Ensemble © Britt Schilling
Ensemble © Britt Schilling

Company (seit 01/2024)
Großes Haus, Freiburg im Breisgau

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Zu Bobbys 35. Geburtstag organisieren seine Freunde eine Überraschungsparty. Die Clique treibt vor allem eins um: Bobby ist immer noch unverheiratet. Doch die verschiedenen Szenen diverser Ehen, in die er im Laufe des Stücks involviert ist, machen Bobby nicht wirklich Lust auf eine feste Bindung. Der komödiantische Beziehungsreigen, den Stephen Sondheim auf Grundlage von insgesamt elf Einaktern von George Furth ablaufen lässt, ist ein Feuerwerk von Sondheimschen Kleinoden. Die Freiburger Produktion lebt von einer bunten Besetzung aus Musiktheater und Schauspiel. Man merkt, wie es alle Beteiligten reizt und freut, mal etwas anderes zu machen – inklusive Rad schlagen und Spagat.

Beim Cast der “Company”-Uraufführung 1970 legte man mehr Wert auf die Schauspielkunst als auf Gesang. Stephen Sondheim schrieb die Songs den Beteiligten auf den Leib. So kommt es, dass einige Figuren anspruchsvollere Passagen zu singen haben, während bei anderen der Schwerpunkt in der Darstellung liegt. Insofern ist die Entscheidung, in dieser Produktion auf Musical-Gäste zu verzichten, schon ein wenig in den Genen des Stücks verwurzelt. Besonders die Mitglieder des Opernensembles überraschen durch ihre überzeugenden und komischen Schauspielleistungen. An passenden Stellen greifen sie auf klassischen Gesang zurück, aber sie scheinen es sehr zu genießen, ihre Stimmen mal anders klingen zu lassen. Die Schauspielkolleginnen und -kollegen haben die Rollen mit weniger Gesangsanteil, aber auch hier gibt es keinen Grund zu klagen. In “Side By Side” müssen sie noch dazu, choreografiert von Graham Smith, nach allen Regeln des klassischen Musicals die Beine werfen.

Im Freiburger Ensemble befindet sich die Idealbesetzung der Hauptrolle: Jakob Kunath hat den Charme und das Aussehen, um Bobby zum Schwarm nicht nur der Frauen zu machen. Er nimmt in ernsteren Momenten auch emotional mit und sein voller, wohlklingender Bariton hat die Kraft, die die fordernden Songs “Marry Me a Little” und “Being Alive” brauchen. Fantastisch!

Aus dem harmonischen Ensemble rund um Bobby stechen vier Darstellerinnen besonders hervor: Natasha Sallès, Sara De Franco, Inga Schäfer und Lila Chrisp. Sallès, De Franco und Schäfer legen als Ex-Freundinnen-Trio mit “You Could Drive a Person Crazy” eine mitreißende Andrews-Sister-Hommage hin. Chrisp begeistert als Amy mit dem urkomischen “Getting Married Today”, einem der schwersten Songs der Musical-Literatur, in dem in einer Strophe 68 Worte in ungefähr elf Sekunden gesungen werden müssen.

Ohne den Einsatz von Bonnie Frauenthal hätte die besuchte Vorstellung allerdings nicht stattfinden können. Frauenthal, Mitglied des Opernchors, springt für die erkrankte Laura Palacios als Joanne ein. Ihr Solo “The Ladies Who Lunch” singt sie ohne Hilfsmittel, ihre sonstigen Texte liest sie vom Smartphone ab. Das lenkt nicht ab, denn der ständige Smartphone-Einsatz ist in dieser Inszenierung nichts Ungewöhnliches. Regisseur Joan Anton Rechi nutzt ihn als Stilmittel, um die Handlung von den 1970er Jahre in die Jetztzeit zu verlegen. Dass Bobby – nach Empfinden seiner Freunde – nicht einfach nur eine feste Freundin braucht, sondern gleich heiraten muss, oder dass alle Ehefrauen “nur” Hausfrau und Mutter zu sein scheinen, verortet das Stück trotzdem in seinem Uraufführungsjahrzehnt. Dazu tragen auch die Träume aus Polyester bei, die Sandra Münchow als Kostüme entworfen hat. Dem veralteten Punkt “Ehe” könnte man mit kleinen Textänderungen beikommen. Die langen Schauspielszenen haben generell Kürzungspotenzial, das Rechi nicht ausnutzt und dadurch das Tempo des Stücks nicht immer halten kann. Auch die Szenen, die zu – mal treffendem, mal übertriebenem – Klamauk ausarten (beispielsweise der Besuch bei der gerade Diät machenden Sarah und ihrem Mann Robert, der sich gerade auf Alkoholentzug befindet, oder das Kiffen mit Jenny und David) ziehen sich in die Länge.

