Michael Raschle (Walter), Sabine Töpfer (Doris), Benjamin Sommerfeld (Peter Schlönzke), Andreas Rainer (Bertram), Nora Lentner (Karin) © Kirsten Nijhof
Michael Raschle (Walter), Sabine Töpfer (Doris), Benjamin Sommerfeld (Peter Schlönzke), Andreas Rainer (Bertram), Nora Lentner (Karin) © Kirsten Nijhof

Kein Pardon (2017 - 2023)
Musikalische Komödie, Leipzig

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Die Leipziger Umsetzung des 2011 in Düsseldorf als Großproduktion uraufgeführten Musicals gibt die Stimmungen des Streifens in schönen Momenten gut wieder, schöpft darstellerisch und musikalisch aus den Vollen und macht so richtig Spaß. Die Chance, dem Stück eine Frischzellenkur zu verpassen und das dramaturgisch zuweilen unfertig wirkende Buch zu optimieren, wurde hingegen versäumt.

Zahlreiche Running-Gags haben die Film-Vorlage aus dem Jahr 1993 zum Kult werden lassen. Dazu gehören Omma, die nachts alleine mit dem Bollerwagen losgezogen ist, Henne mit dem Surfbrett und die Batzen-Werbung. Dass Fans des Films im Publikum sind, merkt man an den Reaktionen. Sie lieben die bodenständige Ruhrpott-Familie Schlönzke mit ihrem Schnittchen-Service, den launischen Moderator Heinz Wäscher, der stets keine Zeit hat, und natürlich das Maskottchen, den lustichen Glückshasen. Die Haupt-Charaktere der Musicalfassung von Thomas Hermanns, der hier auch Regie führt, sind liebevoll gezeichnet.

Die Musikalische Komödie Leipzig präsentiert das Stück als zweite Produktion nach Düsseldorf. Große Teile des Kreativ-Teams waren bereits dort am Werk, wodurch die Show optisch stark an das Original angelehnt ist und lediglich den örtlichen Begebenheiten angepasst wurde. Die Kulisse von Hans Kudlich zeigt das altbackene, spießige Wohnzimmer der Schlönzkes mit 70er-Charme mit angeschlossenem Tresen des Schnittchen-Ladens. An der Wohnzimmer-Rückwand läuft die Samstagabend-Show „Witzigkeit kennt keine Grenzen“. Im Fernsehstudio mit bunten Dekorationsteilen befindet sich eine weiße, variabel einsetzbare, zweiteilige Showtreppe. Dazu kommen der Schreibtisch von Ulla und ein paar Wände.

Sehr aufwändig sind Mario Reichlins Kostüme, die bei den Shownummern viel Paletten-Glitzer und Kopffedern auffahren. Auch die gedeckten Farben der Schlönzkes und die hippen Klamotten von Ulla machen einen hochwertgien Eindruck. Besonders gelungen ist die „Unser Heinz“-Szene mit vielen Heinz-Wäscher-Doubeln in schimmernden Anzügen mit Masken seines Konterfeis. Unbedingt erwähnenswert ist auch die Robe von Redakteurin Doris als herrliche Mischung aus grünem Hippie- und Strandkleid. Natalie Holtoms Choreografien des Showensembles mit großer Geste erinnern an die Schritte eines Fernsehballettes.

Für einen wohlklingenden, satten Sound aus Musik und Stimmen sorgen ein volles Orchester inklusive Harfe, Hörnern und zahlreicher Streicher sowie das große Ensemble aus Solisten und Chor. Damian Omansen hat ganze Arbeit bei seiner Orchestrierung der eingängigen Musik von Achim Hagemann und Thomas Zaufke geleistet, die eine volle Bandbreite von Shownummern, Balladen bis hin zu Rocksongs bietet. Im Ohr bleiben vor allem die bekannten Hits „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ und „Das Ganze Leben ist ein Quiz“.

Da der erste Song „Bottrop Beach“ gestrichen wurde, der den unzufriedenen Peter als Schnittchen-Ausfahrer einführte und das Leben im Ruhrgebiet darstellte, beginnt das Stück etwas holprig. Verstärkt wird dies bei der Premierenvorstellung durch kleine Pannen wie einen herunterfallenden Fahrradsattel und Schwierigkeiten beim Zusammensetzen der Häuserwand-Kulisse. Dies sollte sich in den folgenden Vorstellungen einstellen.

Auf der Bühne steht eine Mischung aus stückerfahrenen Gästen und Solisten des Hausensembles. Ihnen allen ist eine große Begeisterung bei der Darstellung ihrer Rollen anzumerken. Iris Schumacher interpretierte bereits in der Uraufführung die Mutter Hilde Schlönzke, Benjamin Sommerfeld und Julia Waldmayer waren dort als Zweitbesetzungen für Peter Schlönzke und Ulla zu sehen. Sommerfeld ist als großer, schlaksiger Jungspund ein ganz anderer Typ als Hape Kerkeling im Film und Enrico de Pieri in Düsseldorf. Mit seinem geschmeidigen Tenor, seiner urkomischen Mimik und seinem treudoofen Hundeblick trägt er die Show mit Leichtigkeit. Der Wandel vom verklemmten Mittzwanziger, der als Fernsehjunkie noch bei seiner Familie wohnt, zum allürenhaften und unsympathischen Moderator einer erfolgreichen TV-Show gelingt ihm überzeugend.

