Nathalie Parsa und Tänzer © Sébastien Monachon - photo.bsc8.ch
Nathalie Parsa und Tänzer © Sébastien Monachon - photo.bsc8.ch

Sound of Music (2015)
Théâtre Vidy, Lausanne

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Klimawandel, Flüchtlingsdebatte, Kriege und Konsumgesellschaft – ein Auszug aus den Problemen der heutigen Zeit, die tagtäglich in den Medien allgegenwärtig sind. Yan Duyvendak bringt all dies und noch mehr in seinem neuen Musical „Sound of Music“ unter, verpackt in anderthalb Stunden Musik, Tanz und Gesang. Am 29.08.15 feierte das Stück im Rahmen des La Bâtie – Festival de Genève im Théâtre Forum Meyrin Premiere.

„Sound of Music“ bricht die klassische Definition von Musical und schafft etwas faszinierend Neues. Das Stück spielt in der Endzeit der westlichen Welt, zu Beginn wird mit Hilfe von französischen Übertiteln die aktuelle Situation drastisch dargestellt. Von Selbstmorden in iPhone-Fabriken bis hin zu ertrinkenden Flüchtlingen ist jedes Szenario vertreten und schon hier wird klar, dass das kein klassisches Musical wird. Denn Hand aufs Herz: In den meisten Stücken verläuft die Geschichte linear, gibt es immer wiederkehrende Muster und Thematiken, so dass der Zuschauer irgendwo doch immer weiß, was ihn erwartet.

Nicht so bei „Sound of Music“. Die gesamte Zeit herrscht eine absolute Spannungshaltung im Theatersaal, es scheint immer das Unerwartete zu passieren. Das liegt sicherlich zum großen Teil auch an dem Konzept hinter dem Stück. 12 als Broadwaytänzer bzw. -sänger bezeichnete Darsteller (darunter auch viele deutsche Musicaldarsteller) nehmen sich der ingesamt sieben Lieder im Stück an, dazu kommen 24 lokale Tänzer. Die zweite Größe ist für die Zukunft variabel: An anderen Häusern können auch wesentlich mehr Tänzer das Stück unterstützen – je nachdem, welche Mittel zur Verfügung stehen.

All diese Menschen auf relativ kleinem Raum füllen diesen Abend. Sie sind eine Einheit, die wie ein Uhrwerk funktioniert. Denn im weiteren Verlauf wird dieses Musical durch die unheimlich ausgeklügelten Choreographien und Tanzeinlagen von Olivier Dubois und Michael Helland getragen, die mal eigenständig für sich stehen, mal die Songs unterstützen. Die Lieder in „Sound of Music“ (geschrieben von Christophe Fiat und ins Englische übersetzt von Martin Striegel) sind so vielfältig wie die Thematiken, derer sich das Stück annimmt.

Da gibt es die schnelle Ensemblenummer „All Right Good Night“ über die verschwundene Boeing aus Malaysia, die mit bitterbös zynischem Text im Endeffekt signalisiert: ‚Na gut, die Welt geht halt unter!‘. Daneben gibt es aber auch Balladen, die unter die Haut gehen. „War has been declared“ erzählt von ausgebrochenem Krieg, während es in einem anderen Lied in etwa frei übersetzt heißt: War der Gedanke, eine Waffe an deinen Kopf zu halten, jemals tröstlich?

In einem Rap wird zu „Fuck Communism“ aufgefordert und in „Staying Afloat“ geht es um den Plan, die Welt zu überfluten, um die Überpopulation zu lösen – denn nur die Reichen können sich luxuriöse Schiffe zum Überleben leisten. „Chinese Are on Tour“ handelt von Konsumwahn. Die Texte dazu sind oft zynisch, sehr eindringlich und treffend auf den Kern der Sache hin formuliert. Alle Darsteller haben großartige, sehr markante Stimmen, die die Songs tragen.

Die Musik von Andrea Cera reicht dabei von E-Bass über Rap bis hin zu Klavierklängen. Für das Stück wurden teils Melodien von bekannten Musicals wie z.B „Rent“ und „Hair“ stark entfremdet und wiederverwendet. Bühnenbild gibt es kaum, vielmehr fungieren die Darsteller als lebende Kulisse – genauso dezent verhält es sich mit den Kostümen von Nicolas Fleury. Die Tänzer treten in Straßenkleidung auf, werfen sich nur irgendwann goldene Pailettenshirts über und symbolisieren so sozusagen den schönen Schein der heutigen Gesellschaft. Einfach, aber wirkungsvoll.

