[Drei Fragen an …] Morgen feiert das Zwei-Personen-Stück „Die Tagebücher von Adam und Eva“ nach dem gleichnamigen Roman von Mark Twain im Berliner Admiralspalast Premiere. Kevin Schroeder, der für Buch und Liedtexte verantwortlich zeichnet, und Marc Seitz, Komponist der Musik, berichten in diesem „Drei Fragen an…“-Interview vom Umgang mit Twains Werk, von der Aktualität der Geschichte und der Zusammenarbeit mit Regisseur und Künstlern.
Herr Schroeder, die „Tagebücher von Adam und Eva“ gelten als großes Plädoyer für die Liebe, in denen Mark Twain satirisch und pointenreich das Leben zu zweit anhand von vielen Klischees und Vorurteilen beschreibt. Welche Stellen dieser Version der sprichwörtlich ältesten Liebesgeschichte aller Zeiten fanden Sie beim ersten Schmökern besonders spannend? Wann war Ihnen klar, dass hier der Stoff für ein Musical drinsteckt und inwiefern musste Twains Werk für die Bühne adaptiert werden?
Kevin Schroeder: Ich würde es eher die erste Liebesgeschichte aller Zeiten nennen. Das klingt ja sonst wie ein alter Hut, und das ist es nicht. Ich glaube auch nicht so sehr, dass Mark Twain sich Klischees zur Brust genommen hat. Die beiden Tagebücher entstanden unabhängig voneinander und „Evas Tagebuch“ wurde erst viel später als Adams geschrieben, nämlich nach dem Tod von Mark Twains Frau Olivia Clemens. Ich empfinde die Bücher, so wie sie später zusammengefügt wurden, als eine Liebeserklärung an seine Frau. Allerdings auf eine sehr Twain-typische Art. Er selbst hat gesagt: „It´s a love story, but we will not name it that.“ Das sagt sehr viel über die Herzlichkeit, aber auch den Witz aus.
Twain ist in all seinen Werken ein sehr genauer Beobachter gewesen. Sicher geht es auch um den berühmten kleinen Unterschied, aber Twain bricht in den Tagebüchern vor allem das ganz Große, wie Religion, Wissenschaft, Gott und den Sinn des Lebens auf eine sehr kleine, ganz naive menschliche Sicht herunter. Dadurch entsteht die Komik, aber auch gleichzeitig sehr viel Tiefe. Das hat mich begeistert. Dazu noch die Herausforderung, ein abendfüllendes Zwei-Personen Stück zu machen, ohne dass es eine episodenhafte Aneinanderreihung von Szenen wird. Die Tagebucheinträge boten tolle Möglichkeiten für Songideen, allerdings mussten diese so adaptiert werden, dass sie auch die Handlung tragen können und nicht nur vertonte Berichte werden. Vor Kurzem wurde ich gefragt, ob die Schuhe von Mark Twain nicht sehr große seien und mir Angst machen würden. Bis dahin hatte ich ehrlich gesagt noch nie darüber nachgedacht. Ich mag neue Herausforderungen, ich liebe den Ton von Twain, und das ganze Paket war einfach spannend und hat Spaß gemacht.
Die Musikuntermalung im Garten Eden stellt man sich vermutlich in erster Linie ruhig und balladenreich vor. Wie tritt man an das Schreiben der Musik heran, Herr Seitz? Lässt man sich durch Stimmungen leiten, hat man vielleicht schon bei der Lektüre des Werkes erste Ideen? Wie entsteht die Musik zu einer Welturaufführung?
Marc Seitz: In der Buchvorlage ist der satirische und subtile Humor bereits so deutlich im Ton, dass für mich die Musik recht klar war. Vertonte Komödie, die aber natürlich sinnliche und berührende Momente hat, ehrlich muss es sein, nicht künstlich groß gemacht. Mir ist in der Musik für „Die Tagebücher von Adam und Eva“ der leicht jazzige Großstadt-Ton wichtig, denn wir erzählen die Geschichte zweier Menschen, die genausogut heute leben könnten, und meines Erachtens liegt dieser musikalische Stil am weitesten weg von einem verklärten über-romantisierten Paradies.
Wenn ich Musik schreibe, kann es sein, dass ich eine erstmal rein musikalische Idee habe, die noch keinen theatralen Bezug hat, und wir finden möglicherweise eine geeignete Stelle in einer Dramaturgie, wo genau dieser losgelöste Fetzen Musik eine inspirierende Wirkung hervorbringt. Aus dem Fetzen Musik entsteht dann eventuell ein ganzer Song. Oder aber der Text bzw. kleine Textpassagen sind vorhanden, wozu ich dann die Musik entwickle. Ich suche grundsätzlich nach der Begründung und nach der Notwendigkeit für das Vorhandensein von Musik in einem dramaturgischen Moment. Musik ist ein „heißes“ Medium und appelliert direkt an unser emotionales Zentrum, d. h. ich kann einer vordergründig scheinbar belanglosen Zeile Text, wie beispielsweise „Ich gehe in den Supermarkt einkaufen“, einen ganz spezifischen und deutlichen Subtext und Tiefe vermitteln, die in rein gesprochener Weise so nicht möglich wären. Dabei muss nur völlig klar sein, welchen Aspekt man in der Aussage musikalisch beleuchten will.
Wenn nun alle Songs und Passagen geschrieben sind, fängt man wieder von vorne an und ändert die Stellen um, die noch nicht funktionieren wollen. Da muss man wirklich sehr hart und ehrlich mit sich selbst ins Gericht gehen.
Morgen hat das Stück mit den beiden Akteuren Vera Bolten und Alex Melcher in Berlin Premiere. Wie sieht bzw. sah Ihr Wirken bei der Erarbeitung mit Regisseur Christoph Drewitz aus? Gerade bei einer Uraufführung aus der eigenen Ideenschmiede ist man sicher an der kreativen Mitarbeit bei der Umsetzung auf der Bühne interessiert…
Kevin Schroeder: Da wir das Stück ja auch zum Großteil selbst produzieren, sind wir natürlich sehr involviert. Allerdings mehr im Vorfeld, als wir das Team zusammengestellt haben. Jetzt, während der Proben, versuche ich mich weitestgehend rauszuhalten. Egal mit welchem Regisseur ich arbeite, möchte ich ihm immer den Freiraum bieten, seine Sicht des Stücks umzusetzen. So erscheint mir die Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseur sinnvoll. Natürlich besprechen wir viel im Team gemeinsam mit Christoph, und da, wo Fragen auftauchen, versuchen wir zu helfen. Manchmal wird ja auch jetzt noch etwas geändert, aber allein durch die Tatsache, dass wir uns auch um die Produktion kümmern müssen, war ich jetzt gar nicht mehr so stark in die Proben involviert. Das ist mir aber auch eigentlich lieber so. Marc dagegen war mehr eingebunden, weil er auch teilweise als Probenpianist im Einsatz war.
Marc Seitz: Das stimmt, es war terminlich mit unserem musikalischen Leiter Nikolai Orloff leider nicht anderes zu vereinbaren.
Sobald die Darsteller und auch die Musiker dazu kommen, gebe ich meine Arbeit aus der Hand. Ich möchte, dass die ausführenden Künstler ihr Verhältnis zum Text und zur Musik aufbauen und unsere kreative Arbeit durch ihren Einfluss bereichern und vergrößern. Sicherlich achte ich darauf, dass Dinge so umgesetzt werden, wie ich sie als musikalisch empfinde und gebe Anweisungen oder Empfehlungen. Mit allen unseren Kollegen, die an der Produktion beteiligt sind, bin ich überaus glücklich, vor allem, dass jeder mit Leidenschaft und einem unglaublichen Engagement dabei ist. Somit ist es ein wundervoller Prozess, wie ein Stück daran wächst, wenn es praktisch umgesetzt auf die Bühne kommt.