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Der etwas angestaubte Musical-Klassiker aus dem Jahr 1965 über die bekannte spanische Romanfigur Don Quijote kommt bei den Schlossfestspielen Heidelberg, vortrefflich in ein historisches Setting eingebettet, erfrischend dynamisch und modern daher.
Spanien im 16. Jahrhundert: Autor Cervantes muss sich vor der Inquisition wegen Gotteslästerung verantworten und wird mit seinem Hab und Gut in einen Kerker gesperrt, in dem zahlreiche Insassen auf ihre Prozesse warten. Aus Zeitvertreib und um sich vor seinen Mitgefangenen zu rechtfertigen präsentiert Cervantes sein neuestes Werk als Theaterstück und motiviert die anderen Häftlinge, Rollen im Stück zu übernehmen. Er selber übernimmt die Hauptrolle des wohlhabenden Städters Quijano, der in einem plötzlich aufgekommenen psychischen Wahn glaubt, ein Ritter namens Don Quijote zu sein. Seine Familie sorgt sich um seinen Geisteszustand und versucht, ihn aufzuspüren und zur Besinnung zu bringen, während Quijano in seiner alternativen Realität als wandernder Ritter zu imaginären Abenteuern aufbricht mit dem Ziel, wahrhafte Heldentaten zu vollbringen. Dabei involviert er zahlreiche Menschen, die entweder sein Spiel mitspielen oder seinen Wahn zum eigenen Vorteil ausnutzen. Am Ende des Theaterstücks hat Cervantes die Gefängnisinsassen überzeugt und schreitet vor das Inquisitionsgericht – und wie wir aus der Historie wissen: Cervantes wurde freigesprochen und seine Geschichte von Don Quijote wurde weltberühmt.
Das recht komplexe, auf mehrere Erzählebenen ausgelegte Buch wird von Regisseur Cusch Jung gekonnt inszeniert. Zu jedem Zeitpunkt ist dem Zuschauer deutlich, welche der drei Ebenen gerade erzählt und gespielt wird, obwohl sich weder Kostüme noch Bühnenbild nennenswert ändern. Die Darstellenden wechseln rasch zwischen ihren Rollen als Gefängnishäftlinge, die wiederum in Rollen innerhalb von Cervantes Stück hin- und herwechseln und teilweise innerhalb dessen noch Fantasierollen in Quijanos Wahn übernehmen. So wird beispielsweise aus dem vorlautesten Häftling der Wirt einer Schänke in Cervantes Stück , der wiederum in Don Quijotes alternativer Realität zum Fürst eines Castells wird. Cusch Jung schlüpft dabei selbst in die Rollen des erzählenden Cervantes sowie dessen Hauptfigur Quijano, der sich für den Großteil des Stücks als sein Alter Ego Don Quijote hält. Eine komplexe Angelegenheit, die durch rasche Szenenwechsel und -aufbrüche jederzeit klar strukturiert wirkt.
Die Bühne ist in einer Art Nische im Hof der Heidelberger Schlossruine aufgebaut und so von alten hohen Gemäuern komplett umrahmt, was vortrefflich zur Zeit passt, in der das Stück spielt und es einerseits historisch-altehrwürdig, aber auch beklemmend wirken lässt. Im Hintergrund der Bühne ist ein riesiges Gefängnistor zu sehen, das nie vergessen lässt, dass es sich bei Don Quijotes Abenteuern um eine Geschichte innerhalb einer anderen Erzählung handelt und die drohende Realität der Inquisition stets wie ein Damoklesschwert über den Akteuren des Theaterstücks schwebt.
Für die unterschiedlichen Szenen werden einfache Requisiten genutzt, die andeutungsweise zum Beispiel ein Wirtshaus oder das Schlafzimmer des erkrankten Quijano entstehen lassen. Vorhandene Elemente des Schlosshofes wie Balustraden, Treppenaufgänge oder Brunnen werden für die Handlung sinngebend einbezogen, was das Stück besonders authentisch färbt. Bühnentechnisch werden keine riesigen Überraschungen aufgefahren. Derer bedarf es aber auch nicht: Bühnennebel in Traum- und Wahnszenen, dunkelblaues Licht in nächtlichen Episoden, ein Feuerbecken und ein Fackelzug tun ihr Übriges, gemeinsam mit den lokalen Begebenheiten die passenden Bilder zu kreieren. Im Bereich des Bühnenbildes ist vor allem die Szene des Spiegelritters gegen Ende des zweiten Aktes besonders hervorzuheben: Als übermenschlich großer, aus mehreren Teilen bestehender Endgegner erscheint der Erzfeind Don Quijotes in einem Schwall aus Nebel und düsterem Licht auf der Bühne und wird von ihm bekämpft. Dabei werden die blendenden Strahlen des Spiegels theatralisch ins Publikum reflektiert und wabern über die Bühne, was überaus mystisch und bedrohlich wirkt. Als Don Quijote am Ende in den einzelnen Teilen seines spiegelnden Gegners sein wahres Ich erkennt und sich seine Gestalt für das Publikum sichtbar im Spiegelritter reflektiert, ist das schon fast eines Hollywood-Streifens würdig.
