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Ihre Chansons und Schauspiel schrieben Musik- und Filmgeschichte. Die gemeinsame Geschichte von Edith Piaf und Marlene Dietrich scheint dagegen ein Geheimnis zu sein. In dieses wird der Zuschauer von „Spatz und Engel“ eingeweiht. Ute Willing bringt mit scheinbar wenig Aufwand die Intimität der Verbindung der beiden Ausnahmekünstlerinnen auf den Punkt. Die hervorragende Besetzung der erfolgreichen Chanson-Sängerin Piaf und der weltberühmten Film- und Bühnendiva Dietrich transportiert die Imposanz ihrer Rollenvorbilder.
„Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin…“ – oder wenn die Piaf mit der Dietrich die Geschichte ihrer Freundschaft berichteten, da käme doch einiges ans Tageslicht, was der frivolen Lebensart der beiden Diven des mittleren 20. Jahrhunderts entsprungen ist. Nach dem Ableben der beiden Ikonen ihrer Zeit erzählen David Große Boymann und Thomas Kahry nach einer Idee von David Winterberg die gemeinsame Geschichte des „Spatzen von Paris“ und des „blauen Engels“, die sich in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts in New York tatsächlich begegneten. Dass aus dieser Freundschaft tatsächlich, wie „Spatz und Engel“ erzählt, eine Liebschaft zwischen den beiden Frauen entstanden sei, wirkt in der Inszenierung von Ute Willing sehr glaubwürdig.
Auf intime Art und Weise wird der Zuschauer in das Erleben beider Frauen hineingezoomt: Ob sie entzweit auf den Bühnen dieser Welt vor großem Publikum stehen, gemeinsam die Kissen eines Hotelbettes zerwühlen oder in Krankheit und gar Todesstunde einsam und allein sind – allem wohnt der Betrachter aus nächster Nähe bei. In vielen Punkten sind Edith und Marlene sich so ähnlich. Bis auf den großen Unterschied, dass die Dietrich immer mit sich selbst im Reinen zu sein scheint – oder zumindest so wirken will. Wohingegen Piaf, die oft mit dem Leben hadert und sich ungeliebt fühlt, der Halt im Leben fehlt und sie ihn darin sucht, worin die Dietrich den Spaß am Leben findet: Affären, Showbusiness und Aftershow-Partys. Am Ende ihrer Tage bleibt beiden Frauen, die über ihren Tod hinaus gefeiert und verehrt werden, doch nur die Einsamkeit.
Ute Willing setzt in ihrer Inszenierung von „Spatz und Engel“ auf Intimität und legt dabei die volle Konzentration auf die Protagonistinnen des Stückes. Bühnenbild und Requisiten sind auf das Nötigste begrenzt: Der Flügel, ein musikalischer wie allgegenwärtiger Begleiter der beiden Künstlerinnen, fügt sich wie selbstverständlich in das Bühnenbild ein. Ebenso der rote Vorhang, der das Bühnenbild auch in der Tiefe begrenzt. Er unterstreicht einerseits die Relevanz der Bretter, die die Welt bedeuten – zumindest für die Lebensbühnen der beiden Diven Piaf und Dietrich. Andererseits wird deutlich, dass es für beide ein Leben auf wie hinter der Bühne gibt. Der Zuschauer wird zum Verbündeten der Menschen hinter den Kunstfiguren, der auf beiden Seiten des Vorhangs ganz nah dabei ist.
Stets ins rechte Licht gerückt, im Mittelpunkt des Geschehens, stehen die beiden Hauptdarstellerinnen Felicitas Hadzik als Edith Piaf und Anne-Catrin Wahls als Marlene Dietrich vor dem Hintergrund des schlichten wie funktionalen Bühnenbildes von Jan Hax Halama. Selbst Kostümwechsel finden teilweise auf der Bühne statt – und wieder ist der Zuschauer den Figuren der beiden Stars ganz nah.