Ganz besonders stark inszeniert ist der Schluss der Show. Immer mehr goldene Vorhänge fallen von der Decke, während sich die Cast einmal mehr in einer schnellen Choreographie verausgabt. Dabei kommen sie mit jedem gefallen Vorhang ein Stück näher ans Publikum, die elektronische Musik dazu wird immer lauter, bis am Ende nur noch dröhnender Bass bleibt und die Darsteller schon fast im Zuschauerraum angekommen sind. Dann ist es plötzlich vorbei. Selbst das Ende kommt unerwartet.

Was auf den ersten Blick seltsam aneinandergereiht wirken mag, passt hervorragend in genau diesem Chaos zusammen. „Sound of Music“ ist wie ein goldglitzernder Albtraum, aus dem der Zuschauer schweißgebadet erwacht, bei dem die einzelnen Elemente erst einmal sortiert werden wollen. Genau das will das Stück erreichen. Es möchte zum Nachdenken und Umdenken animieren. Auf etwa der Hälfte des Stückes kommt Regisseur Yan Duyvendak persönlich nach vorne, erzählt mit einem Mikro in der Hand von dem Report der Vereinten Nationen und der Tatsache, dass wenn es so weitergeht, schon bald kein Leben mehr auf der Erde möglich ist. Eine Warnung, die ankommt.

Das gesamte Stück hat ein enorm hohes künstlerisches Niveau. Angefangen bei den Choreographien, über die zwischenzeitlichen Schauspieleinlagen bis hin zu den einzelnen Songs. Genauso ist jeder einzelne Akteur an diesem Premierenabend mit Herzblut bei der Sache.

Wer sich auf diese Show einlässt, wird einige Dinge mit anderen Augen sehen und beginnen über diese Welt nachzudenken. „Sound of Music“ ist wagemutig, experimentell, erschreckend und völlig anders. Es bleibt zu hoffen, dass das Stück mit entsprechenden Übertiteln vielleicht auch Einzug in deutschen Theater hält und frischen Wind in die hiesige Musicallandschaft bringt.

***

Die nächsten Aufführungstermine in Frankreich:

24. – 25. September 2015, Marseille
Festival actoral
Gymnase de Marseille

2. – 9. Oktober 2015 (spielfrei am 5. Oktober), Nanterre
Nanterre-Amandier, centre dramatique national

14. – 15. Oktober 2015, Saint-Médard-en-Jalles
Le Carré – Les Colonnes, scène conventionnée

26. – 28. März 2016, Paris
Le Centquatre
dans le cadre du Festival SÉQUENCE DANSE PARIS,
avec le Théâtre Nanterre-Amandiers, centre dramatique national

 
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KREATIVTEAM
Conception et direction artistiqueYan Duyvendak
Assistant à la créationNicolas Cilins
LivretChristophe Fiat
Traduction et adaptation anglaiseMartin Striegel
Chorégraphies de All Right Good Night, Staying Afloat, Chinese Are On Tour, Rain DanceOlivier Dubois
Assistant chorégraphique d’Olivier Dubois/répétiteurCyril Journet
Autres chorégraphiesMichael Helland
MusiqueAndrea Cera
Repeetition chantSylvie Zahnd
ScenographieSylvie Kleiber
LumièresVincent Millet
CostumesNicolas Fleury
ProgrammationThomas Köppel
Construction décorsAtelier Théâtre de Vidy
Régie généraleThéâtre de Vidy
Production et diffusionNataly Sugnaux Hernandez
Caroline Barneaud
ProductionSamuel Antoine
Sylvain Didry
CommunicationAna-Belen Torreblanca
AdministrationMarine Magnin
Assistant de productionTristan Pannatier
Production déléguéeDreams Come True Genève et Théâtre de Vidy Lausanne
Coproduction
La Bâtie-Festival de Genève
Théâtre Forum Meyrin
Théâtre Nanterre-Amandiers centre dramatique national
Festival actoral Marseille Pour-cent culturel Migros
Soutiens
spectacle lauréat du concours Label + théâtre romand 2014
Prix FEDORA Van Cleef & Arpels pour le Ballet 2014 lauréat
Fondation Meyrinoise du Casino, Fondation Ernst Göhner
Stanley Thomas Johnson Foundation, Ville de Genève
 
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CAST (AKTUELL)
mitOliver Aagaard-Williams
Lisandra Bardél
Tobias Brönner
Johannes Brüssau
Maria Einfeldt
Angelika Erlacher
Eveline Gorter
Jan Grossfeld
Sorina Kiefer
Sven Niemeyer
Nathalie Parsa
Mario Saccoccio
Ballet Junior de Genevè
Lokale Tänzer
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 29.08.2015 21:00Théâtre Forum Meyrin, MeyrinPremiere
So, 30.08.2015 17:00Théâtre Forum Meyrin, Meyrin
Mo, 31.08.2015 20:00Théâtre Forum Meyrin, Meyrin
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