Der Grund, warum die Lieder mal in der deutschen Übersetzung und mal im englischen Original gesungen werden, erschließt sich beim Zuschauen nicht. Das Theater nennt einige Punkte, die diese Entscheidung begründen. Das Produktionsteam habe bei “You Could Drive a Person Crazy” und “Side by Side” den Originaltext benutzt, weil die Musik typisch amerikanische Unterhaltungsmusik zitiere. Außerdem spiegele sich auf diese Weise der internationale Background des Ensembles wider. Die Engländerin Lila Chrisp wechsele bei “Getting Married Today” in ihre Muttersprache, weil ihre Figur Amy einen hysterischen Anfall habe. Dieser Song sei auch wegen des hohen Tempos auf Deutsch schlechter zu verstehen. Es bleibt trotzdem die Frage, warum man sich dann nicht gleich entschlossen hat, die Songs komplett im Original zu belassen. Der gesprochene Text bleibt weitestgehend auf Deutsch. Die Akzente einiger Sängerinnen und Sänger sind hörbar, aber stehen dem Verständnis nie im Weg. Wird auf der Bühne Deutsch gesprochen oder gesungen, gibt es englische Übertitel – so wie es an vielen Stadttheatern mittlerweile üblich ist, um damit ein Publikum anzusprechen, das keine oder schlechte Deutschkenntnisse besitzt. Wechselt bei dieser “Company”-Produktion der Bühnentext ins Original, dann kommen deutsche Übertitel – ein Sprachendurcheinander.

Das Philharmonische Orchester Freiburg wird von Johannes Knapp durch Sondheims Partitur geleitet. Die Musikerinnen und Musiker treffen den leichten, komödiantischen Ton, und können sich, etwa bei “Being Alive”, zu klanggewaltigem Pathos aufschwingen. Die Mischung als Gesang und instrumentaler Begleitung war in der besuchten Vorstellung nicht immer optimal, wobei das Orchester dabei den Kürzeren gezogen hat.

Sebastian Ellrich stellt in seinem Bühnenbild überdimensionale mobile Buchstaben auf die Bühne, die das Wort “Company” ergeben. An sich sind sie – wie Bobbys Kostüm – Schwarz und Weiß. Michael Philipp lässt sie in seinem Lichtkonzept farbig ausleuchten. Damit passen sie zu den knallbunten Kostümen von Bobbys Freunden. Die Buchstaben werden als Räume bespielt – das M etwa als Wohnzimmer, das Y als Balkon und in das C kann sich Bobby bequem hineinlegen. Eine geschickte Lösung für die vielen Orte der Handlung.

“Company” steht hierzulande selten auf den Spielplänen. Da ist es umso schöner, dass es in dieser Spielzeit zeitgleich in Freiburg und Koblenz gespielt wird. Bei der Uraufführung stieß das Musical noch auf Unverständnis, weil keine “richtige” durchgehende Geschichte erzählt wird. Auch ob sich die Episoden wirklich zutragen oder sie nur in Bobbys Kopf als Fantasie oder Erinnerung stattfinden, bleibt in der Schwebe. Songs, die die Handlung vorantreiben, gibt es wenige; die meisten werden von außenstehenden Figuren kommentierend zur aktuellen Szene gesungen. Die Sehgewohnheiten scheinen sich geändert zu haben, denn das Freiburger Publikum fremdelt nicht mit Sondheims Werk und bejubelt verdientermaßen das hauseigene Ensemble.

“Company” ist ein Stück, das in einigen Punkten in die Jahre gekommen sein mag. Wegen der großartigen Musik und des zwar ungewöhnlichen, aber sehr unterhaltsamen Buchs lohnt sich eine Aufführung – und ein Besuch in Freiburg – aber allemal. 

 
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KREATIVTEAM
InszenierungJoan Anton Rechi
Musikalische LeitungJohannes Knapp
ChoreografieGraham Smith
BühneSebastian Ellrich
KostümeSandra Münchow
 
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CAST (HISTORY)
Robert BobbyJakob Kunath
SarahJanna Horstmann
HarryVictor Calero
SusanAlina Kirchgäßner
PeterRaban Bieling
JennyMaeve Höglund
DavidLorenz Kauffer
AmyLila Chrisp
Melissa Serluco
PaulMingyu Ahn
JoanneLaura Palacios
LarryRoberto Gionfriddo
AprilSara De Franco
MarthaInga Schäfer
KathyNatasha Sallès
OrchesterPhilharmonisches Orchester Freiburg
  
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TERMINE
So, 28.04.2024 15:00Großes Haus, Freiburg im Breisgau
Fr, 03.05.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im Breisgau
Sa, 04.05.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im Breisgau
Do, 16.05.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im Breisgau
So, 26.05.2024 18:00Großes Haus, Freiburg im Breisgau
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 27.01.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im BreisgauPremiere
Do, 01.02.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im Breisgau
Sa, 10.02.2024 19:30Großes Haus, Freiburg im Breisgau
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