Andrew Lloyd Webbers „Evita“ wird in Wien in einer gelungenen Neuinszenierung von Vincent Paterson gezeigt. Die Show ist bunt, stringent und kraftvoll inszeniert und profitiert von einem vortrefflichen Hauptdarsteller-Trio. Gepaart mit spannenden neuen Regieansätzen wird der „Klassiker“ so zu einem erneuten Schatz für Musicalliebhaber.
Das neue Konzept der kürzeren Laufzeiten bei der Bespielung des Ronachers bietet die Chance, auf Altbewährtes zu setzen und mit neuen Ideen an solche Projekte heranzugehen. Den Anfang macht nun also die Geschichte über die argentinische Präsidentengattin Eva Perón, inszeniert von Vincent Paterson, der bis dato eher durch Werbekampagnen im Filmsektor auf sich aufmerksam machte. Seine bisherige Arbeit kommt ihm bei der modernen Inszenierung der Geschichte augenscheinlich zugute, denn immer wieder wartet er mit bunten, teils überdrehten und verrückten Regieeinfällen auf, die einen neuen Blick auf die bekannte Story freigeben.
Im Gedächtnis bliebt beispielsweise der Song „Santa Evita“, bei dem Eva als Heilige angebetet und von Engeln umgeben in einem goldenen Rahmen hoch über die Köpfe ihrer Anhänger gehoben wird. Ein sehr gelungener Effekt, der vor Augen führt, wie die Präsidentengattin buchstäblich „vergöttert“ wird und ihr Volk ganz und gar im Griff hat. Auch „Das Handwerk des Möglichen“ ist ausgesprochen innovativ inszeniert: Che geht ins Publikum und lässt Zuschauer nach und nach Personen in einer Schießbude „abschießen“ bis letztlich nur noch Juan Perón übrig bleibt. Gepaart mit einer an „Kasperlepuppen“ erinnernden Choreografie malt Paterson auch hier wieder ein Bild: Die Politiker werden als Schießbudenfiguren dargestellt, und später nutzt Eva diese politische Instanz als Mittel zum Zweck, um „die Fäden in der Hand“ halten zu können und ihren Mann zu steuern.
Ebenfalls eindrucksvoll: die in den Landesfarben ausgeleuchteten Länder der „Regenbogen-Tour“ und die abschließende Selbstreflexion der sterbenden Evita, in der diverse Schauspielerinnen Evas Leben nachzeichnen.
Alles in allem bleibt die Show dank der neuen Ideen des Regisseurs durchweg spannend und innovationsfreudig – eine hervorragende Herangehensweise an ein altbekanntes Musical, die wegweisend für weitere Stücke sein sollte.
Unterstützung findet Paterson in der für eine solch kurz geplante Laufzeit sehr innovativen Bühnendekoration von Stephan Prattes und der Beleuchtung von Andrew Voller, die die Ideen des Regisseurs plastisch auf die Bühne bringen.
Um ein häufig gespieltes Werk wie „Evita“ erneut in einer Großproduktion auf die Bühne zu bringen, ist neben neuen Regieansätzen eine hochkarätige Besetzung von Vorteil. In dieser Beziehung haben die Vereinigten Bühnen Wien meist ein Händchen für den Geschmack des Publikums. Auch hier ist das nicht anders. Katharine Mehrling ist eine ausgezeichnete Eva Perón. Anfangs zart und schüchtern, kann sie besonders im zweiten Akt zeigen, was in ihr steckt. Stimmlich überzeugt sie bei „Wein nicht um mich, Argentinien“ und „Ich spiele meine Rolle nicht wie’s euch gefällt“. Schauspielerisch blüht sie besonders auf, sobald sie zeigen kann, wie sie die Zügel in die Hand nimmt und für ihren Mann und sein Volk kämpft.
Thomas Borchert hat seine stärksten Momente ebenfalls im zweiten Akt, wenn seine Sorge um die todkranke Eva wächst und diese erkennt, dass er sie um ihrer selbst willen liebt und nicht deswegen, was sie für ihn und seine Karriere tut („Ein strahlender, heller Stern“). Amüsant ist jedoch auch sein erster Auftritt in erwähnter Schießbude, bei der er völlig aus der Rolle fallen darf.
Vladimir Korneev als Tangosänger Augustín Magaldi singt den Song „Diese Nacht ist so sternenklar“ mit tollem Akzent und viel Hingabe.
Den meisten „frischen Wind“ bringt Drew Sarich in seiner Rolle als Che mit. Als Erzähler der Geschichte erinnert er dabei ein wenig an Luigi Lucheni aus „Elisabeth“. Seine Rolle ist ebenso bitterböse, kommentierend, sarkastisch und genauso häufig tritt er hinter seiner Rolle hervor und spielt mit dem Publikum. Bei „Was für ein Zirkus“ und „Jung, schön und geliebt“ steuert er wunderschöne neue Phrasierungen bei, die unvergleichbar mit seiner angenehm warmen Stimmfarbe verknüpft sind.
Letztlich sei – wie beinahe immer bei den Vereinigten Bühnen – die opulente Besetzung des Ronacher’schen Orchestergrabens positiv herausgestellt, deren herausragender Klang unter dem Dirigat von Koen Schoots und der fein abgestimmten Abmischung einen Hörgenuss in Cast-Recording-Qualität entstehen lässt.
„Evita“ in Wien bietet eine gelungene Neuinszenierung eines altbekannten Werkes. Passend zu den bunten Lettern, die derzeit über dem Ronacher thronen, ist auch die Inszenierung farbenfroh und bietet originelle Ansätze, ohne den Inhalt der Geschichte zu übertünchen und aus dem Blickfeld zu verlieren.
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