Patrick Stanke (Gesangssolist) © Carolin Weinkopf
Patrick Stanke (Gesangssolist) © Carolin Weinkopf

Elegies (2018)
Kulisch & Witzke, Berlin

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Triumphale, deutschsprachige Erstaufführung des Musicals über die Aids-Katastrophe der 1980er und 1990er Jahre mit dem „Who’s who“ der deutschsprachigen Musicalszene.

Diagnose: HIV positiv. Joanne kompensiert das mit Power-Shopping, Grace nähert sich ihrer Krankheit rein wissenschaftlich und Nick rächt sich, indem er mit möglichst vielen Männern ungeschützten Sex hat und das Virus wahllos weitergibt.

Das sind nur drei der 32 Geschichten, die Autor Bill Russell schlaglichtartig in „Elegies“ vortragen lässt. Sie alle sind inspiriert vom „AIDS Memorial Quilt“, einem US-amerikanischen Handarbeits-Kunstwerk, das an Menschen erinnert, die an der Immunschwächekrankheit verstorben sind. Jeder Monolog erzählt die Geschichte eines Menschen, der mit Aids konfrontiert ist, der jemanden durch die Krankheit verloren hat oder selbst daran gestorben ist. Im Stückverlauf wird klar, dass es sich um keine Randgruppen-Seuche handelt, sondern dass das HI-Virus jeden bewusst oder rein zufällig treffen kann: Männer und Frauen jeden Alters und jeglicher sexuellen Orientierung, Drogenjunkies, Krankenschwestern, aber auch ein ungeborenes Kind.

[BILD:16]

Ungewohnt schwere Kost für ein Musical. Doch die titelgebenden Elegien (Klagegedichte) sind nicht nur tragisch, sondern vermitteln meist eine versöhnlich-positive Botschaft. Zum Beispiel im Fall von Roscoe. Die Transe wurde ihr ganzes Leben lang verachtet und verkloppt. Durch ihre Aids-Infektion erblüht sie jedoch zur Diva und geht gemeinsam mit der älteren Waschsalonbesitzerin Helen, die sich über eine Bluttransfusion angesteckt hat, die letzten Stationen bis zum Tod.

Bill Russells Texte bedienen sich in der äußerst gelungenen deutschen Übertragung durch Daniel Witzke einer sehr feinfühligen, recht anschaulicher und bildgewaltiger Sprache. So rechtfertigt zum Beispiel Vietnam-Veteran Paul seinen Drogenkonsum als „Disneyland für die Vene“ und „Treibstoff seiner Träume“. Witzke, der auch für die Inszenierung verantwortlich ist, lässt immer mehrere Darsteller gleichzeitig auf die über den Köpfen leicht vernebelte Bühne kommen. In einem Lichtkegel stehend, erzählen sie ihre ganz persönliche Geschichte. Im Anschluss setzen sie sich auf ein die gesamte Bühnenbreite einnehmendes Treppengestellt im Hintergrund. Wie in einer antiken Tragödie entsteht so nach und nach ein Chor, der sich in einzelne Szenen kommentierend einmischt.

In die Monologe eingewoben sind zehn Songs, die der musikalische Leiter Philipp Gras am Flügel und Anne Sophie Keckeis am Cello aufmerksam begleiten. Janet Hoods abwechslungsreiche Partitur macht „Elegies“ zum Musical und reicht von gefühlvollen Balladen („Ich weiß dir nicht zu helfen“), jazzigen Showstoppern („Jetzt nicht mehr“) bis hin zu mitreißenden Gospel-Songs („Celebrate“). Robin Kulischs deutsche Liedtexte sind sehr gefühlsbetont, strotzen wie im Fall vom komischen „Alles Geld der Welt“ aber auch vor Wortwitz.

Die Soli, Duette und Ensemble-Nummern werden von Sängern vorgetragen, die als Person immer in einem Zusammenhang zum vorherigen Monolog stehen. So erzählt zum Beispiel eine Schwester von der glücklichen schwulen Partnerschaft ihres Bruders, der vorher beklagt hatte, dass er nur dank ihrer juristischen Hartnäckigkeit im Grab seines Partners beerdigt werden konnte.

[BILD:15]

Das Besondere an der deutschsprachigen Erstaufführung von „Elegies“ ist ihr Benefizcharakter: Passend zur Thematik fließen 75 Prozent der Einnahmen an die Deutsche AIDS-Hilfe. Um möglichst viel Geld sammeln zu können, haben die Produzenten Daniel Witzke und Robin Kulisch eine beispiellose Starbesetzung aus der deutschsprachigen Musicalszene zusammengetrommelt (siehe Liste unterhalb von dieser Rezension). Insgesamt 57 Darsteller und der Chor des Studiengangs Musical/Show an der Universität der Künste (Leitung: Holger Off) lassen die Aufführung zu einem unglaublich beglückenden, hochkarätigen Fest der Schauspiel- und Gesangskunst werden. Da jeder Beteiligte sein eigenes, individuelles Kabinettstückchen abliefert, wäre es ungerecht, einzelne Namen herauszustellen. In diesem Fall zählt der Gesamteindruck – und der ist einfach grandios!

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Buch und LiedtexteBill Russell
MusikJanet Hood
Deutsche FassungDaniel Witzke
(Monologe)
Robin Kulisch
(Songs)
ArrangementsJames Raitt
zusätzliche Vocal ArrangementsRobin Kulisch
Musikalische LeitungPhilipp Gras
InszenierungDaniel Witzke
Chorleitung und -einstudierungHolger Off
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
GesangssolistenAna Milva Gomes
Volkan Baydar
Jana Stelley
Denise Jastraunig
Gino Emnes
Ethan Freeman
Chris Murray
Patrick Stanke
Barbara Obermeier
Jessica Kessler
Aisata Blackman
Robert Knorr
Andreas Bieber
Lucy Scherer
Milica Jovanovic
Maya Hakvoort
Bettina Meske
Brigitte Oelke
Annika Henz
Adrian Burri
Marlon Wehmeier
Roberta Valentini
Serkan Kaya
PatrickThomas Wissmann
BillyBenno Lehmann
MitchChristian Peter Hauser
JoshDominik Hees
TraceyKatja Berg
OrvilleFranz Frickel
SallyAnika Lehmann
NickCarsten Lepper
LamarLemuel Pitts
CharlotteFranziska Kuropka
RebeccaIris Schumacher
RayArne Stephan
WalterAlexander Soehnle
DwightGerrit Hericks
RafaelaKatja Brauneis
PacoPedro Reichert
SandraJulia Fechter
ChristopherGianni Meurer
BerthaBarbara Raunegger
PaulUlrich Allroggen
NatLeon van Leeuwenberg
NancySandra Maren Schneider
ClaudiaFranziska Becker
RoscoeJurassica Parka
HelenRegina Lemnitz
TinaJohanna Spantzel
JoanneMonika-Julia Freeman
AlmaKathi Damerow
TomPatrik Cieslik
JoeAndré Bauer
GraceMasha Karell
MilesArmin Kahl
Chor des Studiengangs Musical/Show an der UdK BerlinMax Aschenbrenner
Florentine Beyer
Veronika Devries
Finn Fausten
Tristan Giovanoll
Clarissa Gundlach
Florian Heinke
Soufjan Ibrahim
Maria Joachimsthaler
Gwen Johansson
Ngako Keuni
Johannes Krimmel
Nicola Kripylo
Karim Plett
Denis Riffel
Fabian Sedlmeier
Timo Stacey
Mascha Volmershausen
Joel Zupan
PianoPhilipp Gras
CelloAnne Sophie Keckeis
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Mo, 10.12.2018 20:00Admiralspalast Studio, BerlinPremiere
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay