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Guido Contini, ein angesehener Filmregisseur, kämpft mit der Midlife Crisis – hin- und hergerissen zwischen drei Frauen, verfolgt von seiner Vergangenheit und nach drei Leinwand-Flops in einer Schaffenskrise. Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Guidos Gedanken, Erinnerungen und der Realität. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Ebenen ist eine der Stärken dieser Inszenierung – abgesehen von dem atemberaubend guten Ensemble.
Das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf lässt die Handlung in Guidos Kopf ablaufen. Sie haben monotone graue Wände in Betonlook mit verwischtem Putz kreiert, die problemlos ein modernes Apartment, einen venezianischen Palazzo oder eine Kirche darstellen können. Bei genauer Betrachtung ist an der Rückwand angedeutet Guidos Kopf zu erkennen, ebenso an die Bögen in den Wänden rechts und links. Die Handlung lässt manchmal im Unklaren, ob man sich gerade in der Realität, in Guidos Gedanken oder in einer Mischung aus beidem befindet. Eine Herausforderung für die Regie. Ramesh Nair erstellt durch seine starke Personenführung faszinierende Bilder der Figuren aus den verschiedenen Ebenen. Besonders gut gelingen dem Regisseur und Choreograf in Personalunion fließende Bewegungen und Gesten, die auf musikalische Akzente oder Phrasen gesetzt werden.
Guido Contini ist – wenn man Tänzer und Choristen außen vor lässt – die einzige männliche Figur des Stücks. Als Kind verkörpert ihn in der Premiere der in puncto Gesang und Schauspiel sehr begabte Joel Gradinger. Drew Sarich als erwachsener Guido geht vollkommen in dieser fordernden Rolle auf. Hin- und hergerissen zwischen den Frauen um ihn herum, an sich und seinem Beruf zweifelnd, erlebt er schließlich einen Zusammenbruch. Sarich gelingt ein tragikomischer Spagat zwischen emotionaler Glaubwürdigkeit und den Pointen seines Textes. Wenn der Erwachsene und das neunjährige Kind Guido interagieren, entsteht zwischen Gradinger und Sarich eine wunderbare Harmonie. Nur durch die Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit kann Guido in eine neue Zukunft starten.
Frauen sind im Leben des Regisseurs ein wichtiges Thema – ob in der Kindheit, in intimen Beziehungen oder im Berufsleben. Diese Frauen sind im Vergleich zu Guido eindimensionaler gezeichnet. Sie alle haben das gewisse Etwas und mindestens einen großen Bühnenmoment, aber das Material gibt bei diesen Rollen wenig emotionale Entwicklung her. Trotzdem muss dieses gewisse Etwas natürlich vorhanden sein, damit die Figuren nicht zu Beiwerk werden. Aber in Baden läuft keine der Darstellerinnen Gefahr, zur Stichwortgeberin degradiert zu werden.
Guidos Ehefrau Luisa, die resigniert die Seitensprünge ihres Mannes akzeptiert, bekommt von Milica Jovanović Stärke und resignativen, aber scharfen Humor, die sie davor bewahren, bloß das brave Hausmütterchen zu sein. Guidos klettenhaft anhängige Geliebte Carla verkörpert (im wahrsten Sinne des Wortes) Dorina Garuci. Sie reduziert Carla aber nicht auf die sexy Nervensäge. Auch die sängerischen Anforderungen dieser Rolle sind nicht zu unterschätzen und werden von Garuci mühelos bewältigt.
Ann Mandrella hat die etwas undankbare Rolle von Guidos Muse Claudia Nardi. Er glaubt, ohne sie keine Filme mehr machen zu können; sie zögert, für den neuen Film zuzusagen. Mandrella geistert erst prägnant als Erinnerung über die Bühne, hat dann aber eine der berührendsten Szenen, wenn sie über ihr Verhältnis zu Guido reflektiert.
Guidos verstorbene Mutter taucht als Erinnerung und Geist auf. Sie verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart. Sie gibt offen zu, keinen der Filme ihres Sohnes verstanden zu haben. In Andrea Hubers Darstellung gibt es milden Humor und viel Mutterliebe, denn Guido, ihr neuntes Kind, ist ihr Lieblingskind.
Patricia Nessy bekommt als Liliane La Fleur, Guidos Produzentin, die größte Shownummer des Abends. „Follies Bergère“ ist zwar etwas bemüht in die Handlung gepresst, aber hier gibt es alles, was ein großer Revue-Akt braucht, von einer Beine schwingenden Chorus Line bis zu Federfächern und Publikumsansprache.
