Ensemble © Michael Bode
Ensemble © Michael Bode

A Grand Night For Singing (2021)
Schlossfestspiele, Ettlingen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Die Schlossfestspiele zeigen die Revue mit Songs des legendären Komponist-Textdichter-Duos Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II. als deutsche Erstaufführung. Dabei sind Klassiker zu hören, aber vor allem Songs aus heutzutage selten gespielten Musicals. Das Reizvolle daran: Sie wurden neu arrangiert und präsentieren sich in kammermusikalischer Feinheit, die auch die bekannten Songs völlig neu und ungewohnt klingen lässt. Die Regie verpackt die Liederfolge in eine für den Aufführungsort erfundene märchenhafte Handlung. Das sehr gute Ensemble begeistert ebenso wie das faszinierende Lichtdesign.

Der Autor der Broadway-Vorlage, Walter Bobbie, reiht gut ausgewählte Songs aneinander und bekam dafür 1994 sogar eine Tony-Nominierung für das beste Musical-Buch. Obwohl sie aus unterschiedlichen Musicals stammen, passen sie inhaltlich erstaunlich gut zusammen und funktionieren sogar als Antwort auf den vorherigen Song oder dessen Weiterführung. Auch am Broadway war das Thema „Liebe und Beziehung“, aber einen richtigen roten Faden gab es nicht.

[BILD:16]

In Ettlingen hat sich Regisseurin und Schlossfestspiel-Intendantin Solvejg Bauer eine Geschichte rund um die Lieder ausgedacht und scheint dafür den Songtitel „Some Enchanted Evening“ wörtlich genommen zu haben:
In einem verwunschenen Wasserschloss lebt eine einsame Herrscherin voll Sehnsucht nach Freundschaft und der großen Liebe. Eines Nachts stranden dort ein unbekümmerter Cowboy, ein melancholischer Dichter, eine Nixe mit Zauberkräften und eine sportliche Ruderin. Zwischen ihnen entspinnt sich ein Liebesreigen, der Shakespeares „Sommernachtstraum“ alle Ehre macht.

[BILD:17]

Das Revuehafte bleibt weiter erhalten. Einige Songs werden mit einer fortlaufenden Handlung miteinander verbunden, bei anderen gibt es inhaltliche Sprünge und Mut zur Lücke. Die Nixe wird irgendwann ohne richtige Erklärung zur Prinzessin und der Dichter ihr Prinz. Das führt zu einem Happy End mit Reminiszenz an „Cinderella“, woraus auch mehrere Stücke zu hören sind. Aber es ist nun mal eben ein verzauberter Abend, an dem alles möglich ist und der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind.
Nur einen Bruch gibt es, der die Inszenierung ein bisschen ins Trudeln bringt: Bei „Kansas City“ aus „Oklahoma“ – das hier mit deutschem Text zu „Ettlingen City“ umgedichtet wird und regionale Anspielungen enthält – springt man unverhofft mit pastellfarbenen Anzügen in die Jetztzeit. Dann gibt es zwar eine einigermaßen geschmeidige textliche Überleitung zum nächsten Lied, aber ein Moment der Unwucht bleibt. Trotzdem ist es ein großes Vergnügen, wie Solvejg Bauer zusammen mit ihrem Choreografen Hakan T. Aslan die Songs mit kreativer Personenführung szenisch umsetzt.

Dabei unterstützen der märchenhafte Aufführungsort und die clever gebaute Bühne. Christian Held hat vor den Eingang zum Schloss eine Anlegestelle mit mehreren Stegen bauen lassen. Die Ankömmlinge haben schöne Auftritte, wenn sie mit ihren Booten durch den Schlosshof rudern.

Die von Laura Yoro ausgewählten prächtigen Kostüme helfen, in die romantische Fantasiewelt einzutauchen. Wäre das nicht schon Atmosphäre genug, sind Jonas Denzels Video-Animationen das i-Tüpfelchen. Ornamente, historische Gemälde, Blumen oder Wassertropfen werden an die Fassade projiziert. Trotz allem Prunk unterstreichen sie, statt zu erschlagen.