Die Tontechnikerin Ulla ist – im Unterschied zum Film – auf der Bühne nicht mit Peter liiert, wodurch ihre Rolle kaum in die Handlung eingebunden ist. Dennoch begeistert Waldmayer in ihren wenigen Auftritten mit mächtiger Rockröhre und rollengemäß coolem Spiel. Schumacher ist als warmherzige Mutter, die es doch nur gut mit ihrem Jungen meint, der Fels in der Brandung und punktet mit Stimme und Situationskomik. Mit dem leisen, perfekt platzierten Titelsong singt sie gemeinsam mit Sommerfeld ein sehr ergreifendes, gefühlvolles Duett zwischen Peter und seiner Mutter. Im Gegensatz dazu wirkt das nachfolgende Ruhrpott-Lied „Dat wär doch gelacht“ von Opa Hermann mit Stahl- und Gastarbeitern wie mit dem Holzhammer in die Handlung gehauen. In den dankbaren Rollen der Großeltern sind Anne-Kathrin Fischer und Hans-Georg Pachmann zauberhaft natürlich und liebenswert.

Cusch Jung, ansonsten Hausregisseur der MuKo, kann sich hier voll auf seine Darstellung des Heinz Wäscher konzentrieren. Er gibt den Moderator nur charmant, wenn die Kameras laufen. In seiner großen Nummer „Lass Heinz ran“ bringt er seine ganze Erfahrung und seine Entertainer-Qualitäten ein. Das ist ganz großes Theater. Die Rollen im Studio fallen allesamt ab. Einzig Nora Lentner als Karin hat mit ihrem Käffchen-Song einen großen Auftritt, der das Fernseh-Casting allerdings zur Nebensache werden lässt.

Thomas Herrmans Regie kann Längen im ersten Akt nicht vermeiden und versäumt die Chance zur Verbesserung des Buches, das einige Rollen allzu oberflächlich betrachtet und ein Pausenfinale ohne Song vorsieht anstatt hier das starke Lied „Ab jetzt ein Star“ zu verwenden. Das Ende gelingt runder als im Film. Das eine Schnittchen-Show kein Quiz ist, tut der guten Stimmung keinen Abbruch.

Ganz wie der Familie Schlönzke wird auch dem Publikum im Saal hier spaßige, bestens dargebotene Samstagabend-Unterhaltung mit hochwertiger musikalischer Untermalung geboten. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Also, Schnittchen-Service bestellen, zurücklehnen und genießen. „Es lebe hoch das deutsche Fernsehen!“

Ein Musical von Thomas Hermanns (Text) und Achim Hagemann (Musik) mit zusätzlichen Songs von Thomas Zaufke
nach einem Originaldrehbuch von Angelo Colagrossi, Achim Hagemann und Hape Kerkeling
Arrangements: Heribert Feckler
Orchesterversion: Damian Omansen

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungStefan Klingele
Christoph Johannes Eichhorn
InszenierungThomas Hermanns
ChoreografieNatalie Holtom
BühneHans Kudlich
KostümeMario Reichlin
ChoreinstudierungMathias Drechsler
DramaturgieChristian Geltinger
 
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CAST (AKTUELL)
== 2022/23 ==
Peter SchlönzkeBenjamin Sommerfeld
Heinz WäscherCusch Jung
Hilde SchlönzkeIris Schumacher
Hilma SchlönzkeAnne-Kathrin Fischer
Hermann SchlönzkeHans-Georg Pachmann
UllaJulia Waldmayer
BertramAndreas Rainer
DorisSabine Töpfer
WalterMichael Raschle
KarinLaura Scherwitzl
Nora Lentner
Bettinas Mutter / IrmgardAngela Mehling
 
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CAST (HISTORY)
Peter SchlönzkeBenjamin Sommerfeld
Heinz WäscherCusch Jung
Hilde SchlönzkeIris Schumacher
Hilma SchlönzkeAnne-Kathrin Fischer
Hermann SchlönzkeHans-Georg Pachmann
Patrick Rohbeck
UllaJulia Waldmayer
BertramAndreas Rainer
DorisSabine Töpfer
WalterMichael Raschle
KarinNora Lentner
Bettinas Mutter / IrmgardAngela Mehling
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 06.05.2017 19:00Musikalische Komödie, LeipzigPremiere
So, 07.05.2017 15:00Musikalische Komödie, Leipzig
Fr, 12.05.2017 19:30Musikalische Komödie, Leipzig
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