Selten ist zudem bei einer Open-Air-Veranstaltung eine so tolle Tontechnik am Start wie in dieser Produktion: Jedes Wort wird glockenklar über den Schlosshof transportiert, sodass man fast das Gefühl hat, auf dem heimischen Sofa einen Film in Dolby Surround zu schauen. Keine Störgeräusche oder Patzer im Austarieren des Tons – ein großes Lob an dieser Stelle! Einzig die Musik des wunderschön spielenden Heidelberger Orchesters hätte gerne etwas lauter ausgesteuert werden können, da das virtuose Musikerensemble so noch mehr Geltung erfahren hätte. auch die Choreographien gehören in die allerhöchste Güteklasse: Dynamische und fast schon epische Kampfszenen mit allerlei Requisiten werden hier geboten – Don Quijote, sein Knappe und seine Auserwählte kämpfen sich durch eine Gruppe von betrunkenen Gegnern, als hänge ihr Leben davon ab. Doch auch lustige Szenen werden überzeichnet albern choreographiert und generieren innerhalb des eher anspruchsvollen Stücks auch viel gute Laune wie die Beichtszene bei „Ich denke nur noch an ihn“, in der sich ein christliches Kreuz – dargestellt von vier Ensemblemitgliedern –übertrieben lasziv zur Musik bewegt. Beeindruckend, erschütternd und bewegend mit vielen akrobatischen Elementen inszeniert dagegen ist die Vergewaltigungsszene, in der die Figur der Aldonza über die Bühne getragen, geschleudert und getreten wird. Die Stimmung im Publikum wurde während und nach dieser Szene für eine ganze Weile deutlich angespannter – so gelingt es hier durch das Zusammenspiel der Regie von Cusch Jung, der Dramaturgie von Thomas Böckstiegel und der Choreographie von Janet Calvert, einen profunden, bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Das Darstellerensemble spielt energetisch mit viel Spiel- und Tanzfreude und ist den mehrschichtigen Schauspielparts genauso gewachsen wie den aufwändigen Choreographien. Hervorzuheben aus der Riege ist vor allem Anna Langner, die in ihrer Rolle der Aldonza ein tief berührendes, zuweilen herrlich trockenes Schauspiel an den Tag legt und ihre Figur so plastisch darstellt, dass man als Zuschauer sofort mit ihr sympathisiert. Ihren Wandel von verbitterter Dirne zur träumenden Dulcinea vollzieht sie natürlich und ergreifend. Langner beweist nicht nur schauspielerischen Tiefgang, sondern brilliert in ihren Solosongs „Mir ist jeder Recht“, „Was will er bloß von mir“ und „Aldonza“ mit einer starken Stimme. Dazu tanzt sie wie eine junge Göttin und zeigt in der dramatischen Vergewaltigungsszene obendrein großes akrobatisches Talent. Mit Anna Langner ist ein wahrer ‚triple threat‘ auf der Bühne, die alle drei Musiktheater-Sparten vortrefflich bedient.
Cusch Jung scheint die Dreifachrolle Cervantes/Quijano/Don Quijote wie auf den Leib geschrieben: Jede Geste, jeder Schritt, jedes Wort, seine Stimmfarbe und Intonation – er verschmilzt förmlich mit Don Quijote und lässt Erinnerungen an diese Figur aus Film- und Fernsehen aufkommen. Eine wahre Wonne, Jung in dieser Rolle durch seine fiktiven Abenteuer zu begleiten, über die verblendete Art des Don zu schmunzeln und auf seinen lang ersehnten Ritterschlag nach dem großen Solo „Der unmögliche Traum“ hinzufiebern. Als Quijote schließlich mit seinem wahren Ich konfrontiert wird, rührt Jungs intensives Schauspiel viele zu Tränen. Sein schrittweiser Wandel vom Ritter der traurigen Gestalt zurück zum sterbenden Quijano und letztendlich zum Autoren Cervantes, der in einem Fackelzug zur Inquisition geführt wird, hat epochale Qualität. Großes Kino!
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Johannes Zimmermann Kens Lui |
Inszenierung | Cusch Jung |
Ausstattung | Karin Fritz |
Choreografische Mitarbeit | Janet Calvert |
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CAST (AKTUELL) |
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Don Quijote (Cervantes) | Cusch Jung | |||
Sancho (Diener) | Winfrid Mikus | |||
Aldonza | Anna Langner | |||
Der Gastwirt / Gouverneur | Klaus Brantzen | |||
Maultiertreiber Pedro | Johan Larsson | |||
Der Padre / Maultiertreiber Paco | Volker Metzger | |||
Dr. Carrasco (Herzog) / Spiegelritter | Andreas Göbel | |||
Antonia / Fermina | Theresa Immerz | |||
Der Barbier / Maultiertreiber Juan | Bastian Kohn | |||
Hauptmann / Maultiertreiber Jose | Marc Trojan | |||
Maultreiber Leon | Paul Fruh | |||
Die Haushälterin / Maria | Vera Semieniuk | |||
Philharmonisches Orchester Heidelberg |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 24.06.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | Premiere | |||||||
So, 02.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Di, 04.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
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Do, 13.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
So, 16.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Mi, 19.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Do, 20.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
So, 23.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Di, 25.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Mi, 26.07.2023 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | zum letzten Mal 2022/23 | |||||||
Do, 20.06.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | Wiederaufnahme | |||||||
Fr, 21.06.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Sa, 06.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
So, 07.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Di, 09.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Mi, 10.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Do, 11.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Do, 18.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | ||||||||
Sa, 20.07.2024 20:30 | Schlosshof, Heidelberg | Dernière | |||||||
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