Inga Krischke (Susan), Luc Steegers (Jon) © Pedro Malinowski
Inga Krischke (Susan), Luc Steegers (Jon) © Pedro Malinowski

tick, tick... BOOM! (2023 - 2024)
Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen

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Die Verfilmung von 2021 hat sicher dazu beigetragen, dieses Werk von „Rent“-Schöpfer Jonathan Larson wieder in den Fokus zu rücken. Drei deutschsprachige Bühnen haben das autobiografisch angehauchte Musical in dieser Saison auf den Spielplan genommen. Das Musiktheater im Revier hat nun – in der neuen Übersetzung von Timothy Roller – den Startschuss gegeben, bevor sich im Theater am Hechtplatz in Zürich und der Wiener Volksoper die Vorhänge heben. Gelsenkirchen hängt mit einem fabelhaften Darsteller-Trio die Messlatte schon einmal ziemlich hoch.

New York, 1990: Jon, ein „vielversprechender junger Komponist“, steht kurz vor seinem 30. Geburtstag und befindet sich in der Vorstufe einer Midlife-Crisis. Er hört ein Ticken, immer wieder gefolgt von sich nähernden „Booms“ – das Geräusch der Zeit, die verrinnt und ihn unter Druck setzt, endlich etwas aus seinem Leben zu machen. Er hält sich mit einem Kellnerjob gerade so über Wasser und arbeitet an dem Science-Fiction-Rockmusical „Superbia“, das – seiner Meinung nach – den Broadway revolutionieren wird. Sein bester Freund Michael hat die Schauspielerei zugunsten eines gutbezahlten Marketing-Jobs an den Nagel gehängt und drängt ihn, ebenfalls dort einzusteigen. Auch seine Freundin Susan, eine Tänzerin, hat genug vom Leben am Existenzminimum und will in die Provinz ziehen, egal ob mit oder ohne ihn.

Larsons posthum uraufgeführtes Musical, in dem er eigene Erfahrungen verarbeitete, ist ein Blick in eine Künstlerseele. Von ihm ursprünglich als Ein-Personen-Stück konzipiert, wurde es von David Auburn und Stephen Oremus auf drei Personen erweitert. Hauptfigur Jon brennt für seine Kunst und das macht sein Darsteller Luc Steegers in der Gelsenkirchener Inszenierung spürbar. Sein verzweifelter Optimismus hält ihn über Wasser. Inga Krischke und Sebastian Schiller übernehmen neben Susan und Michael zahlreiche Nebenfiguren. Das tun sie mit einer Vielseitigkeit, die ihresgleichen sucht. Die drei sind gut aufeinander eingespielt, ergeben ein harmonisches Ensemble und liefern stimmlich furiose Leistungen ab.

Dabei hilft ihnen die energiegeladene vierköpfige Band, die sie unter der Leitung von Wolfgang Wilger aus dem Bühnenhintergrund begleitet. Schon der Opener „30 / 90“ legt ein Tempo und eine Wucht vor, dem sich das Publikum nicht entziehen kann. Auch Carsten Kirchmeiers flüssige Inszenierung setzt auf Tempo, auch wenn das einige Dialoge recht hektisch macht. Jon ist auch Erzähler der Handlung. Sätze wie „Sie kommt von unten herauf“, „Sie nimmt meine Hand“ oder „Susan hält eine braune Tasche“ wirken dabei ziemlich albern, weil man genau das gerade sieht. Das sind womöglich noch Überbleibsel aus der ursprünglichen Monolog-Form, aber die hätte man problemlos streichen können. Auch dass Kirchmeier Jons Agentin mit einem dicken US-Akzent sprechen lässt, erschließt sich nicht. Kleine Störfaktoren in der insgesamt guten Inszenierung.

Christiane Rolland hat ein nüchternes Bühnenbild entworfen, das sich aber gut für Gänge und schnelle Ortswechsel eignet. Überall herumstehende Umzugskartons symbolisieren die Veränderungen, die die drei Hauptcharaktere im Lauf der Geschichte erleben. Sie sind vielseitig einsetzbar. Aus ihnen bauen Susan und Michael etwa auch eine große 30 für Jons Geburtstag oder sie werden zum Verstauen von Requisiten und Kostümen genutzt. Jons Keyboard ist das Herzstück der Bühne, rechts und links davon können Gerüstkonstruktionen als Hausdach oder Michaels neue Luxuswohnung genutzt werden. Dahinter stehen Bühnenprospekte bedruckt mit Hochhäusern in blassen Farben. Mario Turcos Ausleuchtung sorgt für einige schöne Momente, aber der Look ist eher metallisch-kalt.

Die Kostüme von Hedi Mohr spiegeln gut die Mode der 1990er Jahre wider. Ob man Susans grünes Kleid auch so großartig findet, wie es der Text des gleichnamigen Songs suggeriert, ist Geschmackssache.

„Tick, Tick … Boom!“ transportiert viel Lebensgefühl der 90er, erzählt aber eine immer aktuelle Geschichte über Menschen, die sich irgendwann entscheiden müssen, in welche Richtung ihr Leben gehen soll. Das Musical zeigt auch, welch großes Talent Jonathan Larson war, was für abwechslungsreiche, ausgefeilte und witzige Songs er schreiben konnte. „Rent“ ist ein Meilenstein der Musicalgeschichte – „Tick, Tick … Boom!“ sein nicht ganz so revolutionärer kleiner Bruder, der sich aber jetzt hoffentlich nach und nach die Bühnen hier erobern wird. In Gelsenkirchen wurde dazu gute Vorarbeit geleistet.

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungWolfgang Wilger
InszenierungCarsten Kirchmeier
BühneChristiane Rolland
KostümeHedi Mohr
 
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CAST (AKTUELL)
MichaelSebastian Schiller
SusanInga Krischke
JonLuc Steegers
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 09.09.2023 19:00MiR (Kleines Haus), GelsenkirchenPremiere
Sa, 16.09.2023 19:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
So, 17.09.2023 18:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
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