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 Film-Adaption
Shrek Ab in den Sumpf
©Andre Havergo
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Verbannte Märchenfiguren, eine eingesperrte Prinzessin, die vom Drachen bewacht wird, ein selbstgefälliger Winzlings-Lord mit großen Ambitionen, ein lustiger Esel, ein manierloser Oger und zahllose tanzende Ratten – die erste Großproduktion der Freilichtspiele Tecklenburg in dieser Saison ist ein Fest für alle, die märchenhaft Fantastisches mögen. Mit viel schrägem Humor und Pop-Kultur-Anspielungen, bietet die Polit-Parabel rund um den grünen Oger 'shreklich'-kurzweiligen Spaß für Groß und Klein. Liebhaber fantasievoller, detailreicher Kostüme und spritziger, innovativer Choreografien kommen ebenfalls voll auf ihre Kosten.
(Text: Silke Milpauer) Premiere: | | 17.06.2017 | Rezensierte Vorstellung: | | 17.06.2017 | Letzte bekannte Aufführung: | | 27.08.2017 |
© Andre Havergo
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"Vorsicht Oger" warnen die Schilder, die in Tecklenburg derzeit überall zu finden sind - und sei es nur in Bierdeckel-Form in den diversen Restaurants. Schon beim Betreten des Zuschauerraums der Freilichtbühne kann man ihn dann auch schon sehen: den Sumpf, in dem der gefürchtete Oger lebt. Die Bühnenbildner haben ganze Arbeit geleistet und die bekannte Steinformation in der Bühnenmitte mit viel grüner und brauner Farbe, Pappmaché und diversen Tauen in Shreks geliebte Heimat verwandelt. Auch hier finden sich Warnschilder, die auf den unleidlichen Oger hinweisen. Auf der Anhöhe rechts von der Bühne sind drei verschieden große Turmzimmer aneinandergereiht, in denen später nacheinander die kleine Fiona, Fiona als Teenager und schließlich die erwachsene Fiona auf Rettung durch einen edlen Ritter hoffen. Einfach wird dieses Unterfangen sicherlich nicht; soviel verrät schon der sich davor schlängelnde lilafarbene Drachenschwanz. Am linken Bühnenrand schließlich, gekennzeichnet durch drei hochkant errichtete Wellbleche, befindet sich die Heimat des diktatorischen Herrschers Lord Farquaad.
© Heiner Schäffer
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Die Kulisse macht Lust auf mehr und signalisiert bereits, dass sich Tecklenburg den Oger-Spaß einiges hat Kosten lassen. Auch die kurzweiligen Eröffnungssequenzen bestätigen diesen Eindruck: Neben Shrek und Fiona, deren bisherige Lebensgeschichten zunächst szenisch umrissen werden, treffen wir erstmalig auf die Märchenfiguren, die der selbstgerechte Lord Farquaad aufgrund ihrer Andersartigkeit aus seinem Reich verbannt hat. Welch eine Kostümschlacht! Max, Moritz, Struwelpeter, Rotkäppchen, Pinocchio & Co. warten mit jeder Menge bunter, liebevoll ausgearbeiteten Kostüme auf. Karin Alberti konnte sich beim Entwerfen der unterschiedlichsten Kostüme voll ausleben und die Kostümabteilung muss die letzten Monate unter Hochdruck gearbeitet haben: Es galt nicht nur Soldatentruppen, einfaches Volk, Lords und Ladies, Drachen und Ratten einzukleiden, sondern auch, der beweglichen Naturkulisse in Form von Sonnenblumen und Bäumen Gestalt zu verleihen. Hand in Hand mit dem Maskenbild (Elke Quirmbach/Stefan Becks) und der Maske (Philip Hager/Gülfidan Söylemez) erhält so jedes Element aus der Shrek`schen Welt sein ganz eigenes charakteristisches Äußeres.
© Holger Bulk
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Tetje Mierendorf passt als Shrek wie die Faust aufs Auge und spielt die Titelrolle mit trockenem Humor und einer gehörigen Portion Selbstironie. Sein exzellentes Schauspiel lässt gerne darüber hinwegsehen, dass er nicht der perfekte Sänger ist. An seiner Seite genießt es Roberta Valentini sichtlich, sich auch einmal fernab von dramatischen Rollen ausleben zu dürfen. Sie gibt eine herrlich lebensdurstige, uneitle und streckenweise durchgeknallte Prinzessin Fiona, die dem stereotypen Bild von hübschen, aber hirnlosen Prinzessinnen eine klare Absage erteilt. Großartig das Zusammenspiel von Mierendorf und Valentini am Ende des ersten Akts, wenn das schräge Paar schließlich in rülpsender und furzender Weise ihre Gemeinsamkeiten – und wachsende Sympathien füreinander – entdeckt.