Das Ensemble ist vielfach gefordert. Gesang und Schauspiel liegen auf der Hand, aber es wird auch viel – und sehr mitreißend – getanzt an diesem Abend. Da ist es nur logisch, dass die beiden Tänzer Daniel Ojeda und Christian Vitiello keine tanzenden Statisten, sondern feste Bestandteile der Szenen sind. Zusammen mit den Solisten ergeben sie eine harmonische Einheit.
Rachel Bahler kriecht als Nixe an Land, lernt ungelenk auf Schuhen zu stehen, macht aus „It Might As Well Be Spring“ eine furiose Eifersuchtsarie und beeindruckt durch ihren Tonumfang, wenn sie als Prinzessin stimmliche Höhen erklimmen muss. Mit sattem Bariton betört Benjamin Werth als Dichter und Prinz die anwesenden Damen. Mae Ann Jorolan taucht durch ihre kräftige, warme Stimme die Schlossherrin in zarte Melancholie. Dass Kim-David Hammann mit den Höhen etwas zu kämpfen hat, macht sein Cowboy, durch Spielfreude und körperlichen Ausdruck wett. Er scheint vor Energie fast zu bersten.

[BILD:15]

Ursprünglich gab es in „A Grand Night For Singing“ keinen gesprochenen Text. Doch Cassandra Schlenker fungiert in ihrer Rolle „Seglerin und Rampensau“ als Identifikationsfigur des Publikums. Mit badischem Dialekt und komischem Talent ist sie die einzige nicht-märchenhafte Figur. Sie spricht und singt in Deutsch, die restlichen Songs sind allesamt im Original belassen und übertitelt. Dabei zeigt sich, wie witzig viele der Texte sind, obwohl die Stücke von Rodgers und Hammerstein in der Regel Dramen und keine Komödien sind.

Es liegt aber auch an den musikalischen Arrangements von Fred Wells, dass Hammersteins Texte so gut zur Geltung kommen. Durch die ungewöhnliche Besetzung Klarinette, Saxofon, Flöte, Cello, Kontrabass, Klavier, Percussion und Harfe ergeben sich wunderbare Klangfarben. Wells verleiht zusätzlichen Pep und hat in einigen Nummern das Tempo etwas angezogen oder den Stil komplett geändert. So bekommt etwa „Oh What a Beautiful Morning“ in den Strophen einen treibenden Rhythmus, der der „West Side Story“ alle Ehre macht, „I’m Gonna Wash That Man Right Out-a My Hair“ wird im Stil der Andrews Sisters gesungen und die typische Wildwest-Folklore von „Kansas City“ mutiert zur coolen Jazz-Nummer. Aus manchen Soli der ursprünglichen Musicals werden Duette. Oder der Sinn verschiebt sich, weil plötzlich ein Mann statt einer Frau singt – und umgekehrt. Wie beispielsweise bei „Maria“ aus „The Sound of Music“. Eigentlich singen darin Nonnen von ihrer ungestümen, freigeistigen Mitschwester. Jetzt drehen sich die gleichen Worte um die Angebetete des liebestrunkenen Cowboys. Man erlebt altbekannte Songs in völlig neuem Gewand, adäquat umgesetzt von Jeff Frohner und seinen Musikerinnen und Musikern.

„A Grand Night For Singing“ ist ein Höhepunkt in der Open-Air-Spielzeit 2021. Vieles ist neu und ungewohnt – von den musikalischen Arrangements bis zur Erzählweise – und gerade das hebt diese Produktion im Festspielkalender hervor. Ein wunderschön anzusehender, gut gespielter und toll inszenierter, hoffnungslos romantischer Abend an einem malerischen Ort.
Some Enchanted Evening!

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungJeff Frohner
InszenierungSolvejg Bauer
ChoreografieHakan T. Aslan
AusstattungLaura Yoro
Christian Held
VideoprojektionenJonas Denzel
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Lynn
(Nixe, Spinne, Prinzessin)
Rachel Bahler
Jason
(Cowboy)
Kim-David Hammann
Vicki
(Schlossherrin)
Mae Ann Jorolan
Tänzer
(Diener, Pferd, Insekt, Cowboy)
Daniel Ojeda
Alyson
(Seglerin, Rampensau)
Cassandra Schlenker
Tänzer
(Diener, Pferd, Insekt, Cowboy)
Christian Vitiello
Martin
(Dichter, Biene, Prinz)
Benjamin Werth
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Do, 22.07.2021 21:00Schlosshof, EttlingenPremiere
Fr, 23.07.2021 21:00Schlosshof, Ettlingen
Mo, 26.07.2021 21:00Schlosshof, Ettlingen
▼ 14 weitere Termine einblenden (bis 11.09.2021) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay