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 Musical-Monolog
Galathea bleibt Die Muse des Pygmalion
© Sarah Karl
© Sarah Karl
Ein toller, neuer Musical-Monolog von Martin G. Berger (Buch, Liedtexte) und Jasper Sonne (Musik) mit einer fantastischen Julia Klotz.
(Text: Kai Wulfes) Premiere: | | 16.11.2012 | Rezensierte Vorstellung: | | 16.11.2012 | Letzte bekannte Aufführung: | | 16.02.2013 |
Hat sie, oder hat sie nicht? Auch wenn die junge Frau (Julia Klotz) im Finale mit verschmierten, blutroten Tränen an den Wangen auf der Bühne sitzt, Martin G. Berger (Buch, Liedtexte und Inszenierung) gibt keinen eindeutigen Hinweis, ob sie den Professor mit einem Pistolenschuss ins Jenseits befördert hat. Gegen die Bluttat spricht der über den Lautsprecher eingespielte Dialog, in dem die Frau einen Polizisten, der wegen eines lauten Knalls geläutet hat, über die Gegensprechanlage beschwichtigt. Auch fordert der Professor sie aus dem Off auf, ihm die Pantoffeln hinterher zu tragen. Andererseits rattert die Frau den bereits zu Beginn des Stücks rezitierten, blutrünstigen Monolog über den Tod eines Königs herunter. "Jetzt ist er tot. Jetzt ist er weg. Tot, tot, tot", heißt es da. Hirngespinste einer Verrückten?
Klärt Berger im Rahmen einer Überarbeitung weitere Ungereimtheiten (wer sind das Monster "Hensler" und sein Spielgefährte "Schweinehund"?), und strafft die ein oder andere Passage, dann kommt ein frappierend gutes Musical auf die Bühne. Es erzählt aus der Sichtweise der jungen Frau den Pygmalion-Stoff, so wie ihn George Bernard Shaw interpretiert und Alan J. Lerner für den Musical-Welthit "My Fair Lady" adaptiert hat. Die namenlose Erzählerin ist in dieser modernen Variante jedoch kein Blumenmädchen, sondern wird von dem Professor aus dem Rotlichtmilieu für sein Sprach- und Erziehungsexperiment aufgegabelt. Auch hat sie hier eine Affäre mit einem Baron, bevor sie reumütig zu ihrem Lehrer zurückkehrt, um, abgesichert durch einen Ehevertrag, mit ihm unter einem Dach zu leben.
Dort, wo das Musical-Vorbild endet, spinnt Berger die Geschichte weiter. Die junge Frau zieht mit der Mutter des Professors von einer Jetset-Party zur nächsten, während dieser sein Herz an den Oberst verliert. Offiziell wird zur Tarnung geheiratet, inoffiziell eine Ehe zu Dritt geführt. Zur Ablenkung engagiert sich die junge Frau in einem Sozialprojekt für junge Prostituierte, das nicht nur aus finanziellen Problemen scheitert, sondern auch, weil die Zielgruppe das "Charity Hope Valentine House" genannte Heim ignoriert. Bis zum Finale balanciert das Stück elegant zwischen Komik und Tragik, unterhält, schockt und regt zum Nachdenken an.
Berger inszeniert das alles fantasievoll und gradlinig auf einer Mini-Bühne mit minimaler Ausstattung (zwei verschiebbare Wände, ein Tisch, ein Stuhl - Bühne: Sarah-Katharina Karl). Diese Regiearbeit ist niemals langweilig, sondern fesselt von der ersten bis zur letzten Szene: Mal werden Live-Bilder per Beamer auf die Wand projiziert, dann illustrieren gelbe Klebezettel den Seelenzustand der jungen Frau oder die nach unten klappbare Wand wird wie die Bühne eines Kasperle-Theaters genutzt.
Am rechten Bühnenrand, zunächst hinter einer der Wände versteckt, sitzt Oliver Imig am Piano und spielt die eingängigen Kompositionen von Jasper Sonne. In seiner sehr abwechslungsreichen Partitur ist Raum für das jazzige Chanson, die innige Ballade, Atonales, den klassischen Musicalsong und große Showstopper. Sonne huldigt sogar "My Fair Lady", indem er im Song "Dieser eine Moment mit dem Professor" Motive aus dem Musical versteckt.
Vom ersten Moment an, wenn Julia Klotz im viktorianisch inspirierten, cremefarbenen Kleid (Kostümbild: Silke Bornkamp) für längere Zeit stumm auf der Bühne sitzt und sich zögerlich im Raum umschaut, fesselt sie ihr Publikum. Es folgen rund 90 furiose Minuten, in denen die Darstellerin pointiert und facettenreich spielt und auch die unsichtbaren Nebenfiguren (ihren Vater, den Professor, dessen Mutter, den Baron) mit kleinen Gesten und unterschiedlichen Stimmfärbungen und Dialekten zum Leben erweckt. Daneben gibt’s aber auch die ganz großen Posen und Tanz, wie im Showstopper "Girls Night Out". Klotz singt zudem mit sicher geführter, makelloser Stimme und fasziniert auf ganzer Linie. Eine einfach großartige Leistung. Wer kann, sollte schon allein wegen Julia Klotz dieses Ein-Frau-Musical besuchen.
(Text: kw) 
Verwandte Themen: News: Martin Berger: Warum lässt man sich schöpfen? (02.11.2012)
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Die Kriterien für unsere Kurzbewertungen (Stand: Dezember 2014)
Buch*: Ist die Handlung in sich schlüssig? Kann die Story begeistern? Bleibt der Spannungsbogen erhalten oder kommt Langeweile auf?
NICHT: Besonderheiten der konkreten Inszenierung des Theaters.
Kompositionen*: Fügen die Kompositionen sich gut in das Stück ein? Haben die Songs Ohrwurmcharakter? Passen die gewählten Texte auf die Musik? Transportieren Text und Musik die selbe Botschaft?
NICHT: Orchestrierung, Verständlichkeit des Gesangs der Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
* werden nur bei neuartigen Produktionen (z.B. Premiere, deutsche Erstaufführung usw.) vergeben
Inszenierung: Wie gut wurde das Stück auf die Bühne gebracht? Stimmen die Bilder und Charaktere? Bringt der Regisseur originelle neue Ansätze ein?
NICHT: Wie gut ist die Handlung des Stücks an sich oder die mögliche Übersetzung?
Musik: Kann die musikalische Umsetzung überzeugen? Gibt es interessante Arrangements? Ist die Orchesterbegleitung rundum stimmig? Muss man bei Akustik oder Tontechnik Abstriche machen?
NICHT: Sind die Kompositionen eingängig und abwechslungsreich? Gibt es Ohrwürmer? Gefällt der Musikstil?
Besetzung: Bringen die Darsteller die Figuren glaubwürdig auf die Bühne? Stimmen Handwerk (Gesang, Tanz, Schauspiel) und Engagement? Macht es Spaß, den Akteuren zuzuschauen und zuzuhören?
NICHT: Sind bekannte Namen in der Cast zu finden?
Ausstattung: Setzt die Ausstattung (Kostüme, Bühnenbild, Lichtdesign etc.) die Handlung ansprechend in Szene? Wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten optimal genutzt? Bieten Bühne und Kostüme etwas fürs Auge und passen sie zur Inszenierung?
NICHT: Je bunter und opulenter ausgestattet, desto mehr Sterne.
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