© Heiner Schäffer
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Gesanglich wie darstellerisch herausragend und mit viel komödiantischen Talent präsentiert sich Thomas Hohler als dauerquatschender Esel, der hartnäckig und treu an der Seite des oft mürrischen Heldens verbleibt. Hervorragend ist auch Robert Meyer als Lord Farquaad, den er arrogant und selbstverliebt auslegt. Die Rolle verlangt Meyer auch körperlich einiges ab, da er permanent auf Knien herumrutschen muss, um den Winzling mit Vater-Komplexen zu geben. Der Schlagabtausch, als er am Ende auf seinen Vater trifft und sein vermeintliches Kindheits-Trauma aufarbeiten will, erheitert den Zuschauerraum: "Du hast mich im Wald verlassen!" – "Du warst 28 und hast über der Garage gewohnt!" Kurze, pointierte Wortwechsel wie dieser ziehen sich durch das gesamte Stück und strapazieren die Lachmuskeln ordentlich.
© Holger Bulk
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Das Ensemble hat insgesamt viel zu tun, liefert aber durchweg ab. Besonders die Szene, in der Fiona dem Rattenfänger von Hameln (Christian Fröhlich) zeigt, wo es langgeht, beeindruckt: Da steppen sogar die Ratten! Es ist eine Freude, Kati Heidebrechts Choreografien anzuschauen: mal spritzig und leichtfüßig, mal zackig-militärisch wie beim parodistischen Aufmarsch von Lord Farquaads Truppen, aber immer innovativ und mit viel Gefühl individuell auf die jeweiligen Charaktere abgestimmt. Aus dem Ensemble besonders hervorzuheben ist Jennifer Kohl, die als liebestolle Drachendame mit unter die Haut gehender Stimme eine exzellente gesangliche Leistung zeigt. Ob es darum geht, Naturkulisse in Form von Bäumen oder Sonnenblumen darzustellen oder die Bewohner von Duloc zu mimen: Auf den großen Chor und die Statisterie Tecklenburgs ist auch in diesem Jahr Verlass.
© Holger Bulk
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Giorgio Radoja feiert in dieser Saison als musikalischer Leiter von "Shrek" seine Tecklenburg-Premiere und dirigiert das große Orchester sicher durch die Partitur von Jeanine Tesori. Nett ist die Musik allemal, auch wenn kein Song so richtig hängenbleiben will. Doch "Shrek" bietet auch ohne Ohrwürmer beste Unterhaltung, wenn man es schräg mag und zum Lachen nicht in den Keller geht. Sound- und Lichtdesign (Sven Trees, Dieter Basner /Roman Dudzinksi) zeigen sich ebenfalls von ihrer besten Seite.
© Andre Havergo
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Regisseur Ulrich Wiggers versteht es vortrefflich, seinen Charakteren Leben einzuhauchen und ihr Handeln transparent zu machen. Dabei lässt Wiggers den gesamten Zuschauerraum bespielen und bindet das Publikum an einigen Stellen interaktiv ins Geschehen ein. So hat der Zuschauer das Gefühl, Teil der Handlung zu sein und ist emotional wesentlich involvierter.
© Holger Bulk
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Wiggers inszeniert kurzweilig und doch mit dem nötigen Schwerpunkt auf Details. Außerdem bringt er zahlreiche Anspielungen auf die Pop-Kultur ein, etwa wenn plötzlich der Ruf des Spotttölpels aus "Die Tribute von Panem" erklingt. Gröhlendes Gelächter erntet er auch, wenn Shrek nach seiner Ankündigung eine drei Meter hohe Mauer um seinen Sumpf bauen zu wollen, in bester Trump-Manier in Richtung des Esels hinzufügt: "Und du wirst sie bezahlen." Auf viel Anklang stößt Wiggers' Idee, Lord Farquaad mit einem Mini-Roller eine kleine Rampe zur Mitte der Bühne herunterfahren zu lassen: Das sieht nicht nur jedes Mal aufs Neue witzig aus, sondern untergräbt auch das Bild des ernstzunehmenden Herrschers, das Farquaad von sich zeichnen möchte. Der inszenatorische Kniff ist dabei gleichermaßen lustig wie pragmatisch, denn so werden Meyers Knie zumindest etwas geschont.
