wobei Böhmers Rap- und Rocknummern wie „Welcome to Berlin“ besser zünden als die eher langweiligen Balladen.
In seiner Inszenierung setzt Regisseur Denis Fischer ganz auf Tempo und zeichnet liebevolle wie aberwitzige tierische Typen. Geniale Unterstützerin ist Ausstatterin Jenny Dechêne. Sie hat nicht nur originell und humorvoll gestaltete Tierkostüme entworfen, sondern schafft auch mit einer einzigen überdimensionalen Parkbank nebst Papierkorb die passende Grünanlagen-Dekoration, in der sowohl turbulente Action als auch eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte genug Raum haben.
Getragen wird der Abend durch vier geniale Darsteller, denen man mit überdrehtem Spiel, gut sitzenden Pointen und einwandfreiem Gesang den Spaß an der Sache anmerkt. Emma Rönnebeck ist die immergeile, leicht prollige Füchsin Faye mit großer Schnauze, die erst ganz zum Schluss entdeckt, dass sich Fuchs und Hase nicht nur gute Nacht sagen müssen. Als unglücklich verliebten Nerd mit Klischee-Horn-Brille und allerlei Unverträglichkeiten spielt Christian Näthe das Kaninchen Sechser, das sich zum Song „Ich will zurück auf meine Insel“ selbst auf der Gitarre begleitet. Lars Kemter nimmt als Waschbär Wash die Anführerrolle ein und ist als Macho-Schäferhund Rex ein peinlich-penibler ehemaliger Ordnungshüter. In gleich vier Rollen (Türkentaube Ülker, Automarder Jerzy, katzengrasabhängige Berberkatze Bella und Prenzlbiber) glänzt Konstanze Kromer in verschiedenen Dialekten und spielt viel komisches Talent aus. Das Darsteller-Quartett ist eine einfach traumhafte Besetzung und wird bei der Uraufführung zu Recht vom Publikum gefeiert.
Allen Berlinern und Berlin-Fans sei der Besuch dieses vergnüglichen, animalisch-anarchischen Musicalabends wärmstens ans Herz gelegt. Wer sich nicht so gut in der Hauptstadt auskennt, dürfte trotzdem seinen Spaß haben, auch wenn sich dann einige Pointen nicht erschließen. Unterm Strich: einfach tierisch gut!
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Mehrere Begriffe ohne Anführungszeichen = Alle Begriffe müssen in beliebiger Reihenfolge vorkommen (Mark Seibert Hamburg findet z.B. auch eine Produktion, in der Mark Müller und Christian Seibert in Hamburg gespielt haben). "Mark Seibert" Wien hingegen findet genau den Namen "Mark Seibert" und Wien. Die Suche ist möglich nach Stücktiteln, Theaternamen, Mitwirkenden, Städten, Bundesländern (DE), Ländern, Aufführungsjahren...