[Drei Fragen an …] Markus Heitz und Xavier Naidoo arbeiten derzeit an einer Musical-Version der Kindergeschichte „Timm Thaler“, die besonders durch die ZDF-Verfilmung mit Thomas Ohrner bekannt und beliebt wurde. Im muz-Interivew gibt Fantasy- und Horror-Autor Heitz (Bild) erstmals einen Einblick in die Machart der Uraufführung und berichtet über seine Arbeit und über die Nostalgie, die in dem Werk steckt.
„Timm Thaler“ kann sicher als der bekannteste ZDF-Weihnachtsmehrteiler bezeichnet werden. Er weicht jedoch inhaltlich von der Originalvorlage von James Krüss ab. Wie gehen Sie an die Bearbeitung des Buches für die Musicalversion heran? Eher „zuckersüße“ vorweihnachtliche Unterhaltung à la ZDF oder die gesellschafts- und konsumkritische Herangehensweise des Ursprungswerkes?
Ich bin – übrigens wie Xavier Naidoo – Jahrgang 1971 und sah mit acht Jahren die Serie Timm Thaler im ZDF. Und um ehrlich zu sein: Ich hatte bis zum Beginn der Vorarbeiten für das Musical keine Ahnung, dass es ein Originalbuch gibt. Vermutlich geht es 95% der Serien-Kenner ebenso.
Ich bin jemand, der Vorhaben mit Plan und Planung angeht. Struktur ist alles, auch im Kreativen und bei aller Freiheit. Nach zehn Jahren als Schriftsteller und mehr als 30 Büchern habe ich meinen Weg weitestgehend gefunden. Also: Checken, prüfen, schmieden, verwerfen, neu überlegen…
Ich habe mir zuerst nochmals die komplette Serie auf DVD angeschaut, was eine ziemliche Zeitreise war. Du meine Güte, da kamen Erinnerungen hoch! Und Horst Frank war die perfekte Besetzung für den Baron. Danach las ich das Buch zweimal, markierte und unterstrich, arbeitete die Gemeinsamkeiten und Abweichungen heraus, setzte Schwerpunkte und schuf ein Libretto, das sich eng an die Originalvorlage hält, aber auch einige Überraschungen auf Lager haben wird.
Das Konsumkritische war übrigens auch in der ZDF-Serie enthalten. Ganz so zuckersüß kam es doch nicht daher, wenn ich an manche Aktionen des Barons denke. Das ZDF übertrug das Originalbuch aus den frühen 60ern in eine modernere Umgebung. Und genau das werde ich mit dem Musical auch machen. Die Grundaussage wird erhalten bleiben.
Die Musik für das kommende Werk wird von Xavier Naidoo geschrieben, Sie zeichnen für das Libretto verantwortlich. Passen ein Fantasy-Autor und ein Jugendroman zusammen? Ist die Arbeit an „Timm Thaler“ eine andere als Ihre sonstige?
Sie werden staunen: Abgesehen von meinen Fantasy- und Horror-Romanen habe ich schon zwei Kinderbücher geschrieben. Ich kann auch anders. Abgesehen davon geht es in dem Krüss-Roman reichlich mystisch-dämonisch zu, und das ist genau meine Spielwiese!
Wird in der ZDF-Serie ein Geheimnis um die wahre Identität des Barons gemacht, existiert eine Stelle im Buch, an der sich der Baron und sein Helfer mit Astaroth und Behemoth ansprechen! Ja, aber hallo! Dämonen der besten Klasse! Und beide sind laut eigener Aussage Mitglieder im Baal-Club! Als ich diese Passage gefunden habe, musste ich grinsen: Das passt doch ausgezeichnet zu mir.
Und wieder muss ich eventuelle Sorgen eindämmen: Nein, das Musical wird keine einzige Beschwörungsorgie mit stapelweise Dämonen und Düsternis, Kunstblut und Opfern und schreienden Menschen, die brennend über die Bühne torkeln. Mir ist klar, dass es familientauglich sein sollte – eben genau wie die ZDF-Serie und das Buch. Daran halte ich mich. Aber an manchen Stellen fahre ich das Licht schon gezielt ein bisschen runter.
Timm Thaler verkaufte sein Lächeln an Baron Lefuet und erlangte als Gegenleistung dafür Reichtum und Berühmtheit. Hat dieser Tausch für die heutige Zeit eine übertragende Bedeutung? Steht er zum Beispiel als Metapher dafür, dass heutzutage viele Musicals, gerade in Deutschland, als reine „Unterhaltungsmaschinerie“ aufgebaut werden und mehr auf Profit als auf Klasse geachtet wird? Ist das „Lächeln“ nicht viel wichtiger als der „Reichtum“?
Zur Musicallandschaft kann ich nichts sagen, weil ich mich da nicht auskenne. Für mich ist das Musical eine neue Option, um meine Kreativität auszuleben und im Verbund mit anderen Künstlern etwas Neues zu erschaffen. Es ist die Herausforderung, die mich reizt.
Was das Metaphorische angeht: James Krüss hat in seinem Roman deutlich geschrieben, wodurch er zu Timm Thaler inspiriert wurde: Es geht auf ein Märchen zurück, das ich andeutungsweise auch in das Musical einbauen werde, um die Wurzeln offen zu legen. Darin verkauft ein Mann seinen Schatten an den Teufel für ein Säckchen voll Gold, das niemals leer wird.
Die im Roman betonte Wahrheit ist, dass man mit Geld und Macht eben nicht alles erreichen kann, auch wenn es manchmal so scheint. Sonst bräuchte der Baron auch kein erkauftes Lachen.
Diese Wahrheit kommt seit Erfindung des Geldes als Erkenntnis in verschiedenen Motiven stets zur Menschheit zurück. Unabhängig von Musicals, Castingshows, Coffee-to-go, Vermarktungsstrategien, Firmenpleiten und vielem mehr.