© Holger Bulk
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Trotz allem Spaß und Klamauk: Es besteht kein Zweifel daran, dass sich hinter der märchenhaften Geschichte von Shrek, Fiona & Co eine politische Parabel versteckt. Die Märchenfiguren, die aufgrund ihrer Andersartigkeit in Shreks Sumpf deportiert werden, erfahren ständig Abwertung und werden als „Freaks“ beschimpft. Trotzdem lassen sie sich nicht unterkriegen. Als schließlich Pinocchio mit Überzeugung in den Zuschauerraum ruft: "Ich bin stolz, ich bin aus Holz – und das ist auch gut so!", dann ist die Botschaft klar: Akzeptiert, was und wie ihr seid – egal, was andere davon halten. Und genau wie Pinocchio am Ende über sich hinauswächst, so hat auch Shrek etwas über sich gelernt: Andere in sein Leben zu lassen, ist manchmal gar nicht so verkehrt.
© Heiner Schäffer
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Die Botschaft – und die gleichermaßen emotionale, bunte wie lustige Inszenierung – kommt an und wird vom Publikum am Premierenabend mit minutenlangen stehenden Ovationen honoriert. Wieder einmal ein Volltreffer für Tecklenburg.
© Andre Havergo
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(Text: Silke Milpauer)

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Kreativteam
Besetzung
Produktionsgalerie (weitere Bilder)
Zuschauer-Rezensionen
Die hier wiedergegebenen Bewertungen sind Meinungen einzelner Zuschauer und entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der Musicalzentrale.
 1 Zuschauer hat eine Wertung abgegeben:

    31543 Starkes Comedy-Musical im Kostümrausch
02.09.2017 - Es ist in Tecklenburg Tradition neben einem großen "dramatischen" Musical auch immer ein leichteres Stück zu bringen..
in diesem Jahr war das "SHREK" - der grüne Oger von Jeanine Tesori die einige sehr schöne Kompositionen verfasst hat.
Nach meinem Besuch in Düsseldorf muss man konstatieren: Die Fassung hier in Tecklenburg hat mit Regisseur Ulrich Wiggers deutlich gewonnen - die Regieeinfälle sind noch besser als damals in Düsseldorf und die Darsteller noch passender besetzt.
Absolutes Highlight in der am 18.8. besuchten Show waren für mich: ROBERT MEYER als Lord Farquaad - jeder Auftritt von ihm einfach köstlich und umwerfend..
dann der spinnerte Esel THOMAS HOHLER den ich so komödiantisch und locker leicht noch nie gesehen habe - absolut tolles "übertriebenes" Schauspiel und tolle Präsentation...
Roberta Valentini als Fiona hatte neben Shrek die schönsten Songs und der "Rattenfänger"-Song am Anfang des 2. Aktes gehört definitiv zu den Highlights dieses Musicals....die Tanzchoreografien von Kati Heidebrecht sind ganz großes Kino...
Tetje Mierendorf als Shrek hat ne ganz tolle Wandlungsfähigkeit - als abweisender, strenger eigenbrötlerischer Oger zum liebenden die Gesellschaft mögenden Freund. Highlight ganz klar sein Song: "WER ICH WIRKLICH BIN" - schön intoniert mit toller Stimmfarbe - Bravo!
Was die Tecklenburger Version aber ausmacht ist der enorme KOSTÜMRAUSCH - es gab bisher kein Stück, dass mit so vielen tollen, kreativen und massenhaften Kostümen und Figuren aufwarten konnte wie es jetzt bei SHREK Karin Alberti ausleben durfte:
Singende Sonnenblumen, Ratten, Rattenfänger, Märchenfiguren von Pinoccio über Miss Piggy bis Frau Holle über Lebkuchenmännchen" - wirklich toll umgesetzt - und sehr, sehr aufwändig...hier wurde aus dem Vollen geschöpft.
Das Ensemble aus knapp 30 Mann tolle Choreografien und die Gesamtleistung wieder phänomenal. Leider sieht man hier deutlich:
Dieses Stück hat Qualität, ist super professionell gemacht steht in nix Rebecca nach - Kostet genauso viel und wird trotzdem leider nicht vom Publikum in Tecklenburg "verwöhnt" - muss man ganz klar sagen - hier zeigt sich wieder mal, dass das Publikum eben doch sehr wählerisch ist und sich nicht auf verschiedene Formen des Musicals einlässt - zumindest nicht in dem Maße wie diese SHREK-Produktion es verdient hätte....
Schauen wir mal ob es bei "SPAMALOT" nächstes Jahr besser läuft....Wünschenswert wäre es der Tecklenburger Bühne allemal...
Wir sind wieder da - versprochen bei unserem ultimativen Sommer-Broadway Deutschlands......

Maxim (54 Bewertungen, ∅ 4 Sterne) 
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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Leider keine aktuellen Aufführungstermine. |
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