© Guido Harari
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Ute Lemper: Time Traveler (seit 03/2024)
Stadttheater, Fürth

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Beinahe transzendental schreitet sie aus der Dunkelheit heraus auf die kleine Bühne im Dachgeschoss der Darmstädter Centralstation und beginnt mit hypnotischem Duktus das Publikum in ihren Bann zu ziehen: „La Lemper“ ist in Deutschland mit einem einzigartigen Konzertformat unterwegs, das als eine fließende Mélange aus Lesung und Konzert beschrieben werden kann. Dabei lässt die Lemper durch ihre charismatische Ausstrahlung und große Stimme keinen Zweifel daran, in der Präsenz einer Ausnahmekünstlerin verweilen zu dürfen.

Ute Lemper hat 2023 anlässlich ihres 60. Geburtstages die Autobiographie Die Zeitreisende und das Album Time Traveler herausgebracht. Beide Werke finden sich in dieser Konzerttour wieder: Lemper verbindet nahtlos Gesangspassagen mit ein- und überleitenden Rezitationen aus ihrem Buch, sodass eine Mischung aus Lesung und Liederabend entsteht, die so kunstvoll durch instrumentale Orchestrierungen miteinander verbunden ist, dass beinahe so etwas wie ein Musical-Narrativ zu entstehen scheint. Eingewoben in das Konzert sind außerdem zeitlose Chansons von Édith Piaf (La Vie en Rose) und Marlene Dietrich, die Lempers Karriere begleitet haben, sowie Werke aus ihren vorherigen Konzertformaten, wozu Lieder von Kurt Weill und vertonte Gedichte von Pablo Neruda zählen.

Mit getragener Erzählstimme und träumerischem Duktus schwelgt Lemper in den narrativen Passagen des Abends in Erinnerungen: Sie berichtet von ihrem einengenden Elternhaus, ihrer zeitlebens schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter, der Zeit ihres Musical-Durchbruchs in Paris, ihrer frühen Karriere im Kontrast zwischen Wien und Berlin, den Musicals Cats, Cabaret und Chicago und ihrem Leben als mehrfache Mutter in New York. Dabei illustriert sie die einzelnen Lebensphasen, die sie nicht chronologisch, sondern im Fluss der Musik symbiotisch einstreut, mit den Liedern jener Künstler, die sie inspiriert haben und deren Werke sie in ihrer Karriere interpretierte. Die einzelnen von einem Pianisten und einem Bassisten virtuos begleiteten Songs sind so arrangiert, dass sie kunstvoll ineinander übergehen, wodurch die Grenzen zwischen den Werken und den Zeiten, in denen sie entstanden sind, fließend wirken. Lemper selbst bedient dabei die exotisch aussehende Shruti-Box, die, klingend wie ein Akkordeon, einen kontinuierlichen Klangteppich erzeugt und so den Grundton sowohl für ihre verträumten Eigenmelodien als auch die getragenen Volkslieder und Chansons liefert.

Als gegen Anfang des Konzerts die Lemper flüsternd das Klicken der Kameras nachahmt und die Fotografin mit Aller, ma petite, c’est la musique bedenkt, wird spätestens in diesem Moment allen die Präsenz einer wahren internationalen Broadway-Diva im besten Sinne deutlich. Besonders unterhaltsam stellt Lemper dabei ihre Zeit bei Chicago dar. Mit beeindruckender muscle memory zeigt sie in einer selbstironischen Version von All that Jazz, dass sie alle ikonischen Posen ihrer damaligen Figur noch mühelos darstellen kann und verrät dem Publikum zeitgleich gesanglich, was die Rolle ihr körperlich abverlangt hat und welche physischen Folgen diese nach sich zog. So singt sie auch and all that Ibuprofen … and all that booze, welches sie wohl seither eingenommen hat, während sie von ihren mehrfachen Bandscheibenvorfällen erzählt, die ihr die Fosse-Moves eingebracht haben.

Ein weiteres Highlight kreiert die Lemper, als sie ihren fast schon legendären Telefonanruf mit Marlene Dietrich in bester Diseusen-Manier wiedergibt – in dem, wenn man Lemper Glauben schenken mag, neben großen Lebensweisheiten auch eine ausgefleischte Charakterstudie der Dietrich über die Strippe gelaufen ist. Mit Sag mir wo die Blumen sind, Ich bin die fesche Lola und Die Antwort weiß ganz allein der Wind nehmen Dietrich-Lieder einen prominenten Platz in Lempers Konzert ein. Dabei wechselt sie als Vorzeige-Kosmopolitin fließend zwischen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch umher und interpretiert auch in jiddischer Sprache einige bewegende Volkslieder aus der NS-Zeit sowie Werke verfolgter jüdischer Kunstschaffender wie die von Kurt Weill, in deren Interpretation sie einen ihrer Lebensaufträge sieht. Die Gedanken, die Lemper zu den Künstlern und den Entstehungszeiten, aber auch zu ihrer eigenen Auffassung des Menschseins über den Abend hinweg teilt, sind tiefgründig, lyrisch und inspirierend.

Dass Lemper stimmlich sämtliche Fächer von Chanson und Weisen der Weimarer Zeit über Jazz, Blues und Swing bis hin zu Musical-Beltinghymnen alles bedienen kann, stellt sie in Darmstadt beeindruckend mit jeder Faser ihres Körpers unter Beweis – selbst die stimmliche Imitation eines Saxophons baut sie gekonnt in die Songs ein. Dabei bedient sie ihr Mikrofon wie ein eigenes Instrument und weiß genau, wie sie es manövrieren muss, um perfekt zu klingen – vom Mundwinkel über das Nasenbein wandert es an Lempers Gesicht entlang und trägt auch die leisesten Töne ihres Klangkörpers hautnahe an den Zuhörer heran.

Das Publikum ist über den Abend mucksmäuschenstill und taucht ganz in Lempers Welt ein, die oftmals auch schmerzvolle und sehnsuchtsreiche Momente in ihrem Konzert zelebriert und zum Nachdenken anregt. Die Lieder ihres Albums, die sie zum Besten gibt, sind unter anderem At the Reservoir und das Titellied Time Traveler, die genau wie der ganze Liederabend zwischen den Genres beinahe grenzen- und zeitlos ineinander übergehen.

Ein kurzweiliger und doch tief berührender, auf allen Ebenen besonderer Abend der vielleicht bekanntesten Musical-Diva Deutschlands, an dem die Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft im musikalischen Äther dahinfließt.

 
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CAST (AKTUELL)
mitUte Lemper
  
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TERMINE
Fr, 31.01.2025 19:30Opernhaus, Kassel
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 16.03.2024 19:00Zeiss Forum, Oberkochen
Sa, 13.04.2024 20:00Festung Ehrenbreitstein, Koblenz
So, 14.04.2024 20:00Pavillon, Hannover
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