Weil Guido mit dem Drehbuch nicht vorankommt, stellt ihm seine Produzentin die Filmkritikerin Stephanie Necrophorus an die Seite, die aus ihrer Verachtung für Guidos Werk keinen Hehl macht. Allerdings hat auch Stephanies zur Schau gestelltes Wissen seine Grenzen, denn in dem berstend vor Energie choreografierten Song „Cinema italiano“ singt sie tapfer „Sinema“ statt – korrekt ausgesprochen – „Tschinema italiano“. Wietske van Tongeren spielt sie als arrogante, verklemmte Intellektuelle. Ihr gelingt damit eine komödiantische Perle.
Mama Maddalena, die Chefin der Dienstmädchen des venezianischen Hotels, in dem Guido und Luisa logieren, kommt eine übergeordnete Rolle zu. Sie kommentiert das Geschehen und verbindet Szenen. Anna Overbeck darf ihre Landsleute in „Deutsche im Hotel“ treffend karikieren, was beim österreichischen Publikum für viele Lacher sorgt.
Die Hure Saraghina führt den neunjährigen Guido in die körperliche Liebe ein. Jacqueline Braun ist in dieser Rolle eine Wucht mit starker Bühnenpräsenz und der Stimme, die ihr Song „Geh aufs Ganze“ / „Be Italian“ braucht.
Saraghina ist optisch nah an der gleichnamigen Figur aus Federico Fellinis Film „8 ½“, auf dem „Neun“ basiert. Wilde Haare, abgerissene Kleidung – so wird die Prostituierte gezeigt, die am Strand ihre Dienste anbietet. Überhaupt treffen Friederike Friedrichs Kostüme und vor allem die Perücken punktgenau die weiblichen Charaktere.
Im Vergleich zu Fellinis autobiografischem Film wurden die Frauenfiguren im Musical aufgewertet, einige Männerrollen zu Frauen und die schwer durchschaubare, surreale Handlung in leichtere, komödiantischere Bahnen gelenkt. Die meisten Figuren streuen in ihren Dialog – auch schon im englischen Original – immer wieder italienische Wörter ein. Das ergibt eigentlich keinen Sinn, denn es sind in der Regel Italiener, die in Italien mit anderen Italienern sprechen.
Maury Yestons mit dem Tony prämierte Musik mischt verschiedene Stile. Die Partitur enthält vertrackte Chorstellen, eingängige Melodien und dramaturgisch durchdachten Sprechgesang. Nur zum Ende rutscht er ein bisschen pathetisch ins Sentimentale ab.
Das Orchester der Bühnen Baden schöpft aus den Vollen. Unter seinem Dirigenten Christoph Huber stellen sich die Musikerinnen und Musiker den unterschiedlichen Anforderungen der Songs mit viel Energie und Gefühl. Die technische Aussteuerung ist hervorragend, die Mischung aus Musik und Text sehr ausgeglichen.
„Neun“ stieß bei seiner deutschen Erstaufführung 1999 in Berlin auf wenig Gegenliebe. Vielleicht kann die österreichische Erstaufführung nun das Stück aus der Raritätenkiste holen. In Baden hat man mit dieser großartigen Produktion alles dafür getan.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Christoph Huber, |
Inszenierung, Choreografie | Ramesh Nair |
Bühnenbild | Karl Fehringer Judith Leikauf |
Kostüme | Friederike Friedrich |
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CAST (AKTUELL) |
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Guido Contini | Drew Sarich | |||
Luisa Contini, seine Frau | Milica Jovanović | |||
Carla Albanese, seine Geliebte | Dorina Garuci | |||
Claudia Nardi, Schauspielerin | Ann Mandrella | |||
Guidos Mutter | Andrea Huber | |||
Liliane La Fleur, Guidos Produzentin | Patricia Nessy | |||
Stephanie Necrophorus, Kritikerin | Wietske van Tongeren | |||
Mama Maddalena, Chefin der Zimmermädchen / Lady of the Spa | Anna Overbeck | |||
Saraghina, eine Hure | Jacqueline Braun | |||
Orchester, Chor und Ballett der Bühne Baden |
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GALERIE |
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TERMINE |
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keine aktuellen Termine |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 22.10.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | Premiere | |||||||
So, 23.10.2022 15:00 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Do, 27.10.2022 18:00 | Stadttheater, Baden | ||||||||
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Sa, 29.10.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
So, 30.10.2022 15:00 | Stadttheater, Baden | ||||||||
So, 06.11.2022 15:00 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Fr, 11.11.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Sa, 12.11.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Do, 24.11.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Fr, 25.11.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
Sa, 26.11.2022 19:30 | Stadttheater, Baden | ||||||||
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