Die Kostüme der Protagonistinnen zeichnen Edith und Marlene so authentisch nach, wie ihr Publikum die beiden historischen Vorbilder aus den Medien kennt: Der Spatz im schlichten schwarzen Kleid, geschmückt lediglich mit einer Kruzifix-Kette, die ein Geschenk ihres Engels gewesen sein soll; Dietrich in den nach ihr benannten Marlene-Hosen, im pompösen Abendkleid, sowie in Netzstrumpfhose und Gehrock. So wirkt die Figur der Marlene rein optisch wandlungsfähiger, mit einer deutlichen Stärke in Ausdruck und Schauspiel, wohin Edith scheinbar unscheinbar wie ein Spatz daherkommt. Dieser Eindruck soll jedoch täuschen.
Perücken und Frisuren zeigen auf, wie unterschiedlich beide Frauen im Leben stehen: Hadzik als Piaf, deren Bob, zumindest anfangs, stets perfekt toupiert ist, lässt sich zunehmend gehen, sodass der Verfall ihrer Haarpracht auf einen Zusammenhang zu ihrem gesundheitlichen Verfall, ihre fortschreitenden Abhängigkeiten, schließen lässt. Im Gegensatz dazu tritt Wahls als Dietrich durchgehend akkurat frisiert in Erscheinung. Da sitzt jede Locke! Sie wirkt allerdings durch diesen augenscheinlichen Perfektionismus im Vergleich zu ihrer quirligen Spielpartnerin kühl und unnahbar.
Im musikalischen Mittelpunkt dieses Schauspiels stehen vor allem die Welthits der beiden Chanson- und Cabaret-Stars, die die Handlung vorantragen. Begleitet werden Hadzik und Wahls am Klavier und Akkordeon von Robert Mayer und Henry Arnold.
Stimmgewaltig vom ersten Moment an trifft Felicitas Hadzik nicht nur jeden Ton, sondern auch mitten ins Herz ihres Publikums. Dazu muss man zuvor kein Anhänger der Piaf gewesen sein! Kämpferisch („Non, Je Ne Regrette Rien“), mitreißend und zum Mitsingen offen animierend („Milord“) sowie gefühlvoll („La Vie en Rose“) scheint sie über lange Strecken nicht nur gesanglich der stärkste Part an diesem Abend zu sein – bis schließlich Wahls als Marlene die erschreckend allgegenwärtige, zeitgemäße Friedens- und Liebeshymne „Sag mir, wo die Blumen sind“ anstimmt und mit viel Gefühl eine große Verletzlichkeit transportiert und zu Tränen rührt. Spätestens in diesem Moment wird deutlich, dass sich beide Damen auf Augenhöhe begegnen – und es auch die ganze Zeit schon taten. Wahls, die in ihrer Rolle als Marlene Dietrich zeitgleich mehrere Funktionen erfüllt – Verführerin, Mentorin und gleichzeitig mütterliche Freundin der unsteten Edith Piaf – Hadzik – die ihrerseits oft ungehalten wie ein ungezogenes und auch verlorenes Kind wirkt, das sich der Verantwortung seines Handelns nicht bewusst ist, was eine katastrophale Abwärtsspirale nach sich zieht. Trotz dieser tragischen Entwicklung der kleinen, großen Ikone hält sie an ihrer Bühnenpräsenz bis zum Geht-nicht-mehr fest.
Das musikalische Schauspiel über die gemeinsame Geschichte Piafs und Dietrichs ist hervorragend besetzt und entführt in die Welt und Wahrnehmung beider Diven, die durch die wunderbare Interpretation ihrer Welthits unsterblich scheinen.
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KREATIVTEAM |
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Inszenierung | Ute Willing |
Bühne | Jan Hax Halama |
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CAST (AKTUELL) |
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Marlene | Anne-Catrin Wahls |
Edith | Felicitas Hadzik |
mit | Gabriela Lindl Henry Arnold |
Piano, Akkordeon | Robert Mayer (Johannes Still) |
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GALERIE |
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